Ein 25-jähriger Patient stürzte im Oktober letzten Jahres auf dem Nachhauseweg von der Arbeit mit dem Fahrrad. Dabei prallte er mit dem Kinn so hart auf, dass er sich eine dreifache Unterkieferfraktur zuzog, konkret eine diakapituläre Kiefergelenkfraktur links, eine hohe Kiefergelenkfortsatzfraktur rechts und eine mediane Unterkieferkörperfraktur. Über die Behandlung der Frakturen mittels eines neuen Werkstoffs auf Magnesiumbasis informiert die Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie des Uniklinikums Dresden in einem Anwenderbericht.
Die Unterkieferkörperfraktur und Kiefergelenkfortsatzfraktur rechts wurden mit Platten und Schrauben aus Titan versorgt, wie es MKG-chirurgischer Standard ist. Nur wenige MKG-chirurgische Kliniken in Deutschland sind auch darauf spezialisiert, Kiefergelenkköpfchenfrakturen (diakapituläre Frakturen) operativ anzugehen. In der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie des Uniklinikums Dresden ist dies laut eigenen Angaben schon lange Tradition.
Neu ist hier jedoch, dafür resorbierbares Osteosynthesematerial zu benutzen, mit dem bei dem jungen Patienten auch die Kiefergelenkköpfchenfraktur operiert wurde, und zwar mit dem weltweit ersten biotransformierbaren Metallwerkstoff auf Magnesiumbasis, so die MKG-Klinik des Uniklinikums Dresden.
Neuartige Fraktur-OP mit speziellem selbstauflösendem Material aus Magnesium
Der Zugang zum Kiefergelenkköpfchen erfolgte über einen Schnitt am Ohr – ähnlich wie bei einem Facelift. Das innere Fragment des Kiefergelenkköpfchens wurde von der Kaumuskulatur (M. pterygoideus lateralis) nach vorne gezogen und musste zuerst mobilisiert werden, um dann zu dem Kiefergelenkfortsatz mit dem restlichen Kieferköpfchen hin reponiert zu werden. Anschließend wurde das Fragment zunächst mit einem Kirschnerdraht fixiert, über den es dann mit einer speziellen kanülierten Headless-Bone-Screw aus Magnesium (Magnezix) an den seitlichen Pol des Unterkiefergelenkkopfs geschraubt wurde. Damit gelang es, die Höhe des Unterkieferastes exakt wiederherzustellen und so einer Verkürzung dieser Unterkieferseite vorzubeugen.
Nach der OP
Nach einer vorübergehenden Ruhigstellung für zwei Tage erwies sich die Verzahnung als regelrecht, und eine Mundabweichung bei der Öffnung war nicht zu sehen. Im Kontrollröntgen (DVT) war eine regelrechte Frakturstellung zu sehen.
Bei regelmäßiger Übung und Normalisierung der Kost zeigte sich in den ambulanten Nachkontrollen nach drei Monaten eine weitgehend normale Mundöffnung von 4 Zentimeter, und auch die Seitbewegung des Unterkiefers nach rechts und links war regelrecht mit 6 beziehungsweise 7 Millimeter.
Selbstauflösende Schrauben und Platten aus Magnesium
Bei Magnezix handelt es sich nach Angaben der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie des Uniklinikums Dresden um den weltweit ersten biotransformierbaren Metallwerkstoff auf Magnesiumbasis. Er zeichne sich durch beste biomechanische Eigenschaften aus: Die Elastizität ähnele der des Knochens, während die Stabilität eher den Metallen entspräche. Diese Magnesium-Implantate werden so gestaltet wie Schrauben und Platten aus Titan.
Die osteokonduktive Fähigkeit stimuliere das Knochenwachstum, damit schließlich neues Knochengewebe das Magnesium-Implantat ersetzt. Eine Materialentfernung, wie sie bei Titanschrauben häufig noch erfolgt, werde somit überflüssig, da das Material resorbierbar sei. Aktuell wird es ausschließlich in der MKG-Klinik am Dresdner Universitätsklinikum zur Stabilisierung von Kiefergelenkköpfchen eingesetzt.
Polymere als Alternative für nicht lasttragende Osteosynthesen
Eine schon länger bestehende Alternative zu Magnesium-Implantaten ist die Verwendung von Osteosynthese-Material aus Polymeren wie Polylactid oder Polymilchsäuren. Eine Besonderheit hierbei ist, dass dieses Material mittels Ultraschall-Applikation (SonicWeld Rx) erwärmt und verformt werden kann. Pins aus diesem Werkstoff (Resorb-x) können so in vorgebohrte Löcher im Knochen eingeschmolzen werden und Frakturen miteinander verbinden. Auch können mit diesem Verfahren Platten und Meshs an die knöchernen Gegebenheiten angepasst und mittels Pins in vorgebohrte Löcher fixiert werden.
Durch die Ultraschalltechnologie verflüssigen sich die Pins an der Oberfläche, verbinden sich mit den Platten bzw. Meshs und fließen in die knöchernen Hohlräume ein. Hierdurch können nicht lasttragende Osteosynthesen im craniomaxillofazialen (MKG-)Bereich erreicht werden, welche ebenfalls keine Materialentfernung benötigen, da sich das Material über den Zeitraum von 1 bis 2 Jahren von selbst abbaut.