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Natürliche Genpolymorphismen bestimmen die Effektivität der Immunabwehr

Parodontitis ist eine multifaktorielle Erkrankung, welche durch eine gestörte Homöostase zwischen einem destabilisierten Mikrobiom und der lokalen und systemischen Abwehr gekennzeichnet ist. Genese und Verlauf der Entzündung werden durch zahlreiche exo- und endogene Faktoren getriggert. Ausmaß und Effektivität der Immunreaktion auf potenziell pathogene Bakterien werden nicht zuletzt auch durch genetische Faktoren bestimmt. 

Bestimmte Genotypen können variable Interaktionen zwischen Wirt und oralem Mikrobiom bewirken. Die Fähigkeit, mikrobielle Antigene ohne erhebliche Kollateralschäden am Wirtsgewebe erfolgreich abzuwehren, erfordert ein perfektes Zusammenspiel aller Komponenten des Immunsystems. 

HLA-Klassen reagieren unterschiedlich auf mikrobielle Reize

Neben genetischen Defekten im Rahmen diverser Syndrome können auch kleine Mutationen und natürliche Polymorphismen in Komponenten der Abwehr zu aggressiven Verläufen parodontaler Erkrankungen führen. Eine wichtige Rolle spielt dabei der sogenannte Haupthistokompatibilitätskomplex (MHC) mit dem „Human Leukocyte Antigen System“ (HLA). Dabei handelt es sich um eine Kombination vererbter Haplotypen, welche die Reaktionsfähigkeit der betroffenen Wirtsgewebe und damit die Disposition zu diversen Erkrankungen mitbestimmt. Klasse-I-Gene codieren für die Unterscheidung zwischen „fremd“ und „eigen“ und somit für die Selbsttoleranz des Abwehrsystems. Die Moleküle der HLA Klasse II werden spezialisiert auf Immunzellen, nämlich Makrophagen, Monozyten und interdigitierenden Zellen exprimiert und dienen der Antigenpräsentation an die T-Helferzellen der Lymphozyten.
Untersuchungen haben gezeigt, dass Erkrankungen, wie die Early-Onset Periodontitis (EOP) und die aggressive (vormals juvenile) Parodontitis mit Polymorphismen spezifischer HLA-Loci einhergehen. Diese Genotypen zeigen einen akzelerierten T-Zell-Respons auf bestimmte parodontal-pathogene Bakterien wie Porphyromonas gingivalis und Aggregatibacter actinomycetemcomitans. Es kommt zu einer hyperimmunen Reaktion mit raschem Abbau von Weichgewerben und Alveolarknochen. 

Die Betroffen zeigen nicht nur erhöhte Anfälligkeit für die rasch destruierenden Verlaufsformen der Par­odontitis, sondern parallel dazu auch eine Disposition zu rheumatoider Arthritis. Dies erklärt auch das häufige kombinierte Auftreten und die meist gleichzeitigen akuten Entzündungsschübe bei beiden Krankheitsbildern. Aber auch das Risiko für aggressiv verlaufende chronische Erwachsenen­parodontitis zeigt Assoziationen zu bestimmten HLA-Typen. Abschnitte auf DNA beziehungsweise RNA, welche Informationen für die Expression von Zytokinen und die Aktivität der Zellen der Immunabwehr enthalten, haben erheblichen Einfluss auf die Mundgesundheit. Dies betrifft vor allem Gene, die für Signal- und Botenstoffe wie Interleukine (IL), Tumor­nekrosefaktoren (TNF) und für bestimmte Enzyme und deren Rezeptoren kodieren. In Zusammenhang mit Parodontitis gibt es zahlreiche Langzeitstudien zu Variationen des IL-1 Genotyps. Polymorphismen des IL-1α-Gens (an Position –888) und des IL-1β-Gens (an Position +3953) induzieren eine Überproduktion dieser Zyto-­
kine und damit eine inadäquate, überschießende Immunreaktion bereits auf geringfügige bakterielle Noxen. 

Die Synthese von Prostaglandin E2-Kollagenasen steigt und es kommt zu einer Überaktivierung von Osteoklasten. Die Folge ist eine Zerstörung der parodontalen Hartgewebe durch massive alveoläre Knochenresorption. Zudem haben die betroffenen Patienten nur niedrige Serum-Antikörper­titer gegen eine Reihe parodontal­pathogener Keime, besonders gegen 
P. gingivalis. Aber auch andere genetische Varianten von Interleukin-Genen, beispielsweise am IL-RN-Gen, dem IL-2, dem IL- 4 und dem IL-17 Gen, begünstigen die Progression oraler Inflammationen.

Die Virulenzfaktoren aggressiver Mikroorganismen stimulieren das Gingivaepithel zu einer erhöhten Produktion von Sulkusflüssigkeit und von antimikrobiellen Proteinen (AMPs). Zu letzteren gehören die humanen β-Defensine (HBDs), welche die Immunantwort gegen Bakterien, Viren und Pilze kontrollieren. Polymorphismen in AMP-Genen erhöhen daher ebenfalls das Risiko aggressiver Parodontalerkrankungen.

Geringfügige genetisch bedingte Variationen in der Struktur von Enzymen wie Lactoferrin verändern die Bindungsfähigkeit für Eisen und damit seine Wirksamkeit gegen die pigmentierten Anaerobier im Sulkus. COX-2-(Cyklooxigenase-)Polymorphismen verändern die Synthese von Prostaglandin E2 aus Arachidonsäure und fördern so die Progression einer chronischen Parodontitis. Auch Polymorphismen in Genen für defensive Matrix-Metalloproteinasen, Vitamin D-Rezeptoren oder der „toll-like receptors“ an Makrophagen und dendri­tischen Zellen des angeborenen Immunsystems haben Auswirkungen auf den Verlauf von Entzündungen des Zahnhalteapparats. 

Hinzu kommen Umweltfaktoren, welche ihrerseits die Eigenschaften von Zellen und ihrer Erbinformation beeinflussen. Zu diesen als Epigenetik bezeichneten Mechanismen gehören die Methylierung der DNA und die Modifikation regulierender Proteine wie den Histonen. Auf diesem Weg wird die Expression und Transkription von Parodontitis-assoziierten Genen moduliert und das Entzündungsgeschehen vorangetrieben. 

Die Vielfalt der oft nur geringfügigen Variationen im genetischen Programm der Immunabwehr erklärt nicht nur individuell variablen Verlaufsformen oraler und parodontaler Entzündungen, sondern auch die unterschiedlichen Anforderungen an Prophylaxe und Therapie. 

DDr. Christa Eder, Wien

(wird fortgesetzt)

DDr. Christa Eder

ist Fachärztin für Pathologie und Mikrobiologin. Seit vielen Jahren schreibt sie für das österreichische Fachmagazin „Zahn.Medizin.Technik“ und die deutsche Fachzeitung „dzw – Die ZahnarztWoche“. Auch ist sie als Vortragende im Bereich der zahnärztlichen Mikrobiologie international bekannt.

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7 Jahre 10 Monate

Titelbild: Elena − stock.adobe.com