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„Diese Kampagne ist ­irreführend auf allen Ebenen“

Das Medizin- und Wissenschaftsbündnis Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) kritisiert die aktuelle Kampagne „lieber mündig“ der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) gegen eine Beschränkung der Lebensmittelwerbung als „irreführend auf allen Ebenen“. Die Ernährungsindustrie bediene sich eins zu eins der Strategien der Tabaklobby, so das Bündnis, dem 22 medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaften und Gesundheitsverbände angehören.

Der Lobbyverband BVE hat kürzlich eine Kampagne gegen die Pläne des Bundesernährungsministeriums für mehr Kinderschutz in der Lebensmittelwerbung gestartet. In ganzseitigen Anzeigen in „Welt“ und „Bild“ warnte die BVE vor „Cem-Özdemirs-Verbotskatalog“. Auf der Kampagnen-Website heißt es: „Für diese Lebensmittel dürfte nicht mehr geworben werden“. Dar­unter sind unter anderem Maultaschen, Backwaren, Ananas aus der Dose, Gnocchi oder Früchtemüsli abgebildet und rot durchkreuzt. Zudem zweifelt die BVE die wissenschaftliche Evidenz für die Einführung von Werbeschranken an. Ein neuer DANK-Faktencheck zeigt, dass viele Aussagen der BVE einer Überprüfung nicht standhalten.

Lobbykampagne gegen Werbeeinschränkungen

„Mit ihrer Kampagne versucht die Ernährungsindustrie das Problem zu verharmlosen, Zweifel an den Gegenmaßnahmen zu säen und Verantwortung auf andere abzulenken“, sagt Barbara Bitzer, Sprecherin von DANK und Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG). „Der Großteil der Werbeausgaben im Ernährungsbereich entfällt nicht auf Gnocchi, Dosenananas oder Maultaschen, sondern auf Süßwaren, Snacks oder Limonade. Das trägt nachweislich zum ungesunden Ernährungsverhalten der Kinder bei – auch wenn die Ernährungsindustrie es leugnet“, so Bitzer.

„Die Kampagne ist irreführend auf allen Ebenen, wie unser Faktencheck zeigt“, ergänzt Oliver Huizinga, politischer Geschäftsführer der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG). „Viele Argumente der Industrie sind längst widerlegt, von einem kategorischen Werbeverbot für die dargestellten Produkte kann keine Rede sein. Die Kampagne hält einer fachlichen Überprüfung nicht stand. Minister Özdemir sollte sich von dem unqualifizierten Getöse des Lobbyverbands nicht beirren lassen“, so Huizinga.

Kinderschutz vor Werbung für ungesunde Ernährung

Bundesernährungsminister Cem Özdemir hatte Ende Februar seine Pläne für mehr Kinderschutz in der Lebensmittelwerbung vorgestellt. Auf Grundlage der Nährwertkriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) soll in Medien und Formaten, die Kinder unter 14 Jahren erreichen, eine Beschränkung der Lebensmittelwerbung erfolgen. Zahlreiche Krankenkassen, Verbraucherschutzorganisationen, Elternverbände, Kinderrechtsorganisationen sowie medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaften unterstützen das Vorhaben. Verbände der Lebensmittel- und Werbeindustrie laufen Sturm gegen die Pläne.

WHO-Nährwertmodell 2023 überarbeitet

Das WHO-Nährwertmodell wurde 2015 veröffentlicht und 2023 überarbeitet. Es soll Staaten dabei unterstützen, Regeln für Kinderschutz in der Lebensmittelwerbung zu schaffen. Lidl Deutschland, Aldi Süd sowie mehrere Staaten (Portugal, Türkei, Slowenien) machen das Modell bereits zur Grundlage für freiwillige oder verbindliche Beschränkungen der Werbung für Lebensmittel, weitere Staaten wie Spanien planen es.

Das WHO-Modell teilt Lebensmittel in 18 Gruppen ein und definiert kategorienspezifische Grenzwerte beispielsweise für Zucker, Fett, Salz oder Süßstoffe, um die Produkte mit einer hohen Nährwertqualität zu identifizieren. Für diese soll weiterhin uneingeschränkt geworben werden dürfen – auch im Kinderprogramm.

Weitere Informationen zur Kampagne der BVE lieber mündig, den DANK-Faktencheck als PDF sowie das WHO-Nährwertmodell "second edition" (2023)

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