So lauteten einige Fragen der Agenda des „1. Juristischen Kolloquiums privatzahnärztliches Gebührenrecht“, das im vergangenen Jahr in Frankfurt a.M. auf Initiative des Bundesverbands der implantologisch tätigen Zahnärzte in Europa e.V. (BDIZ EDI), der Privat-Zahnärztlichen Vereinigung Deutschlands e.V. (PZVD) und der Deutschen Gesellschaft für Ästhetische Zahnmedizin e.V. (DGÄZ) als neues Format ins Leben gerufen wurde.
Fast auf den Tag genau ein Jahr später konnten die am 16. September 2016 erneut der Einladung der drei Verbände gefolgten mehr als 20 ausgewiesenen Experten des privatzahnärztlichen Gebührenrechts aus dem gesamten Bundesgebiet hier nahtlos und am identischen Tagungsort im Conference Center „The Squaire“ des Frankfurter Flughafens an ihre Diskussion des Vorjahres anknüpfen.
Auch dieses Mal saßen nicht nur Fachjuristen und Zahnärzte am Tisch, sondern auch Vertreter des Zahntechnikerhandwerks und mehrerer Abrechnungsunternehmen. Mit der Moderation der Veranstaltung war in bewährter Weise Peter Knüpper (Rechtsanwalt und Hauptgeschäftsführer der Bayerischen Landeszahnärztekammer) betraut.
Stand der GOÄ-Novelle: Startpunkt der Tagesordnung und zentrales Thema war natürlich die aktuelle Entwicklung bei der Reform der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Der Vorschlag für die Novellierung soll nach erbittert geführtem innerärztlichem Streit seitens der Bundesärztekammer (BÄK) überarbeitet werden und wird nach jetzigem Stand im Frühjahr 2017 erneut vorgelegt werden. Mit einer Umsetzung durch den Verordnungsgeber wird frühestens in der nächsten Legislaturperiode – also nach der Bundestagswahl 2017 – gerechnet.
Beim ersten Kolloquium vor einem Jahr war noch nicht bekannt, welcher gebührenrechtliche Sprengstoff im Allgemeinen Teil des Entwurfs zur GOÄ-Novelle als „Verhandlungsergebnis“ zwischen BÄK einerseits und PKV-Verband sowie Beihilfe auf der Gegenseite bereits konsentiert war. Erst nach einer massiven Intervention des Präsidiums der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) beim BÄK-Präsidenten, Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery, waren im Oktober 2015 Details in die Öffentlichkeit gelangt.
Vernichtendes Urteil über GOÄ
In ihrer Analyse bereiteten die Teilnehmer des Frankfurter Kolloquiums die wesentlichen Punkte, die aus zahnärztlicher Sicht zur vernichtenden Kritik am Paragrafenteil der neuen GOÄ führen, auf. Hierzu zählen unter anderem:
- „robuster“ Einfachsatz mit kaum überwindbaren Hürden hinsichtlich individueller Steigerungsmöglichkeiten
- Installation einer mit Entscheidungskompetenzen ausgestatteten „Gemeinsamen Kommission (GeKo)“, (Positiv- und Negativliste, Weiterentwicklung der Gebührenordnung)
- massive Beschränkungen bei der Möglichkeit zum Abschluss abweichender Vereinbarungen nach Paragraf 2 GOÄ.
Nach eingehender und umfangreicher Diskussion dieser geplanten Veränderungen im Paragrafenteil, die bereits Bestandteil der von BÄK und PKV unterzeichneten „Rahmenvereinbarung zur Novellierung der GOÄ“ sind, hatte der Justiziar des BDIZ EDI, Prof. Dr. Thomas Ratajczak, im Magazin „BDIZ EDI konkret“ bereits Anfang 2016 unmissverständlich das Fazit gezogen: „Diese GOÄ ist abzulehnen!“ Ratajczak erläuterte in Frankfurt noch einmal seine in diesem Papier dokumentierten tiefgreifenden Bedenken. Er ergänzte, dass eine solche GOÄ von der Rechtssystematik auch nicht mit der GOZ 2012 kompatibel sei.
Steigerungsatz 2,0-fach faktisch nur noch für Kliniken
Die im Reformentwurf vorgesehene einzige – und darüber hinaus auch noch eingeschränkte – Steigerungsmöglichkeit des Gebührensatzes vom 1,0-fachen (der nach Berechnungen der BÄK dem Faktor 2,4 der aktuellen GOÄ entsprechen soll) auf den 2,0-fachen Satz bleibe dann fast ausschließlich den Kliniken vorbehalten. Ein Praxisinhaber werde kaum den enormen administrativen Aufwand zur Durchsetzung seiner Begründungen bei der GeKo leisten können. Letztendlich laufe dies also im ambulanten Bereich auf eine Festgebührenordnung à la EBM hinaus.
„Paragraphenteil bleibt, wie er ist“
Die Teilnehmer des Expertenkolloquiums, darunter auch die Justiziare der BZÄK, René Krousky, sowie des Freien Verbands Deutscher Zahnärzte, Rechtsanwalt Michael Lennartz, stimmten seiner Bewertung uneingeschränkt zu. Zwischenzeitlich scheint festzustehen, dass die BÄK nicht mehr beabsichtigt, nachzubessern und Änderungen am Paragraphenteil vorzunehmen. Es geht nun ausschließlich noch um die Leistungsbeschreibungen und die Bepreisung der einzelnen Gebührenziffern.
Steilvorlage für die Einführung der „Bürgerversicherung“
Ebenso einig war das Gremium in der Beurteilung, dass eine derart konstruierte privatärztliche Gebührenordnung mit Einschränkung der Vertragsfreiheit je nach Couleur der Koalitionsparteien in der neuen Bundesregierung ab 2017 als Steilvorlage für die Einführung der „Bürgerversicherung“ gesehen werden müsse. Die Zahnärzteschaft sei daher gefordert, einerseits weiterhin Widerstand zu leisten und sich zu „emanzipieren“, andererseits aber auch im Gespräch mit der Privaten Krankenversicherung zu bleiben und noch wichtiger: eigene Optionen zu entwickeln.
GOÄ, GOZ und HOZ
Nach einhelliger Meinung der Expertenrunde zählt hierzu die Forderung an den Verordnungsgeber, die hochfrequenten zahnärztlichen Leistungspositionen der GOÄ (Beratungs- und Röntgenleistungen) – so auch ein Beschluss der BZÄK-Bundesversammlung von Ende Oktober 2015 – oder sogar sämtliche für Zahnärzte geöffneten GOÄ-Positionen im Rahmen einer Novelle in die GOZ zu integrieren.
EU-Pläne zur Abschaffung einzelner Gebührenordnungen
Hier und auch im Fall der in der EU diskutierten Abschaffung einzelner Gebührenordnungen freier Berufe sei es außerdem ratsam, sich rechtzeitig noch einmal mit dem Thema „Honorarordnung der Zahnärzte“ (HOZ) zu beschäftigen. Diese (zuletzt im Jahr 2009 adjustierte) autonome Honorarrichtlinie des Berufstands ist die einzige Gebührenordnung, in der die Zahnheilkunde aus fachwissenschaftlicher Sicht umfassend beschrieben und auf einer betriebs- sowie arbeitswissenschaftlich abgesicherten Datenbasis erstellt worden ist. Eine Fortschreibung und Weiterentwicklung werde daher ausdrücklich begrüßt.
Probleme mit Kostenerstattern
Im zweiten Teil der Konferenz setzte sich die Expertengruppe mit den zahlreichen Streitpunkten in Erstattungsfragen mit Privatversicherern und Beihilfe auseinander. Das einvernehmliche Urteil lautete: Bis auf wenige Ausnahmen gibt es seit dem letzten Meeting kaum Positives zu berichten.
Der in elektronischer Form vorliegende und bereits mehrfach ergänzte Kommentar der BZÄK zur GOZ 2012 wurde allgemein als sehr hilfreich beurteilt. Die vom „Beratungsforum für Gebührenordnungsfragen“ (bestehend aus Vertretern von BZÄK, PKV-Verband und Beihilfestellen von Bund und Ländern) einvernehmlich verabschiedeten Beschlüsse haben dagegen lediglich empfehlenden Charakter und werden von einzelnen Versicherungsunternehmen schlicht ignoriert.
Wege aus dem Erstattungsdilemma
An Fallbeispielen aus Praxis, Labor und aus der Rechtsprechung diskutierten die Teilnehmer des Kolloquiums verschiedene Strategien, um dem Erstattungsdilemma zu entkommen. Ein zentraler Punkt liegt hier im strukturierten Vorgehen in der Praxis mit transparenter Therapieplanung, entsprechender fachlicher und wirtschaftlicher Aufklärung des Patienten (lohnender Zeitaufwand der Beratung) und detaillierter Behandlungsdokumentation.
Als weitere häufige Streitpunkte mit kostenerstattenden Stellen wurden identifiziert und erörtert:
- Akzeptanz von Analogleistungen
- Material- und Laborkosten/„Sachkostenliste“ vs. BEB
- Bemessen und Begründen
- Honorarvereinbarungen nach Paragraf 2 GOZ
- GOZ 2197 bei schmelz-dentin-adhäsiven Restaurationen.
- Zum Abschluss der rund fünfstündigen Veranstaltung diskutierten die Experten noch über fachliche Anforderungen an privatzahnärztlich tätige Gutachter und Ansätze für eine weitergehende Qualifizierung von Gutachtern in einzelnen Landeszahnärztekammern.
Für die Initiatoren des 2. Juristischen Kolloquiums privatzahnärztliches Gebührenrecht sprach Dr. Wilfried Beckmann seinen Dank an alle Teilnehmer aus und sicherte zu, sich für eine Fortsetzung dieses neuentwickelten Formats einer Strategiedebatte zur GOZ im Jahr 2017 einzusetzen.
Dr. med. dent. Dirk Erdmann, Haan (Rheinland)