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HDZ: Kampf gegen einen unsichtbaren Feind

Lepra-kranke indische Frau zeigt amputiertes Bein

Der Fuß dieser an Lepra erkrankten indischen Frau konnte auch von erfahrenen Klinikchirurgen nicht gerettet werden, aber die Behandlung hat sie vor einem schlimmeren Leidensweg bewahrt.

Der Welt-Lepra-Tag am 31. Januar ist Menschen wie Rana gewidmet. Die junge Frau lebt in einem kleinen Dorf in Indien. Sie trägt eine der ältesten Krankheiten der Menschheitsgeschichte in sich: Lepra. Wann und wo sie sich genau angesteckt hat, weiß sie nicht. Als sie vor einigen Monaten die Hautveränderungen an ihren Armen und Beinen bemerkt hat, dachte sie, es sei ein Ausschlag.

Erst als die Mitarbeiter von Dr. Rémy Rousselot sie auf einer ihrer Monitoring-Fahrten zur Früherkennung von Lepra-Neuerkrankungen entdecken, bekommt sie erklärt, woran sie wirklich leidet. Eine medizinische Behandlung kann sie sich nicht leisten, denn ihre Familie ist bitterarm. Das schwüle Klima, schlechte hygienische Verhältnisse und fehlende Bildung haben den perfekten „Nährboden“ geliefert, um Rana mit der heimtückischen bakteriellen Krankheit zu infizieren. Und so wäre ihr Leidensweg vorgezeichnet gewesen, wenn es nicht Organisationen wie die Stiftung Hilfswerk Deutscher Zahnärzte (HDZ) für Lepra- und Notgebiete geben würde, die unter anderem die Klinikkosten für Rana übernehmen.

Dr. Rémy Rousselot behandlet auch in Coronazeiten Lepra-Patienten in seiner Klinik.

Dr. Rémy Rousselot behandlet auch in Coronazeiten Lepra-Patienten in seiner Klinik.

Das HDZ unterstützt seit vielen Jahren die Privatklinik von Dr. Rémy Rousselot in Ostindien sowie das Bombay Leprosy Project in Mumbai. Zudem ist die Stiftung zusammen mit Don Bosco in den chinesischen und vietnamesischen Lepraprovinzen aktiv. Die Lepra-Hilfe ist einer der Schwerpunkte des Hilfswerks. Sie geht zurück auf den Göttinger Zahnarzt Carl Heinz Bartels, den die Eindrücke von Reisen in die Lepragebiete Südostasiens nicht mehr losließen. Er gründete 1981 die „Patenschaft Niedersächsischer Zahnärzte für Lepragebiete” – den Vorläufer der heutigen Stiftung Hilfswerk Deutscher Zahnärzte. Im vergangenen Jahr flossen 53.400 Euro an Spendengeldern in Lepra-Projekte in China und Indien. Die Hilfe beschränkt sich dabei nicht auf medizinische Maßnahmen, sondern umfasst ebenso das Einrichten von Spezialschuh- und Prothesenwerkstätten, oder die Kinderausbildung betroffener Familien.

Dunkelziffer der Neuerkrankungen ist hoch

Gemeinsam mit seinen Projektpartnern versucht das HDZ sowohl eine weitere Ausbreitung des gefährlichen „Mycobacterium Leprae“ zu verhindern als auch den Erkrankten ihr schweres Los erträglicher zu machen. Doch die Dunkelziffer der Neuerkrankungen ist hoch, da die abgelegenen Regionen Indiens und Chinas nur schwer zu erreichen sind und ein Bewusstsein für die Schwere der Erkrankung oftmals nicht vorhanden ist. Viele Dorfbewohner halten Lepra für eine Strafe Gottes.

Warum manche Menschen von der Krankheit befallen werden und andere im gleichen Umfeld davon verschont bleiben, ist noch immer nicht ganz geklärt. Ebenso unklar ist, warum Lepra in einigen Fällen schon nach wenigen Monaten und in anderen erst nach Jahren oder Jahrzehnten ausbricht. Fest steht aber: Wenn die Erkrankung im Frühstadium nicht erkannt und behandelt wird, zerstören die Leprabazillen die Nerven an Händen und Füßen. Geschieht weiter nichts, wird der Erkrankte bald ein Krüppel sein, denn aus den Wunden entstehen eiternde Geschwüre, die mit der Zeit dafür sorgen, dass ganze Gliedmaßen absterben und amputiert werden müssen. In vielen Fällen erblinden die Patienten auch durch den Befall der Sehnerven. 

Lepra-Patienten auf Betten in einer indischen Klinik

Ein Bett in der Klinik von Dr. Rémy Rousselot in Indien kostet 5,50 Euro pro Tag – für viele Menschen unerschwinglich.

Was die Lepra-Kranken dann erwartet, ist kaum in Worte zu fassen. Viele siechen in abgelegenen Lepra-Dörfern vor sich hin, nachdem sie von ihren Familien und Dorfgemeinschaften verstoßen wurden. Andere sind permanenten Hänseleien und Demütigungen ausgesetzt und kämpfen auf den Straßen als Bettler um ihr tägliches Brot. Hilfe tut also dringend Not, denn das Gute ist: Lepra ist heilbar. Leichte Fälle können mit einer gezielten Kombination von bestimmten Medikamenten innerhalb von sechs Monaten therapiert werden, in schweren Fällen dauert es ein bis zwei Jahre. Danach ist der Patient geheilt.

Rana hatte das Glück, dass ihr rechtzeitig geholfen werden konnte. Ihren Fuß konnten zwar auch die erfahrenen Klinikchirurgen von Dr. Rousselot nicht mehr retten, aber die Behandlung hat sie in jedem Fall vor einem noch schlimmeren Leidensweg bewahrt.

WHO verfehlt Lepra-Ziele

Trotz der guten Therapiemöglichkeiten ist es der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bis heute nicht gelungen, die Welt Lepra-frei zu machen, wie sie es sich vor 20 Jahren vorgenommen hatte. Noch immer erkrankt etwa alle zwei Minuten ein Mensch an Lepra, unzählige weitere Fälle bleiben unentdeckt.  Auch die 2016 gesteckten „Triple-Zero-Ziele“ (keine Ansteckung – keine Behinderung – keine Diskriminierung), die Grad-2-Behinderungen, Fälle bei Kindern oder Diskriminierung von Erkrankten betreffen – konnten nicht erreicht werden. Experten fordern daher neue Initiativen und Ansätze.

Wer jedoch annimmt, dass sich das Lepra-Bakterium auf die Slums dieser Welt beschränkt, der irrt. Auch in Europa werden noch immer vereinzelt Lepra-Erkrankungen diagnostiziert. Und sogar in Deutschland gibt es laut dem Robert-Koch-Institut hin und wieder Lepra-Erkrankungen. „In Zeiten der Migration von Hunderttausenden von Menschen und angesichts der langen Inkubationszeiten kann niemand wirklich einschätzen, wann, wo und wie häufig der Erreger in den nächsten Jahren in Europa auftreten wird“, sagt Dr. Klaus Winter, stellvertretender Vorsteher der Stiftung HDZ und Leprosier des Lazarus Ordens. So wurde beispielsweise in der Ambulanz des Bernhard-Nocht-Instituts in Hamburg vor einigen Jahren eine Lepra-Erkrankung bei einem Thailänder festgestellt, der bereits 18 Jahre in Deutschland lebte und zwischenzeitlich keine Reisen in seine Heimat unternommen hatte (Quelle: Ärzteblatt, 31.1.2017).

90 Skelettfunde aus ganz Europa untersucht

Forscher des Max-Plack-Instituts veröffentlichten im vergangen Jahr eine neue Studie über die Lepra, die belegt, wie alt und wie weit verbreitet das Bakterium ist. Hierzu hatten sie 90 Skelettfunde aus ganz Europa untersucht, die typischen Lepra-Schädigungen aufwiesen. Ihr Fazit: Alle bekannten Lepra-Stämme traten bereits im mittelalterlichen Europa auf, was nahelegt, dass Lepra schon im Zeitraum von 400 bis 1400 n.Chr. in Asien und Europa weit verbreitet gewesen sein muss. Nachweislich gab es Herde an Orten, die niemand vermuten würde, etwa in Norwegen oder am Hofe von Versailles. Doch genauso plötzlich wie die Krankheit auftauchte, verschwand sie im 16. Jahrhundert wieder aus den Geschichtsbüchern. Seither gilt Europa weitgehend als Lepra-frei. Damit dies so bleibt, sind Organisationen wie die Stiftung Hilfswerk Deutscher Zahnärzte für Lepra- und Notgebiete (C. H. Bartels Fund) auf Spendengelder angewiesen. Denn nur so können sie das Übel dort bekämpfen, wo es gerade am meisten wütet – zum Beispiel in dem indischen Dorf von Rana.

Yvonne Schubert