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Selbstständiger Oralchirurg gilt als Beschäftigter eines Implantologen

Was denn nun? Angestellter oder nicht? Das LSG Niedersachsen-Bremen musste sich mit einem Fall befassen, in dem es darum ging, ob ein Fachzahnarzt für Oralchirurgie als abhängig Beschäftigter oder Selbstständiger beruflich tätig war.

Was denn nun? Angestellter oder nicht? Das LSG Niedersachsen-Bremen musste sich mit einem Fall befassen, in dem es darum ging, ob ein Fachzahnarzt für Oralchirurgie als abhängig Beschäftigter oder Selbstständiger beruflich tätig war. 

Bei den Kooperationspartnern von implantologischen Praxen ist ein häufiger Streit anzutreffen, ob es sich um Angestellte handelt oder nicht. Dabei geht es neben der Nachzahlung von Sozialabgaben auch um das Strafbarkeitsrisiko nach Paragraf 266a Abs. 1 StGB.

Die Internet-Plattform Uber für Taxi-Dienste und eine implantologische Praxis haben zunächst nichts gemeinsam. Überschneidungen können sich bei den Geschäftsmodellen ergeben. Sowohl bei den Uber-Fahrern als auch den Kooperationspartnern von implantologischen Praxen ist ein häufiger Streit anzutreffen, ob es sich um Angestellte handelt oder nicht. Dabei geht es nicht nur um die Nachzahlung von Sozialabgaben, sondern auch um das Strafbarkeitsrisiko nach Paragraf 266a Abs. 1 StGB.

Kooperationsmodell mit Implantologie-Praxis

Das LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 17.5.2017 – L 2 R 427/15) musste sich mit einem solchen Fall befassen. Es ging darum, ob ein Fachzahnarzt für Oralchirurgie als abhängig Beschäftigter oder Selbstständiger beruflich tätig war.

Dieser hatte mit einer auf Oralchirurgie und Implantologie spezialisierten Zahnarztpraxis mit einer angeschlossenen Klinik, einem eigenen Labor und einer Fortbildungsakademie einen Kooperationsvertrag geschlossen. Der Vertrag sah vor, dass die Behandlung der Patienten unter der fachlichen Aufsicht des Praxisinhabers erfolgen sollte und dieser dem Kooperationspartner die Behandlungsräume, Arbeitsmittel, Instrumente und Materialien zur Verfügung stellt. Urlaubszeiten und Abwesenheitszeiten wurden genauso zwischen dem Praxisinhaber und dem Kooperationspartner miteinander abgestimmt wie die Wahrnehmung des zahnärztlichen Notdienstes.

Gegenüber dem Praxisinhaber bestand die Verpflichtung, regelmäßig an Fortbildungen teilzunehmen. Die Behandlungsverträge mit den Patienten und die Liquidation der zahnärztlichen Tätigkeit erfolgten durch den Praxisinhaber. 25 Prozent des erwirtschafteten Nettoumsatzes sollte der Kooperationspartner erhalten. Weitere Ansprüche standen ihm nicht zu.

Angesichts dieser gelebten Vertragsinhalte stufte ein Rentenversicherungsträger den Kooperationspartner als abhängig Beschäftigen und nicht selbstständig ein.

Der vom Praxisinhaber eingelegte Widerspruch und die Klage blieben erfolglos.

Keine Sonderbehandlung für zahnärztliche Tätigkeit

Das Obergericht bestätigte die Auffassung der Vorinstanz. Die von dem Oralchirurgen geschuldete Tätigkeit gründete auf einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis und war gerade nicht selbstständiger Natur.

Das LSG hob hervor, dass die Beurteilung zahnärztlicher Tätigkeit keinen Sonderstatus erhalten würde.

Umsatzteilung war kein ausreichendes Risiko

Zunächst wies die Kammer darauf hin, dass der Kooperationspartner kein rechtlich relevantes Unternehmerrisiko tragen würde. Zwar hätte der Kooperationsvertrag eine Vergütung in Höhe von 25 Prozent des erwirtschafteten Nettoumsatzes vorgesehen. Mit dieser Vergütungsregelung hätte der Kooperationspartner jedoch wie jeder andere Beschäftigte lediglich seinen Lohn durch eine zügige und effektive Arbeitsweise beeinflussen können.

Im Weiteren konnte die Kammer nicht einen relevanten Einsatz eigenen Kapitals des Kooperationspartners erkennen. Denn die Behandlungsräume, erforderlichen Arbeitsmittel, Instrumente und Materialien und das Hilfspersonal waren bereits in der Praxis vorhanden und wurden zur Verfügung gestellt.

Zahnarzthaftung und selbstständige therapeutische Entscheide keine Besonderheit

Sodann erteilte die II. Instanz dem Argument eine Absage, der Kooperationspartner müsse das Risiko tragen, bei Behandlungsfehlern persönlich in Anspruch genommen zu werden. Ein unternehmerisches Risiko vermochte man darin nicht zu sehen, weil dieses Haftungsrisiko jeden abhängig beschäftigten Zahnarzt treffen könnte.

Außerdem gab es keine Handlungsspielräume für den in der fremden Zahnarztpraxis tätigen Fachzahnarzt für Oralchirurgie. Dass selbstständige therapeutische Entscheidungen getroffen würden, würde bei qualifizierten angestellten Zahnärzten nicht anders liegen. Gerade die vertragliche Festlegung, im Handbuch der Klinik festgelegte Qualitätskriterien zu beachten und ausschließlich nach diesen Vorgaben zu arbeiten, sprach für eine abhängige Beschäftigung.

Sodann hoben die Richter die Einbindung des Kooperationspartners in die Praxisabläufe hervor. Der Kooperationsvertrag sah nämlich eine Behandlung der Patienten unter der fachlichen Aufsicht des Praxisinhabers vor. Unterordnen musste sich der Kooperationspartner auch den Öffnungszeiten und den Urlaubs- und Anwesenheitszeiten des Praxisinhabers.

Schlussendlich konnte der Praxisinhaber nicht mit dem Argument durchdringen, der Kooperationspartner trage das Risiko bei krankheitsbedingten Ausfällen kein Honorar zu erhalten. Diesem Einwand hielten die Richter das Fehlen einer größeren Unabhängigkeit oder höherer Verdienstchancen entgegen.

Strafrechtliches Risiko

Die zuvor wiedergegebene Entscheidung reiht sich in eine Reihe von ähnlichen Urteilen ein. Eine ähnliche Entscheidung gab es im Jahr 2016 vom LSG Baden-Württemberg. Dieses Urteil wurde von der Rechtsliteratur als eine der wichtigsten Entscheidungen 2016 für Berufsausübungsgemeinschaften angesehen. Auch dort ging es um die Frage der Abgrenzung zwischen Gesellschafter-Status und Scheinselbstständigkeit. Die vielfach nicht gesehene immense Bedeutung ergibt sich aus dem möglichen strafrechtlichen Einschlag.

Unterstellt man einmal Vorsatz in Bezug auf die Arbeitnehmereigenschaft, kommt hier zwangsläufig das Risiko einer Strafbarkeit nach § 266a StGB wegen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt auf. Daneben besteht ein steuerstrafrechtliches Risiko.

Update des Vertrags

Weil eben nicht bloß der ursprüngliche Vertrag, sondern genauso mündlich abgesprochene oder gelebte Vertragsänderungen die Einstufung als Selbstständiger oder abhängig Beschäftigter beeinflussen können und ein erhebliches Strafbarkeitsrisiko besteht, ist häufig nicht nur eine juristische Überprüfung während der Vertragsbegründung eines Kooperations- oder Gesellschaftsvertrages angezeigt. Vielmehr kann aufgrund eingetretener Veränderungen eine anwaltliche Prüfung und Aktualisierung bereits bestehender vertraglichen Vereinbarungen erforderlich werden.