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Implantatprothetische Versorgung eines oberen lateralen Inzisivus bei Aplasie

Abb. 1 und 2: Klinische und röntgenologische Situation mit Schaltlücke in regio 22, distal ausgeprägter Weichgewebsrezession und bukkal vertikaler Atrophie

Abb. 1 und 2: Klinische und röntgenologische Situation mit Schaltlücke in regio 22, distal ausgeprägter Weichgewebsrezession und bukkal vertikaler Atrophie

In der Therapie eines nicht angelegten oberen lateralen Incisivus stellt der Wunsch des Patienten nach einem harmonischen Verlauf der Girlanden und regenerierten Papillen einen Behandler in aller Regel – nicht zuletzt aufgrund eines oro-vestibulär unterdimensionierten Knochenvolumens – vor eine große ästhetische Herausforderung.

Mit einer implantatprothetischen Versorgung lässt sich ein langfristig stabiles Hartgewebe und damit ein zielführendes Weichgewebemanagement realisieren [1, 4–7]. Nach abgeschlossenem skelettalen und kraniofazialen Wachstum hat sich die implantatprothetische Versorgung eines nicht angelegten Schneidezahns als Alternative zu kieferorthopädischen Maßnahmen oder herkömmlichem Zahnersatz etabliert. Gesunde Nachbarzähne müssen nicht beschliffen werden, und fortschreitende Knochenatrophie und damit eine Rezession des Weichgewebes lassen sich durch das Einbringen eines durch sein Makro- und Mikrodesign geeigneten Implantats vermeiden. Das wiederum ist Voraussetzung für einen langfristigen Erhalt des periimplantären Knochenniveaus mit ausreichender Knochenlamelle zwischen Implantat und Zahn und damit für die Regeneration der Papillen.

Therapieplanung

Die klinische und röntgenologische Inspektion bei dem 20-jährigen Patienten zeigte intakte Nachbarzähne ohne pathologische Sondierungstiefen, in regio 22 bukkal eine vertikale Atrophie und distal eine ausgeprägte Weichgewebsrezession. Das Volumen des bukkalen Knochendefekts machte eine zweizeitige Implantation mit gedeckter Einheilung nach paralleler Augmentation mit Knochenersatzmaterial notwendig. Als Implantat war das – in der Pre-Launch-Phase ausschließlich verfügbare – Camlog-Progressive-Line (Camlog, Wimsheim) mit 0,4 Millimeter maschiniertem Implantathals vorgesehen. Das Emergenzprofil sollte mit einem Langzeitprovisorium ausgeformt werden. Für die definitive Versorgung war eine anatomisch modellierte Hybridkrone geplant (Abb. 1 und 2).

Implantation

Entscheidend für die langfristige Stabilität des Hart- und Weichgewebes und damit für den ästhetischen Erfolg einer Implantation ist eine möglichst optimale dreidimensionale Positionierung des Implantats. Damit das Ziel langfristig stabiler Weichgewebestrukturen erreicht wird, braucht es ein ebenso langfristig stabiles Hartgewebe. In mesio-distaler Ausrichtung bleibt bei einem Mindestabstand zu den Nachbarzähnen von 1,5 mm ausreichend Knochenvolumen für die Etablierung der biologischen Breite und damit der Ausformung von Interdentalpapillen erhalten [3, 8]. Um eine Rezession der bukkalen Gingiva oder ein transmukosales Durchschimmern des Titanimplantats zu vermeiden, sollte die Insertion in der Komfortzone leicht palatinal ausgerichtet erfolgen [2]. Eine labial ästhetisch störende Narbenbildung wiederum kann vermieden werden, indem die Inzision krestal mit einem grazilen Entlastungsschnitt im Sulkus der Nachbarzähne erfolgt.

Im vorliegenden Fall erlaubte die mesio-distale und oro-vestibuläre Ausdehnung der Schaltlücke die Insertion eines 3,8 mm Progressive-Line-Implantats von 9 mm Länge. Das Implantat wurde leicht palatinal und knochenbündig inseriert, wofür es aufgrund des kurzen, maschinierten Halsanteils, der Tube-in-Tube-Innenverbindung und des optional möglichen Platform switching (PS) geeignet ist. Durch sein knochenkondensierendes Gewinde und den konisch zulaufenden Apex konnte bereits initial eine hohe Stabilität im Oberkieferknochen erreicht werden.

Nach dem Eindrehen einer Abdeckschraube wurden die bukkal freiliegenden Gewindegänge mit Knochenersatzmaterial (MinerOss-X-Collagen, BioHorizons, Wimsheim), vermischt mit Eigenblut, bedeckt und die Wunde über der Abdeckschraube speicheldicht vernäht. Da das Periost intakt war, konnte auf das Abdecken mit einer Membran verzichtet werden. Während der Heilungsphase erhielt der Patient seine ursprüngliche kieferorthopädische Prothetik als Interimsversorgung (Abb. 3–8).

Prothetik

Drei Monate nach Insertion zeigte sich eine reizfrei und ohne Vernarbung abgeheilte periimplantäre Mukosa. Mit einer kleinen horizontalen Inzision wurde das Implantat atraumatisch freigelegt. Die prothetische Versorgung der Progressive-Line-Implantate erfolgte mit Camlog-Prothetikkomponenten. Nach dem Entfernen der Abdeckschraube wurde für eine erste Weichgewebs­konditionierung ein Gingivaformer PS, bottleneck (Camlog, Winsheim) eingeschraubt. Sein koronal konisch zulaufender Querschnitt unterstützt eine Volumenvermehrung des Weichgewebes während der Abheilung. Vier Wochen später konnte für das geplante Lang­zeitprovisorium geschlossen abgeformt wer­den, über das die stabile Ausformung des Weichgewebes mit Regeneration der Girlande und der interdentalen Papillen erfolgte.

Das Langzeitprovisorium aus Komposit (Nexco SR, Ivoclar, Ellwangen) wurde auf dem provisorischen Abutment aus dem Camlog-Prothetiksortiment angefertigt. Es wurde im Verlauf der dreimonatigen Tragedauer approximal einmal nachkonditioniert, um die koronale Verdrängung der periimplantären Mukosa und damit die Ausbildung papillen­ähnlicher Weichgewebsstrukturen zu optimieren. Als nach drei Monaten das Weichgewebe hinreichend stabilisiert war, wurde eine geschlossene Komplettabformung für das Meistermodell und die definitive Krone vorgenommen (Abb. 9-12).

Die Krone wurde als Hybridkrone anatomisch modelliert, aus Lithium-Disilikat (IPS e-max, Ivoclar Vivadent) gepresst, reduziert, geschichtet, mit der für das Platform switching geeigneten Camlog-Titanbasis CAD/CAM verklebt und mit dem Implantat verschraubt. Die Rotationssicherung der Tube-in-Tube-Imp­lantat-Abutment-­verbindung erfolgt hierbei über drei Nocken. Der Schraubkanal wurde mit farblich abgestimmtem Komposit verschlossen.

Schlussbetrachtung

Der implantologisch tätige Zahnarzt braucht für die Handhabung des neuen Camlog-Progressive-Line-Implantats keine speziellen oder zusätzlichen Kenntnisse. Aufgrund seines Makro- und Mikrodesigns – konische, sich apikal verjüngende Form, ausladendes und knochenkondensierendes Gewinde und gestrahlte und säuregeätzte Promote-Plus-Oberfläche – unterliegt das Implantat so gut wie keiner Indikationseinschränkung und verspricht – bei sachgerechter Anwendung – für das einzeitige Verfahren der Sofortimplantation ebenso wie für ein zweizeitiges Vorgehen mit knochenaufbauenden Maßnahmen langfristig stabile Gewebestrukturen. Da die Progressive-Line-Implantate über die gleiche Innengeometrie verfügen wie die anderen Camlog-Implantate, können sämtliche Camlog-Prothetikkomponenten verwendet werden.

Seit Einführung des Camlog-Progressive-Line-Implantats verwendet der Autor im hochästhetischen Frontbereich bevorzugt diese neue Implantatlinie, da sie dem Behandler mehr Spielraum bezüglich der fallspezifischen Einbringtiefe einräumt. 

Dr. Martin Gollner, Bayreuth

Abb. 19

Dr. Martin Gollner, Bayreuth

Literatur

[1]    de Avila ÉD, de Molon RS, de Assis Mollo F Jr, de Barros LA, Capelozza Filho L, de Almeida Cardoso M,
    Cirelli JA. Multidisciplinary approach for the aesthetic treatment of maxillary lateral incisors agenesis:
    thinking about implants? Oral Surg Oral Med Oral Pathol Oral Radiol. 2012 Nov;114(5):22-28

[2]    Gomez-Roman G. Flap methods and implant positioning. Surgical recommendations for the single tooth
    gap ZZI 2003;(4):222–226

[3]    Grunder U, Gracis S, Capelli M. Influence of the 3-D bone-to-implant relationship on esthetics.
    Int J Periodontics Restorative Dent 2005;(25):113–119

[4]     Millar BJ, Taylor NG: Lateral thinking: the management of missing upper lateral incisors.
    Br Dent J 1995, 179(3):99-106

[5]     Oliveira DD, de Oliveira BF, da Mata Cid Pinto LS, Figueiredo DS, Pithon MM, Seraidarian PI. Interdisciplinary
    treatment of a class III patient with congenitally absent maxillary lateral incisors. J Esthet Restor Dent.
    2013 Aug;25(4):242-53

[6]    Richardson G, Russell KA: Congenitally missing maxillary lateral incisors and orthodontic treatment considerations
    for the single-tooth implant. J Can Dent Assoc 2001,67(1):25-28

[7]    Sabri R. Management of missing maxillary lateral incisors. J Am Dent Assoc 1999, 130(1):80-84

[8]    Tarnow DP, Cho SC, Wallace SS. The effect of inter-implant distance on the height of inter-implant bone crest.
    J Periodontol 2000;(71):546-549