In einem Gespräch mit Consuela Codrin äußert sich Professor Georg Conrads, Leiter des Lehr- und Forschungsgebiets Orale Mikrobiologie und Immunologie an der RWTH Aachen, der in dieser Funktion mit der Klinik für Zahnerhaltung (Professor Hendrik Meyer-Lückel) zusammenarbeitet, zur Praxis der antibiotischen Parodontitisbehandlung in Deutschland.
Professor Conrads, was hat sich in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren bei der antibiotischen Parodontitisbehandlung verändert?
Prof. Georg Conrads: Es gibt erfreuliche Trends – das zeigt unsere aktuelle Umfrage (Falkenstein S et al. Clin Oral Investig. Online publiziert 2016/01/23). Zahnmediziner stellen die Indikation strenger als früher und häufiger nach verfügbaren Empfehlungen. Ebenfalls häufiger lassen sie vor einer Verschreibung eine mikrobiologische Analyse durchführen. Und es werden mehr als bisher lokal wirkende Präparate eingesetzt, zum Beispiel antibiotische Pasten oder Chlorhexidin-Chips.
In Ihrer Studie fanden Sie heraus, dass als systemisches Antibiotikum nach wie vor zu häufig Clindamycin verschrieben wird. Warum ist das besorgniserregend?
Conrads: Clindamycin ist weiterhin an der Spitze der zahnärztlichen Statistik zu unerwünschten Arzneimittelnebenwirkungen. Zu nennen sind vor allem gastrointestinale Komplikationen, zu denen die gefürchtete pseudomembranöse Enterokolitis zählt. Als Reserveantibiotikum sollte es nur bei Penizillinallergie zum Einsatz kommen. Einen hohen Anteil von Fehlverschreibungen ergab unsere Umfrage aber zum Beispiel auch bei der Parodontitis ulcerosa.
An welchen Schrauben muss gedreht werden, damit nur bei wirklichem Bedarf und in diesem Fall die richtigen Antibiotika verschrieben werden?
Conrads: Vorhandene Empfehlungen sollten dringend aktualisiert und hochwertige, konsensbasierte Leitlinien erarbeitet werden. Fortbildungen und Umfragen können helfen, Fehlverhalten zu erkennen und zu reduzieren. Auch eine intensivere Zusammenarbeit mit diagnostischen Laboratorien kann dafür sorgen, dass zielgerichteter therapiert wird.