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Wie man Konflikte auf die sanfte Art löst

Heinz Pilartz

Mediator Heinz Pilartz war bereits für einige Zahnarztpraxen tätig.

Dr. Heinz Pilartz ist Mediator: Er übersetzt Emotionen, damit Menschen sich verstehen, Fronten aufbrechen und wieder miteinander ins Gespräch kommen. Denn nur so finden sich Lösungen.

"Menschen in Stress-, Krisen- oder Konfliktsituationen sind für die Emotionen der Gegenseite meist nicht mehr empfänglich", sagt Pilartz. „Ich als neutrale Instanz gebe, was ich von der einen Seite empfange, an die andere weiter, um die Kommunikation wieder herzustellen.“ Pilartz arbeitet seit vielen Jahren als Mediator in Alfter bei Bonn, sein Schwerpunkt: das Gesundheitswesen, ein Feld, das er bestens kennt. Denn der sympathische 63-Jährige war etwa 30 Jahre als Allgemeinmediziner tätig.

"Dabei habe ich oft die familiären Konflikte meiner Patienten mitbekommen, ich war der klassische Familienmediziner, eben auch Seelenarzt.“ Der Schritt in die Mediation schien irgendwann nur konsequent. Zum einen, weil sich Pilartz immer mehr für die Belastungen und Konflikte in einem Familiengefüge oder am Arbeitsplatz interessierte, als Arzt ihm aber wenig Zeit dafür blieb. "Soziale Gesundheit ist das Stichwort, das geht tiefer, als nur ein paar beruhigende Worte zu sprechen."

Zum anderen ließen sich Pilartz und seine Frau zu Mediatoren ausbilden, um auch beruflich Schnittpunkte zu finden. "Meine Frau ist Richterin, auch da geht es um Konflikte und deren Lösungen", so Pilartz. "Doch vor Gericht wird eine Entscheidung zwischen zwei Parteien getroffen. Die Mediation hilft den Beteiligten dagegen, eigene Lösungen zu finden; wie die Lösung konkret aussieht, damit hat der Mediator nichts zu tun."

Einige Persönlichkeitsmerkmale nicht kompatibel

Zunächst hat Pilartz vor allem zwischen Privatpersonen beziehungsweise innerhalb von Familien mediiert. Mittlerweile war und ist er auch für zahlreiche Praxen, darunter auch Zahnarztpraxen, als Mediator tätig. Eine besondere Herausforderung, denn in der Medizin arbeiten Menschen mit ganz besonderen Persönlichkeitsprofilen, sagt er. "

Das ist jetzt ein wenig schwarz-weiß gemalt, aber Menschen im Gesundheitswesen müssen in gewisser Weise Retter oder Menschenfreunde sein, sind eher harmoniesüchtig und damit eher konfliktscheu." Ein anderes Merkmal sei die Gewissenhaftigkeit. Gewissenhafte Menschen halten, so Pilartz,  an getroffenen Entscheidungen fest, auch das mache konfliktscheu.

Werte und Überzeugungen spielen eine Rolle

Der Arzt sei in der Regel sehr selbstbewusst, gehe seinen Lebensweg, schaue nach vorne. "Dabei dreht er sich oft nicht um, sieht nicht, wer hinter ihm steht, etwa die Helferin, seine Mitarbeiter“, sagt Pilartz. In vielen Praxen würden Konflikte tabuisiert oder gar nicht wahrgenommen. "Der Chef sieht es nicht, und die Mitarbeiter wollen nicht drüber reden, der Konflikt mutiert zu einem energiefressenden Krebsgeschwür, das immer größer wird." Persönlichkeitsmerkmale seien eigentlich ein Randgebiet der Mediation, doch Pilartz arbeitet viel damit. Denn es gebe Merkmale, die nicht miteinander kompatibel sind und zu Konflikten führen, für die aber keiner etwas kann.

Eine weitere Besonderheit von Menschen in Gesundheitsberufen: Sie halten laut dem Mediator stark an Werten und Überzeugungen fest. Ein Beispiel in der Zahnarztpraxis: Die eine Dentalhygienikerin arbeitet so, dass der Patient auch mal ordentlich blutet, die andere will genau das eher vermeiden. Beides ist weder richtig noch falsch. "Die Teams haben nicht gelernt, unterschiedliche Werte untereinander zu akzeptieren und einfach stehen zu lassen, sondern wollen sich in aufwendigen Diskussionen von der eigenen Wahrheit überzeugen, das kostet unglaublich viel Arbeitskraft“, so Pilartz. „Ich bin ein überzeugter Kooperationsmensch, es ist wichtig, sich gegenseitig zu akzeptieren, wie man ist. Das spart Energie.“

Niemand legt sich mit dem Chef an

Neben Konflikten mit den Kollegen gibt es auch Konflikte zwischen Chef und Angestellten. "Ich habe mit mehreren Zahnarztpraxen gearbeitet und erlebt, dass Probleme mit dem Chef in aller Regel im nachgeordneten Dienst abgearbeitet werden. Denn keiner legt sich mit dem Vorgesetzen an, sondern die Kämpfe werden in die nächste Ebene verlagert.“

Da werde argwöhnisch geschaut, wie der Chef mit der Kollegin umgehe. Es gehe um Gerechtigkeit, Anerkennung und Lob, da werde extrem aufmerksam beobachtet und neidisch verfolgt, wer wie viel davon bekommt. "Bin ich nur die erste Kraft des drittbesten Zahnarztes, bin ich der Verlierer. Ich habe das mal in einer Zahnarztpraxis erlebt. Da wurde die Helferin krank, weil sie nicht beim besten Zahnarzt am Stuhl stand, es gab keine Rotation in der Praxis, weil die erste Zahnärztin ihre Spitzenkraft nicht abgeben wollte.“

Missstimmung im Team äußere sich beispielsweise über eine steigende Zahl an Krankmeldungen, ständigen Mitarbeiterwechsel oder Fehler, die sich häufen. Krankheiten seien dabei meist psychosomatischer Natur, wie Rücken- oder Kopfschmerzen. Für den Praxisinhaber geht es dabei immer ums Finanzielle, erst darüber würde er auf Probleme im Team aufmerksam. "In vielen Kleinunternehmen gibt es viel schlechte Stimmung, die einfach durchgezogen wird.“ Das ist schade, so Pilartz, denn ein gutes Arbeitsklima ist ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal.

Konflikt mit dem Praxispartner ist existenziell

Noch schlimmer für Ärzte und Zahnärzte ist jedoch der Konflikt mit dem eigenen Praxispartner. "Das ist manchmal wirklich existenziell und gnadenlos“, so Pilartz. Die meisten Ärzte in Gemeinschaftspraxen sprechen, so seine Erfahrung, kaum miteinander. Dadurch bauen sich Winzigkeiten immer weiter auf.

"Irgendwann wird es immer schwieriger, Dinge anzusprechen. Wenn ich erst mal Wut im Bauch habe, kann ich nicht mehr vernünftig mit meinem Gegenüber reden." Die erste Anlaufstelle ist für viele dann der Rechtsanwalt. Doch meist lässt sich das ganz anders lösen, weil es oft nur um Kleinigkeiten gehe, zum Beispiel ein unterschiedliches Abrechnungsverhalten, ein anderes Arbeitstempo oder ein eigener Umgang mit den Mitarbeitern.

Mediation zwischen Praxisinhabern

Wie genau läuft eine Mediation ab? Geht es um eine Konfliktklärung zwischen Praxispartnern, meldet sich der Beteiligte bei dem Mediator. "Ich möchte dann nichts über die Hintergründe wissen, das ist auch gar nicht nötig, um zu mediieren.“ Pilartz lädt beide oder mehrere Beteiligte zu einem Gespräch ein, außerhalb der gewohnten Praxisumgebung, nicht zuletzt, damit das Team von dem Konflikt nichts mitbekommt. In der Regel schildert dann jeder seine Sicht der Dinge, in Anwesenheit des anderen. Dann wird Pilartz zum Übersetzer.

"Ich versuche dann aufzuschreiben, was ich bei jedem heraushöre, zum Beispiel das Bedürfnis nach mehr Freizeit, Unterstützung oder Sicherheit. Diese Punkte werden dann am Flipchart priorisiert und angesprochen.“ Die Parteien erarbeiten anschließend Vorschläge, wie es in Zukunft besser laufen kann. Normalerweise sind dafür drei bis vier Sitzungen, die etwa zwei Stunden dauern, erforderlich.

Mediation im Team

Beim Team läuft eine Mediation anders ab. "Denn die Mitarbeiter machen das ja in der Regel nicht freiwillig, so wie der Chef.“ Pilartz lässt sich vom Praxisinhaber daher zunächst erläutern, wo genau das Problem liegt. Dann hält er in der Praxis einen Vortrag zu einem bestimmten allgemeineren Thema, damit die Mitarbeiter ihn kennenlernen können. Im Anschluss an den Vortrag erhält die Belegschaft einen Fragebogen, der unter anderem Fragen enthält wie "Was müsste in der Praxis unbedingt besprochen werden?“.

Über ein Punktesystem gewichtet der Mitarbeiter jede Frage. Die Themen, die die meisten Punkte erhalten, werden dann genauer besprochen.  

"Ich gehe das wichtigste und zweitwichtigste Thema mit den Mitarbeitern durch, in kleineren Gruppen von bis zu sechs Mitarbeitern. Jeder bekommt eine rote und eine grüne Karte, darauf schreibt jeder, was am besten und was am schlechtesten klappt, so finden auch die ruhigeren Zeitgenossen Gehör.“ Alle lesen ihre Karten dann laut vor. Schließlich werden Lösungsvorschläge erarbeitet, die dann von allen Gruppen gemeinsam diskutiert werden.

Am Ende einigen sich alle auf eine Dienstvereinbarung, die schriftlich festgehalten wird. "Das kann zum Beispiel sein, dass man nicht übereinander tratscht.“ Jede Mediation ist immer wieder neu und passt Pilartz an die Bedürfnisse der Menschen an.

Kosten überschaubar

Und seine Arbeit ist auch durchaus bezahlbar. Denn zum einen könne der Zahnarzt die Mediationskosten steuerlich absetzen. Zum anderen  könnten diese aber auch als Fortbildungsveranstaltung in die Kosten überbracht werden. Eine Mediation lasse sich auch als gesundheitsfördernde Maßnahme über Gesundheits- und Präventionskosten einsetzen. Darüber bekomme der Praxisinhaber 50 Euro pro Mitarbeiter pro Monat.

"Und es gibt Fördergelder, das wissen viele nicht, die Höhe variiert allerdings in den einzelnen Bundesländern. Der Arbeitgeber könne beispielsweise einen Bildungsscheck beantragen. Über eine so genannte Potenzialberatung erhalte man zudem zehn Beratungstage a 500 Euro pro Tag gesponsert. Dafür müsse man jedoch zehn Mitarbeiter haben, da bekommt man zehn Beratungstage a 500 Euro pro Tag gesponsert. Diese Beratungstage müssen sich rund um das Thema Gesundheit drehen.

Schnell reagieren

Laut Pilartz lassen sich die meisten Konflikte aber auch ohne Hilfe lösen. "Wichtig ist, möglichst schnell zu reagieren“, Ärzte könnten ihre Praxiskollegen zum Beispiel einladen, nach der Arbeit etwas gemeinsam trinken zu gehen und dabei Probleme zu besprechen. Auch im Team seien regelmäßige Besprechungen sehr wichtig. „Dabei könnte man zum Beispiel die Kartenmethode anwenden.“ Gemeinsame Ausflüge seien da weniger hilfreich, da es dabei hauptsächlich darum gehe, Spaß zu haben.

Pilartz liegt die soziale Gesundheit sehr am Herzen. "Ich bin davon überzeugt, dass sich niemand so richtig darum kümmert.“ Daher hat er mit Gleichgesinnten den Verein "Initiative Mediation und Gesundheit“ gegründet, der unter anderem jedem Interessierten einen geeigneten Mediator in seiner Nähe vermittelt. Weitere Informationen gibt es online unter imug.eu und forum-m-pilartz.de.