Die aktuelle Fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS V) belegt, dass Karies bei Jugendlichen im Rückgang ist: Acht von zehn der 12-Jährigen (81 Prozent) sind heute kariesfrei. Die Zahl der kariesfreien Gebisse hat sich damit in den Jahren 1997 bis 2014 praktisch verdoppelt [1]. Dieses positive Ergebnis ist unter anderem auf die regelmäßigen zahnmedizinischen Kontrolluntersuchungen und Fissurenversiegelungen zurückzuführen. Trotzdem ist Karies ein Thema, das die Jugendlichen betrifft.
Allerdings haben diese in der Pubertät oft für alles andere Antennen als für ihre Zahnpflege. Während sie eigentlich unabhängig sein und für sich selbst und ihren Körper Verantwortung übernehmen wollen, vergessen sie in diesem Kontext gerne ihre Zähne. Dabei kennen sich in diesem Alter nicht nur die Mädchen gut in den diversen Drogeriemärkten aus. Den Regalen mit Zahnpflegeprodukten und Mundpflegemittel, wird in der Regel aber keine (große) Beachtung geschenkt, obwohl es jetzt doch so nötig wäre: Fastfood, Chips, Softdrinks, süße Zwischenmahlzeiten, vielleicht auch Alkohol und Zigaretten – von vielen Jugendlichen wird viel getestet, was Zähnen bei schlechter Mund- und Zahnhygiene entsprechend schadet. Zusätzlich erschweren Brackets und Drähte die Reinigung, und Eltern dürfen oder wollen die Zahnpflege weniger oder gar nicht mehr kontrollieren [2].
Kurz – Jugendliche sind eine ideale, aber mitunter nur schwer anzusprechende Zielgruppe für Prophylaxe. Wie könnte sie zielführend gestaltet sein?
Wir kennen es von den verschiedenen Patientengruppen – Prophylaxeempfehlungen beispielsweise für schwangere oder ältere Patienten unterscheiden sich. Es macht Sinn, Prophylaxe mit an das Alter angepassten Tipps und Tricks zu gestalten. Diese müssen auf die Bedürfnisse und die „besondere“ Ansprache bei Jugendlichen ausgerichtet sein, weil sie diese Patientengruppe sonst vielleicht gar nicht erreichen. Dazu bietet es sich an, junge Patienten für Prophylaxe im Praxisalltag in drei Altersgruppen zu unterteilen: Gruppe 1 für 3- bis 6-jährige Kinder, Gruppe 2 für 6- bis 12-jährige Schüler und Gruppe 3 für 12- bis 16-jährige Jugendliche.
Während man die Kleineren noch mit dem bekannten aufgetürmten Berg aus echten Zuckerstücken beeindruckt, überzeugt Jugendliche (und ihre Eltern) eine Zuckerliste, in der beispielhaft Nahrungsmittel mit ihrem Zuckergehalt notiert sind und die entsprechende Zuckermenge ebenfalls in Beziehung zu Würfelzuckerstückchen gesetzt wird (Tabelle 1). Teenies kann man sagen, dass nicht alles gut ist, was sie ihren Zähnen zumuten – und gleichzeitig, dass nicht alles gänzlich verboten ist. Vielmehr sollte man ihnen nahelegen, was sie selbst und die Zahnarztpraxis für ihre Prophylaxe tun können.
Jugendliche lassen sich bereits über eine (zahn-)gesunde Ernährung aufklären. Natürlich ist dabei einerseits eine Ansprache ohne zu viele Fachwörter hilfreich, andererseits muss man sie aber auch ernst nehmen und kann ihnen zumuten, etwas über den Nährboden von Plaquebakterien zu erfahren, ohne sie mit Fachinformationen zuzuschütten. Der Zahnarzt hat dabei andere Zugangsmöglichkeiten als das Elternhaus. Ich erinnere mich, wie oft man sagen musste, dass nach dem Heimkommen aus Bus und Bahn die Hände gewaschen werden. Und siehe da, kaum wurde im Biologieunterricht das Thema „Viren und Bakterien“ besprochen und allerlei Abstriche unter dem Mikroskop betrachtet, da ermahnten die Großen die jüngeren Geschwister – und das Thema „Handhygiene“ wurde nie wieder diskutiert.
Verbote und „der erhobene Zeigefinger“ sind bekannterweise ein No-Go. Man kann den Jugendlichen erklären, dass man selber auch gerne auf die Geschmacksqualität süß setzt, aber dabei auf die Häufigkeit des Verzehrs achtet; oder süße beziehungsweise säurehaltige Getränke oder Speisen im Idealfall nur im Umfeld der Hauptmahlzeiten zu sich nimmt – nach der Devise: lieber einmal richtig zuschlagen und anschließend die Zähne putzen. Auch das Argument „Da esse ich aber in der Mensa“ muss man nicht stehen lassen. Klar ist es uncool, auf der Schultoilette die Zähne zu putzen. Das Kauen von Kaugummi ist bei Teenies aber nach wie vor beliebt. Deshalb kann man vor dem Nachmittagsunterricht die zuckerfreie Variante empfehlen und erläutern, dass so der Speichelfluss angeregt und schädliche Säuren schneller neutralisiert werden.
Ein Vertrauensverhältnis erleichtert die Ansprache. Teenager sind zuweilen sehr kritisch, Erwachsene wirken in ihren Augen oft peinlich; also muss man ihnen zeigen, dass man sie versteht, ohne dabei unglaubwürdig zu wirken. Es können Kleinigkeiten sein, mit denen man als Zahnarzt jungen Patienten begegnet, beispielsweise mit altersgerechten Zeitschriften im Wartezimmer, der Möglichkeit, das Handy aufzuladen oder der Erlaubnis, bei der PZR mit Kopfhörern Musik zu hören [2]. Auch in diesem Alter hört man gerne Lob.
Prinzipiell ist es schwierig, Jugendlichen den Zusammenhang zwischen ihrem heutigen Verhalten und ihrer Mundgesundheit in der Zukunft zu vermitteln – Jugendliche leben im Jetzt [3]. Sie interessiert es daher normalerweise nicht, dass sich Prophylaxe später auszahlt. Trotzdem ist das Bewusstsein für die Bedeutung regelmäßiger und gründlicher Zahnpflege schon jetzt für ihre künftige Zahngesundheit entscheidend.
Wie setzt man hier an? Im Teeniealter wird das andere Geschlecht interessant. An diesem Punkt kann die Praxis die jungen Patienten (eventuell in Abwesenheit ihrer Eltern) gut erreichen. Wer mit einer gestylten Haarfrisur hübsch daherkommt, der möchte durch Beläge, entzündetes Zahnfleisch und Mundgeruch sicherlich beim anderen Geschlecht nicht auffallen. Mit schönen Zähnen lässt sich besser flirten – diese Botschaft erreicht die Zielgruppe [2].
Zahn- und Mundhygiene erläutern
Neben der Beratung zur zahngesunden Ernährung spielt auch die Beratung zur Mundhygiene eine wichtige Rolle. Diese beinhaltet nicht nur das regelmäßige Zähneputzen mit der richtigen Bürste und fluoridhaltiger Zahnpasta, sondern auch die Erläuterung der richtigen Putztechnik und die Pflege der Zahnzwischenräume. Hier ist das Spektrum der angebotenen Hilfsmittel groß: Zahnseide, Interdentalbürsten, Mundspülungen und Mundspüllösungen ohne Alkohol etc. Wie bei allen Patienten ist an dieser Stelle altersunabhängig die individuelle Mund- und Gebisssituation ausschlaggebend für die Empfehlungen.
In der Jugendprophylaxe wirkt auch noch das Anfärben der Zähne mit Färbetabletten und die Demonstration im Spiegel. Dabei ist gerade die Anwendung eines Zweifarben-Systems, das ältere Beläge von neuer Plaque unterscheidet, besonders wertvoll. Für Praxen ohnehin selbstverständlich beinhaltet die Jugendprophylaxe die halbjährlichen Kontrolltermine beim Zahnarzt, das Fluoridieren der Zähne und die Fissurenversiegelung, falls noch nicht erfolgt oder zur Erneuerung anstehend (Tabelle 2). Prinzipiell eignet sich hier eine Checkliste als Arbeitshilfe, die in die Karteikarte oder digitale Patientenkarte integriert werden kann. So werden Routineaufgaben schnell, präzise und vollständig ausgeführt [4].
Das Vorleben einer gesunden Lebensweise und Zahnpflege durch die Eltern ist auch im Jugendalter noch ein Motivator. Deshalb lohnt es sich, die Eltern mit ins Boot zu nehmen. Diese sind oft dankbar für Tipps, wie sie ihre Kinder motivieren können. Das betrifft insbesondere die Eltern von kieferorthopädisch versorgten Patienten. Während Träger von Brackets natürlich in der KfO-Praxis über die Bedeutung der Zahnhygiene in ihrer besonderen Situation hingewiesen werden und Zahnzwischenraumbürstchen etc. im Idealfall ausführlich erläutert und die Anwendung geübt wird, klafft zwischen Anspruch und Wirklichkeit des Putzverhaltens oft eine enorme Lücke.
In diesen Fällen hilft vielleicht eine Zahnputz-App auf dem Smartphone, die zum gründlicheren Zähneputzen motiviert, oder gar eine Zahnbürste mit App-Anbindung. Nützlich ist auch, dass Eltern den Jugendlichen einmal die Kosten für die kieferorthopädische Behandlung zeigen, die sie nicht von der Kasse erstattet bekommen. Sie verstehen (auch wenn diese Erkenntnis leider nicht immer bis zum Ende der Behandlung anhält), dass es sich nicht lohnt, für eine Behandlung viel Geld auszugeben, damit die Zähne geradestehen, dafür aber dann kariös sind.
In jedem Fall gehören Sensibilität und Ideenreichtum in die Zahnarztpraxis [2], um die Patientengruppe der Jugendlichen effektiv in die zahnärztliche und häusliche Prophylaxe zu integrieren.
Dr. Ulrike Oßwald-Dame, München
Wie kann man Jugendliche motivieren? |
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Literatur
[1] Fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS V) – Kurzfassung. IDZ (Hrsg.) 2016. Deutscher Zahnärzte Verlag Köln.
[2] Initiative ProDente. Prophylaxe/Kinder & Jugendliche. Abruf am 09.08.2017 unter www.prodente.de/prophylaxe/kinder-jugendliche.html
[3] Künkel A: Die Psychologie der zahnärztlichen Gruppenprophylaxe. Schlütersche GmbH & Co. KG 2003, 32 ff.
[4] Pietsch A: 30 Bausteine für Ihren Praxiserfolg. Bopfingen WM-Colleg (o.J.), 97 ff.