Weichgewebe prägen wesentlich den ästhetischen Erfolg implantologischer Versorgungen. Konkret kommt es auf einen natürlichen Verlauf an – und auf eine gesunde Farbe und Struktur. Periimplantäre Mukosa muss zudem den Knochen vor Entzündungen schützen. Teil 1 dieser Übersicht fokussiert anatomische und physiologische Grundlagen.
Periimplantäres Weichgewebe ist faser- und zellärmer als parodontales. Der epitheliale Anteil ist länger und schließt das Implantat weniger hermetisch gegen die Mundhöhle ab [1]. Hinzu kommen eine schlechtere Durchblutung und eine weniger effektive immunologische Reaktionsfähigkeit [2]. Alles zusammen erhöht die Anfälligkeit für Entzündungen, die auf den Knochen übergreifen können.
Daraus folgt, dass Lappen- und Nahttechnik sehr sorgfältig durchgeführt werden sollten – ebenso wie im Vorfeld die chirurgische und prothetische Planung. Dabei ist zunächst zu klären, ob Weichgewebe bereits vor einer Implantation chirurgisch vorbereitet – oder ob Maßnahmen besser im Rahmen von Implantation oder Freilegung durchgeführt werden. Ist eine vorbereitende Augmentation erforderlich, beginnt mit diesem Schritt auch das Weichgewebs-Management.
Keratinisiert und beweglich
Keratinisierungsgrad und Durchblutung sind wichtige Merkmale alveolärer Weichgewebe. Die Durchblutung ist wiederum mit dem Entzündungsgrad verknüpft. Beide Merkmale zusammen bestimmen bei der fixierten und freien zahnbezogenen Gingiva (meist hellrosa) und der beweglichen Mukosa (pink bis rot) auch die Farbe (Abb. 1) [3]. Vernarbungen infolge früherer Eingriffe oder Verletzungen verändern diese physiologische Farbschichtung (Abb. 2). Vor allem in der Oberkieferfront ist der farbliche Eindruck für den ästhetischen Erfolg bedeutsam, bei Zähnen ebenso wie bei Implantaten.
Bei periimplantären Geweben wird zwischen befestigter und beweglicher Mukosa unterschieden. Im Gegensatz zum parodontalen Weichgewebe (Gingiva) ist die keratinisierte Mukosa, soweit vorhanden, häufig nicht am Knochen befestigt [4]. Der Übergang zum nicht keratinisierten Gewebe liegt dann entsprechend weiter koronal als bei Zähnen. Bei der Mundhygiene zeigt sich der funktionelle und auch präventive Wert einer fixierten, gut keratinisierten und gesunden periimplantären Mukosa (Abb. 3) [5, 6]. Aus prothetischer Sicht ist für den bukkalen Korridor ein ausreichend tiefes Vestibulum bedeutsam [7].
Physiologisch schneiden
Inserierende Bänder und Muskeln können durch Zug auf das Weichgebe Rezessionen fördern. Sie werden daher nach Möglichkeit durchtrennt oder abpräpariert, zum Beispiel in Verbindung mit einem apikalen Verschiebelappen. Um die Blutversorgung weitgehend zu erhalten, sollte die vorgegebene Physiologie durch die Schnittführung so wenig wie möglich verändert werden. Experten empfehlen daher, nicht schräg, parakrestal oder bogenförmig zu schneiden [3].
Andere Fachleute sind interessanterweise der Meinung, dass genau ein solches Vorgehen vorteilhafter ist [8].
Weiterhin sollte bei augmentativen Maßnahmen die Anatomie des Alveolarfortsatzes im Wesentlichen erhalten bleiben [8]. Obwohl Eingriffe am besten wenig invasiv erfolgen, müssen Nerven im Operationsbereich einsehbar und der Situs für Instrumente und Schablonen zugänglich sein. Schließlich sollte die Wunde nicht direkt über einem Implantat oder Augmentat, sondern über intaktem Knochen verschlossen werden [8]. Weichgewebe um transmukös einheilende Implantatbauteile werden nach dem Eingriff dicht verschlossen.
Wundheilung und Nahttechniken
Werden für apikale Verschiebelappen Transplantate verwendet, sind neben Muskeln und Bändern auch Drüsen und Fettgewebe aus dem Empfängerbett zu entfernen [7]. Um ein Blutkoagulum zu vermeiden und eine ungestörte Einheilung zu gewährleisten, wird das Transplantat oder Ersatzmaterial möglichst unbeweglich und dicht an der Unterlage fixiert. Um Wundheilungsstörungen infolge unzureichender Ernährung zu vermeiden, werden Lappen spannungsfrei adaptiert und vernäht [9]. Dafür eignen sich je nach Situation und Wundgröße Einzelknopfnähte im Abstand von 3 bis 5 mm oder Matratzennähte [10].
Die Frage, ob in der oralen Chirurgie Mukoperiost- oder Spaltlappen besser geeignet sind, wird seit Langem diskutiert. Beide Methoden können einen Verlust von Alveolarknochen nicht vollständig verhindern, wobei Spaltlappen, zumindest auf der Basis von Tierversuchen, schonender sind [11]. Ob adultes Periost die Wundheilung zum Beispiel bei augmentativen Maßnahmen oder nach Extraktionen fördert, ist aber umstritten [12, 13]. Lappenlose Implantationen sind für Patienten tendenziell komfortabler, verhindern aber nicht den marginalen Knochenabbau [14].
Augmentationstechniken und Indikationen
Grundsätzlich kann zwischen Techniken für zahnlose Kiefer oder größere zahnlose Abschnitte und kleineren Maßnahmen für einzelne oder wenige benachbarte Implantate unterschieden werden. Eine Sonderstellung hat aus ästhetischen Gründen der Frontzahnbereich. Zu den häufigsten Methoden zählen:
• apikaler Verschiebelappen zur Verbreiterung der vestibulären befestigten Mukosa (mit oder ohne Deckung) oder
• freies Bindegewebstransplantat (alternativ mit Ersatzmaterialien) zur Verdickung des krestalen oder bukkalen Weichgewebes
• gestielter Lappen zur Deckung von Implantaten, Alveolen oder Knochenaugmentaten
• Rolllappen zur vestibulären Verdickung bei Freilegung einzelner Implantate
Transplantate sind je nach Technik notwendig, um Wunden zu bedecken oder Gewebe zu verdicken. Gestielte Lappen sind chirurgisch anspruchsvoll, und ein zweiter Operationssitus zur Transplantatentnahme lässt sich häufig durch Ersatzmaterialien vermeiden [7]. Eine Rolle spielt auch die durch die Transplantation erreichbare Farbe, die bei Gaumentransplantaten infolge der Keratinisierung relativ hell ist und im ästhetischen Bereich stören kann [3].
Befestigtes Gewebe verbreitern – Grundsätze
Um den Situs für begrenzte Implantationen und Augmentationen vorzubereiten, ist sowohl bei Ganzkiefer- als auch bei kleineren Versorgungen eine ausreichend breite befestigte Mukosa bedeutsam. Aktuelle Literaturübersichten sprechen dafür, dass dadurch die Mundhygiene erleichtert wird [5, 6]. Auch könnte ein dadurch erleichterter dichter weichgewebiger Abschluss dafür sorgen, dass Mukositis und in der Folge Periimplantitis vermieden werden.
Der seit Langem dokumentierte apikale Verschiebelappen wird als Spaltlappen bis über die Mukogingivalgrenze (genauer: Übergang bewegliche und keratinisierte Mukosa) mobilisiert, nach apikal verlagert und hoch im Vestibulum am Periost vernäht [8, 10]. Im freigelegten Bereich entsteht eine neue angewachsene und keratinisierte Alveolarmukosa. Biologisch ist dies dadurch begründet, dass das Bindewebe unter keratinisierten Kieferabschnitten die Bildung neuer keratinisierter Mukosa induziert [15].
Gewebe verdicken – Grundsätze
Die zweite Grundtechnik, mit der das periimplantäre Weichgewebe verbessert werden kann, ist eine gezielte Verdickung mithilfe von Transplantaten. Auch dieses Prinzip ist seit Jahrzehnten dokumentiert und führt zu signifikantem Gewinn an Gewebedicke [16]. Studien zeigen zum Beispiel, dass bei dünnem Gewebetyp nach krestaler Mukosaverdickung mit allogenem Kollagenmaterial weniger Knochen abgebaut wird als ohne Verdickung [17]. Auch die Ästhetik der implantatprothetischen Versorgung kann ein wesentlicher Grund für verdickende Maßnahmen sein (Abb. 4 und 5).
Das Weichgewebe wird konventionell in der Regel mit freien Bindegewebstransplantaten, kombinierten Bindegewebs-Epithel-Transplantaten oder speziellen gestielten Lappen verdickt [18]. Seit einigen Jahren stehen alternativ xenogene Kollagenprodukte oder allogenes azelluläres Hautgewebe (ADM) zur Verfügung [19]. Das Empfängerbett sollte nur mit Periost bedeckt sein [7]. Weitere Details zu Lappentechniken und Transplantatoptionen folgen in Teil 2 dieses Beitrags.
Dr. Jan H. Koch, Freising
Hinweis: Dieser Beitrag kann nicht die klinische Einschätzung des Lesers ersetzen. Er soll lediglich – auf der Basis aktueller Literatur oder von Expertenempfehlungen – die eigenverantwortliche Entscheidungsfindung unterstützen.
Literatur
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