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Entwicklungshilfe: "Europa hat sich lange gutes Gewissen gekauft"

Entwicklungshilfe Nairobi

Unbeschwerte Augenblicke während einer Projektreise in Nairobi: für Kinder in der Dritten Welt keine Selbstverständlichkeit

Er ist seit über 30 Jahren das Gesicht und der Motor der Stiftung Hilfswerk deutscher Zahnärzte (HDZ, Göttingen). Sein Engagement zu helfen empfand er nie als Verpflichtung, sondern es war und ist seine Leidenschaft: In dem nachfolgenden Interview spricht Dr. Klaus Winter, Vorsteher des HDZ, darüber, warum dieses Jahr eine ganz besondere Bedeutung hat und welche Projekte ihm besonders am Herzen liegen.

DZW: Dr. Winter, am 12. Mai 2017 feiert das HDZ in Berlin sein 30-jähriges Bestehen. Welche Bedeutung hat das runde Jubiläum für Sie?

Dr. Klaus Winter: Ein Jubiläum ist immer auch ein Anlass, zurückzublicken und Bilanz zu ziehen. Unsere Stiftung verfolgt seit 30 Jahren eine nachhaltige Verbesserung der Lebenssituation von Menschen in Lepra- und Notgebieten, besonders im Gesundheits- und Bildungsbereich. Dabei sind Kooperationen und Vernetzungen mit Partnern auf nationaler wie internationaler Ebene immer sehr wichtig gewesen. 30 Jahre "Entwicklungsdienst" zu leisten für Menschen, die sich selbst nicht helfen können, war und ist eine besondere Aufgabe, die mich immer erfüllt hat. Frau Dr. Kässmann, ehemalige evangelische Landesbischöfin von Hannover, brachte es einmal auf den Punkt: "Die Zuwendung zu anderen verändert immer auch uns selbst. Sie befreit uns aus der Gefangenschaft im Alltagstrott und erweitert unseren Horizont. So sind wir Gebende immer auch Empfangende."

DZW: Wer hat Sie bei dieser Arbeit unterstützt?

Winter: Als Mittler zwischen Spendern und Hilfsbedürftigen haben mich zuverlässige Kollegen, Freunde, Mitmenschen über drei Jahrzehnte hinweg begleitet, denen gilt es heute ausdrücklich Danke zu sagen. Dank ihnen konnten wir viel bewirken: Soforthilfemaßnahmen in Notgebieten, Hilfe beim Infrastrukturaufbau in entlegenen Regionen, Errichtung von (zahn-) medizinischen Einrichtungen in vielen Ländern der Welt sowie zahnmedizinische Prophylaxeprogramme und der Kampf gegen Lepra waren und sind Teil der vielfältigen HDZ-Aufgaben. Hinzu kommt der Kampf gegen Armut und Hunger, Vertreibung und Menschrechtsverletzungen – alles dies ließ sich nur gemeinsam bewältigen, getreu dem Motto: „Es ist nicht schwer, Gutes zu tun, wenn es viele Helfer gibt“.

DZW: Wie geht es weiter nach dem Jubiläumsjahr?

Winter: Dank der hoffentlich kontinuierlichen Spendenbereitschaft wird die Stiftung auch im Jahr 2017 in viele Projekte in Asien, Afrika, Südamerika und Europa investieren. Geplant sind unter anderem Zahnprophylaxeprogramme in Chile und deren Fortsetzung auf den Philippinen und Argentinien; Zahnstationen in Madagaskar und Togo; Fortsetzung der Unterstützung der Gastronomieschule in Vietnam, Lepraprojekte in Indien und China, Schulbau für syrische Flüchtlinge im Libanon, Förderunterrichte für unbegleitete Flüchtlingskinder in Deutschland und Unterstützung von Sozialarbeit in Rumänien. Damit solche Hilfen nicht "verpuffen", wägt das HDZ seit jeher im Vorfeld sehr genau ab, wofür das Geld ausgegeben wird.

Lange Zeit hat Europa nichts anderes getan, als sich mit humanitärer Hilfe ein gutes Gewissen zu erkaufen. Der Norden hat immer nur die Symptome gelindert, ohne je die Wurzel des Übels im Süden anzupacken. Jede Hilfe, die nicht an gute Regierungsführung und ethisches unternehmerisches Handeln geknüpft war, konnte deswegen nur ein Trostpflaster sein. Unser Ansatz war immer ein anderer. Die finanziellen Mittel wurden und werden stets zielgerichtet, also satzungsgemäß eingesetzt, damit die Hilfe nicht nur ankommt, sondern auch nachhaltige Wirkung zeigt.

DZW: Welche Projekte spiegeln den Erfolg dieser Ansätze besonders gut wider?

Winter: Davon gibt es viele. Ein besonderes Beispiel ist das seit 1998 existierende und vom HDZ errichtete Waisendorf für 50 Mädchen im Urubambatal nahe der Stadt Cusco in Peru. Jedes Jahr werden der Lebensunterhalt, die Bausubstanz und das Bildungsprogramm (Schule, Universität, Lehren in Bäckerei, Töpferei, Weberei) durch das HDZ gesichert. Inzwischen sind aus den ersten Dorfbewohnerinnen längst Erwachsene geworden, die heute in der Touristenbranche in Cusco ihren Berufen nachgehen – ob im Hotelfachbereich, als Fremdenführerinnen oder im Kunstgewerbe. Manche haben ihre Studienlaufbahn in Lima begonnen beziehungsweise auch schon beendet. Fast alle haben es geschafft, auf eigenen Füßen zu stehen – solche Entwicklungen mitzuerleben erfüllt mich mit Glück.

DZW: Welche Rolle spielt die Zusammenarbeit mit dem Roten Kreuz für Sie?

Winter: In diesem Jahr bin ich 40 Jahre Mitglied im DRK-Ortsverband Bad Lauterberg. Hier war ich zwar lokal nicht besonders tätig, aber die DRK-Einsätze im Ausland habe ich stets verfolgt. Seit Frühjahr 2016 unterstützt nun das HDZ den DRK-Griechenlandeinsatz mit mobilen Basisgesundheitsstationen. Desweiteren ging eine Sachspende für eine Kinderspielstube in die Notunterkunft für Flüchtlinge der Wartbergschule zum DRK-Kreisverband Münster, und im Jubiläumsjahr wird die DRK-Mobile-Gesundheitsstation für Indio-Dörfer in Kolumbien ausgebaut.

Hierzu gibt es auch einen ausführlichen Bericht auf unserer Homepage (www.stiftung-hdz.de). Die Ärzte helfen bei diesem Projekt nicht nur mit (zahn-)medizinischer Versorgung in den entlegensten Gebieten Kolumbiens. Sie führen auch Wachstumskontrollen bei Kindern durch, machen Ernährungsberatungen und vermitteln Kindern das richtige Zähneputzen. Auch hier setzen wir also wieder auf Nachhaltigkeit.

Mitte Mai werde ich den DRK-Präsidenten, Dr. Rudolf Seiters, im Rahmen unserer Jubiläumsveranstaltung in Berlin einen Scheck überreichen und als Gastreferenten begrüßen. Darauf freue ich mich besonders.