Mit Wirkung zum 1. Juli 2008 ist Paragraf 119b SGB V im Rahmen des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes in Kraft getreten. Hierdurch wurde stationären Pflegeeinrichtungen die Möglichkeit gegeben, Kooperationsverträge mit dafür geeigneten niedergelassenen Zahnärzten und Ärzten zu schließen. Kann die Pflegeeinrichtung einen solchen Kooperationszahnarzt nicht finden, ist die Kassenzahnärztliche Vereinigung zur Sicherstellung einer ausreichenden zahnärztlichen Versorgung durch die Vermittlung derartiger Kooperationen verpflichtet.
Paragraf 119b SGB V zielt darauf ab, die oftmals unzureichend beschriebene ambulante ärztliche Betreuung von Pflegebedürftigen in Pflegeheimen zu verbessern, Schnittstellenprobleme abzubauen und gleichzeitig der gesetzlichen Krankenversicherung unnötige Transport- und Krankenhauskosten zu ersparen, indem der Zahnarzt den Pflegebedürftigen dort behandelt, wo sich dieser befindet.
Der Weg: Mehr Honorar für Kooperationszahnärzte
Um dieses Ziel zu erreichen und die sich aus Paragraf 119b SGB V ergebende rechtliche Möglichkeit, eine Verbesserung der zahnärztlichen Versorgung der Bewohner einer stationären Pflegeeinrichtung auch in der Praxis zu einer relevanten Option werden zu lassen, besserte der Gesetzgeber 2014 nach. Ab dem 1. April 2014 eröffnete sich für Vertragszahnärzte, die mit einer stationären Pflegeeinrichtung einen Kooperationsvertrag im Sinne von Paragraf 119b Absatz 1 SGB V abgeschlossen hatten, die Möglichkeit, für im Rahmen eines solchen Vertrags erbrachte Leistungen die zusätzlichen BEMA-Gebührennummern 172a - 172d abzurechnen.
Voraussetzung für die Abrechnung gemäß Paragraf 87 Absatz 2j Satz 2 SGB V ist allerdings, dass der Kooperationsvertrag die in der auf Bundesebene zwischen Kassenzahnärztlicher Bundesvereinigung (KZBV) und GKV-Spitzenverband getroffenen Rahmenvereinbarung nach Paragraf 119b Absatz 2 SGB V festgelegten Anforderungen einhält. Das heißt ein Kooperationsvertrag zwischen Pflegeeinrichtung und Vertragszahnarzt muss die in der Rahmenvereinbarung genannten Regelungen enthalten, damit die BEMA-Gebühren überhaupt abrechenbar sind. Wesentlich – natürlich nicht nur für die Abrechnungsmöglichkeit – ist das Verbot einer unlauteren Beeinflussung durch Zuwendungen.
Trotz der Tatsache, dass entsprechende Vorgaben beziehungsweise Verbote bereits aus anderen rechtlichen Quellen folgen, muss eine explizite Untersagung im Vertrag aufgenommen werden, um eine Abrechnung der Leistung zu ermöglichen. Weitere zu regelnde Punkte gemäß der „Rahmenvereinbarung kooperative und koordinierte zahnärztliche und pflegerische Versorgung von stationär Pflegebedürftigen“ sind letztlich die Art und Weise sowie Häufigkeit der Zahnarzt-Patienten-Kontakte und welche Qualitäts- und Versorgungsziele es zu erreichen gilt.
Die Realität: Zu wenige Kooperationen
Laut KZBV hatten Ende 2016 3.218 Zahnärzte einen Kooperationsvertrag mit einer stationären Pflegeeinrichtung abgeschlossen. „Bei derzeit 13.596 Pflegeheimen in Deutschland ergibt das bereits eine Abdeckung von etwa 24 Prozent“, verdeutlichte KZBV-Vorstandsvorsitzender Dr. Wolfgang Eßer. Gründe dafür, dass die Abdeckung trotz des bekannten Bedarfs nicht höher ausfällt, liegen auf der Hand. Auf Seiten der Pflegeheime wird zunächst auf offensichtliche Verletzungen und Gesundheitseinschränkungen geachtet. So bestehen im Rahmen der Qualitätsvorgaben strenge Vorgaben, wie Dekubitus oder Sturzverletzung zu entdecken, zu versorgen und zu dokumentieren sind. Ob der Bewohner auf die eigene Mundhygiene achtet beziehungsweise ob dieser überhaupt in der Lage ist, für eine ausreichende Mundhygiene zu sorgen, ist demgegenüber oftmals nachrangig.
Aber auch auf Seiten der Zahnärzteschaft wird in Bezug auf die Zusammenarbeit mit Pflegeheimen gezögert. Gerade die eingeschränkten technischen Behandlungsmöglichkeiten sowie der erhöhte organisatorische Aufwand spielen eine Rolle für das geringe Engagement unter den Zahnärzten.
Die Zukunft: Kooperationszwang?
Am 1. August 2018 wurde der Gesetzesentwurf zur Stärkung des Pflegepersonals (Pflegepersonal-Stärkungsgesetz) beschlossen. Das Sofortprogramm Alten- und Krankenpflege soll voraussichtlich zum 1. Januar 2019 in Kraft treten. Neben dem in der Presse ausführlich behandelten Aspekt der zusätzlichen Finanzierung von 13.000 Pflegekräften, führt der Entwurf auch zu Änderungen des Paragrafen 119b SGB V.
Um die Entwicklung der Kooperationen zu beschleunigen, will der Gesetzgeber die Verpflichtung der Pflegeeinrichtungen, Kooperationsverträge mit geeigneten vertragszahnärztlichen Leistungserbringern zu schließen, verbindlich formulieren. Die bisherige „Soll-Regelung“ wird durch eine „Muss-Regelung“ ersetzt.
Zudem werden die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen bei Vorliegen eines Antrags einer Pflegeeinrichtung zur Vermittlung eines Kooperationsvertrags verpflichtet, einen entsprechenden Vertrag innerhalb einer Frist von drei Monaten zu vermitteln. Die Evaluation dieser Kooperationsverträge ist künftig für den zahnärztlichen Bereich verpflichtend.
Fazit
Ob die gesetzliche Verpflichtung zum Abschluss von Kooperationsverträgen zwischen Trägern von Pflegeheimen und Vertragszahnärzten das Allheilmittel für eine insgesamt verbesserte Versorgung der Pflegebedürftigen ist, darf zu Recht bezweifelt werden. Nichtsdestotrotz kann die Zusammenarbeit zwischen Zahnarzt und Pflegeheim ein sinnvolles Projekt sein, sofern dieses unter Berücksichtigung des zu erwartenden Aufwands sowie des wirtschaftlichen Nutzens in das eigene Praxiskonzept passt und rechtlich sicher umgesetzt ist.