Wie ticken die neuen digitalen Eliten? Kommunikationswissenschaftler Rudi Klausnitzer hat neun Parameter ausgemacht, die ihr Denken bestimmen. Zum Auftakt des 8. PEERS-Jahrestreffens in Berlin, das den Teilnehmern unter dem Motto "Innovation oder Irrweg" wieder Denkanstöße zu aktuellen Fragestellungen der Implantologie bot, stellte er sie vor.
Katrin Ahmerkamp
Ein Abend für die Kommunikation – das war der Einstieg ins 8. PEERS-Jahrestreffen, PEERS steht für Platform for Exchange of Education, Research and Science und ist ein von Dentsply Sirona Implants unterstütztes internationales Expertennetzwerk.
Darum, so PEERS-Präsident Prof. Dr. Dr. Stefan Haßfeld in seiner Begrüßung, sei Kommunikation das Thema des Gastvortrags. Den hielt Kommunikationstheoretiker Rudi Klausnitzer, der 2013 das Buch „Das Ende des Zufalls – Wie Big Data uns und unser Leben vorhersagbar macht“ veröffentlichte und derzeit am Thema „Exzellenz in digitalen Zeiten“ arbeitet. Diese stand entsprechend im Fokus seines Vortrags in Berlin, in dem er einen Blick in eine Zukunft warf, die von denjenigen bestimmt wird, die die „Culture Codes“ der digitalen Existenz verstehen und anwenden: „Digitale Exzellenz – Sieben Parameter des Denkens der neuen Eliten“, so sein Thema. Im Blick hatte Klausnitzer dabei besonders die großen Player, die „Pay-Pal-Mafia“.
Als ersten Parameter definierte Klausnitzer das „10x Thinking“, die Fähigkeit zum exponentiellen Denken. Die Protagonisten des neuen Denkens sähen das, was die Menschheit für ein unlösbares Problem halte, „und das gehen sie an. Sie wollen nicht bessere Pferde, sondern das Automobil“. Bei diesen Menschen sei die Selbstwirksamkeitserwartung sehr ausgeprägt, sie hätten einen starken Glauben an eigene Ziele und Kompetenz. Das Credo dieser Menschen sei „just do it, rough and dirty ist besser als nie getan“.
Der zweite Faktor ist für Klausnitzer das Prinzip „only the best“, die Power des richtigen Teams. Die Qualität des Teams bestimme die Attraktivität des Arbeitsplatzes, so Klausnitzer. Die Aufgaben der Personaler seien künftig Talent-Scouting und Coaching, statt Personalverwaltung. Dabei sei das Team keine Familie, lebenslange Unternehmenskarrieren werde es nicht mehr geben. Die reine Performance zähle, nicht die harte Arbeit.
„Customer first“ ist der dritte Parameter, die absolute Kundenorientierung als Fundament des Erfolgs. UBER, Airbnb, Amazon sind für Klausnitzer dafür die Paradebeispiele. Angebote nicht für die Kunden entwickeln, sondern mit ihnen. Die Richtung geben „Needseekers, Market Readers und Technology-Drivers“ vor.
Viertes Kriterium ist die „Datability“, die Fähigkeit, die Macht der Daten zu nutzen. Die Dimension von Big Data verdeutlicht Klausnitzer mit Zahlen: Das weltweit generierte Datenvolumen habe 2016 bei 16,1 Zettabyte gelegen, für 2025 seien 163 Zettabyte prognostiziert. Netzwerken, Plattformen und Artificial Intelligence (künstliche Intelligenz) – „digitale Leader verstehen und nutzen diese Dinge“, so Klausnitzer und nennt Beispiele: Internet der Dinge, predicitive analytics, crowdsourcing, Gamifizierung oder Visualisierung und Simulation. „Digital Technologie first“ – so wie Apple, Google oder Amazon, die sich derzeit stark auf das Thema Gesundheit fokussierten, so Klausnitzer.
Digitale Transformation ist permanente Veränderung – und „create change“ der fünfte Parameter, den der Kommunikationstheoretiker sieht. Man werde sich an eine neue Risikokultur und eine schnellere Veränderungsgeschwindigkeit gewöhnen müssen, sein Beispiel: der schnelle Erfolg der Digitalkameras.
Stichwort Geschwindigkeit: „Speed matters“ ist Klausnitzers sechstes Kriterium. „Geschwindigkeit bestimmt den Markt, nicht der Große frisst den Kleinen, sondern der Schnelle frisst den Langsamen“. Als „Speed-Faktoren“ benennt er Klarheit, Einigkeit und Agilität.
„Simple, Frugal & Focused“ – die Eigenschaften Einfachheit, Bescheidenheit und Fokussierung sind der letzte Baustein des neuen Denkens. „Einfachheit gewinnt, so einfach ist das“.
Ein Absage erteilt Klausnitzer abschließend denjenigen, die Digital und Analog als Gegensätze begreifen. „Online und Offline sind integrale Bestandteile unserer realen Welt. Das Thema ist nicht Mensch gegen Maschine, sondern Mensch mit Maschine“.
Beim Abendbuffet im Anschluss an den Vortrag ging es in anregender Gesprächsatmosphäre jedenfalls erst einmal von Mensch zu Mensch weiter – ein Abend für die Kommunikation.
Am Folgetag boten spannende Vorträge im von PEERS-Präsident Prof. Dr. Dr. Stefan Haßfeld (Direktor der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Klinikum Dortmund und Universität Witten/Herdecke), und Vizepräsident Dr. Dietmar Weng (Gastdozent Klinik für zahnärztliche Prothetik, Universität Kiel und Privatpraxis Starnberg) moderierten Innovationsforum Denkanstöße für die tägliche Praxis, die im Anschluss in kleinen Gruppen mit den Referenten diskutiert wurden. Bei der Podiumsdiskussion am Nachmittag ging es um wissenschaftliche Bewertungen und praktische Erfahrungen bei der Augmentation mit autologem und allogenem Knochenaufbaumaterial.
Die Jahrestagung endete am Abend mit der feierlichen Verleihung der PEERS-Förderpreise. Junge Wissenschaftler und Zahnärzte an Kliniken und in niedergelassenen Praxen waren aufgerufen gewesen, sich mit Arbeiten zu aktuellen Themen der Implantologie um einen der Förderpreise zu bewerben.