Integration mit anderen medizinischen Disziplinen
Die oralmedizinische Weltorganisation FDI (Féderation Dentale Internationale/World Dental Federation) hat Ziele für eine verbesserte orale Gesundheit vorgelegt [1]. Ein im renommierten medizinischen Journal Lancet publizierter Übersichtsartikel beurteilt diese in vielen Ländern der Erde als schlecht [2]. Neben Karies und Parodontitis gehören demnach auch orale Karzinome zu den am weitesten verbreiteten Erkrankungen, die erhebliches Leiden und auch Kosten verursachen. In ihrem Positionspapier „Vision 2030. Delivering Optimal Oral Health for All“ benennt die FDI als weitere Problemfelder die angemessene Versorgung einer alternden Bevölkerung und die Tatsache, dass zu wenig Gewicht auf Diagnostik und Prävention gelegt wird [1, 3].
Erreicht werden sollen die nicht exakt definierten Gesundheitsziele unter anderem durch effektiveres Einbinden in die allgemeine medizinische Versorgung. Diese sollte für alle Menschen erreichbar und bezahlbar sein. Weiterhin stellen die Autoren des Papiers – darunter der neue FDI-Präsident Dr. Gerhard Seeberger (Cagliari, Italien) und Dr. Michael Sereny (Hannover) – ausbildungsbezogene Forderungen: Mediziner aller Fachrichtungen einschließlich Zahnmediziner sollten „das Wissen und die Fähigkeiten haben“, durch interdisziplinäre Zusammenarbeit „zu einer effektiven Vorbeugung und Behandlung oraler Erkrankungen beizutragen“.
Ausbildungsrefom ja – Integration nein
In einem separaten Kapitel zum Thema Ausbildungsreform wird jedoch eine Integration der Oralmedizin in die „große“ Medizin nicht als Ziel formuliert. Vielmehr gehen die Autoren weiterhin von einer eigenständigen Profession aus, deren Kompetenzen nur in einer Reihe von Bereichen gestärkt werden müssten (siehe oben). Dies sei auch notwendig, um die „Wahrnehmung und Anerkennung durch andere medizinische Fachrichtungen“ zu verbessern. Weiterhin sollten Zahnarztpraxen als „Portal für das Gesundheitssystem“ genutzt werden, zum Beispiel durch Screenings für systemische Erkrankungen und Ernährungsberatung.
In einem Kommentar zur Vision 2030 der FDI bemerken die Professoren David Williams (London) und Michael Glick (New York), dass „Gesamt- und orale Gesundheit absolut miteinander verflochten sind und nicht unabhängig voneinander existieren können.“ Dennoch wird im Positionspapier weiterhin die Berufsbezeichnung Zahnarzt (dentist) verwendet, zusätzlich wird von „oral healthcare professionals“ oder „oral health workforce“ gesprochen. Glick ist ehemaliger Chefredakteur des Journal of the American Dental Dental Association (JADA) und hat einen Lehrstuhl für „orale diagnostische Wissenschaften“.
Weltweit große Systemdifferenzen
Die FDI betont, dass sich Gesundheitssysteme und ökonomische Ressourcen weltweit stark unterschieden. Sie formuliert ihre Ziele und Wege daher nur allgemein und betont, dass es sich dabei nur um Empfehlungen handele. Ohne eine breite Unterstützung von Regierungen und Organisationen auf nationaler und internationaler Ebene dürften sie also kaum realisierbar sein. Nicht zuletzt aus diesem Grund unterstützt die FDI parallel Zahn- und Oralmediziner in ihrer täglichen Praxis mit einfach strukturierten klinischen „Kochbüchern“. Diese sind in Form von beidseitig bedruckten Karten für den Chairside-Gebrauch in englischer Sprache und zum Teil auch in anderen wichtigen Sprachen erhältlich.
Dr. Jan H. Koch
Literatur
[1] Federation FWD. Vision 2030: Delivering Optimal Oral Health for All. Available from www.fdiworlddental.org/vision2030; aufgerufen 20210127.
[2] Peres MA, Macpherson LMD, Weyant RJ, Daly B, Venturelli R, Mathur MR, et al. Oral diseases: a global public health challenge. Lancet 2019;394:249-260.
[3] Glick M, Williams DM. FDI Vision 2030: Delivering Optimal Oral Health for All. International Dental Journal; online 20210118.