Patienten mit schweren Infektionen, aber auch mit vergleichsweise „einfachen“ Harnwegsinfekten bekommen in Deutschland häufig Antibiotika aus der Gruppe der Fluorchinolone (wie Ciprofloxacin, Levofloaxin, Moxiflocacin, Norfloxacin, Enocacin) verschrieben. Diese Präparate können aber zu massiven Nebenwirkungen, unter anderem Entzündungen der Achillessehnen, führen.
Aus diesem Grund hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn jetzt ein europäisches Risikobewertungsverfahren für Antibiotika aus der Gruppe der Fluorchinolone und Chinolone angestoßen. Ziel ist eine umfassende Bewertung von schwerwiegenden Nebenwirkungen, die zu starken Einschränkungen und unter Umständen dauerhaften Beeinträchtigungen bei Patienten führen können.
Synthetische Antibiotika mit breitem Wirkspektrum
„Bei Arzneimitteln aus der Gruppe der Fluorchinolone handelt es sich um hochwirksame synthetische Antibiotika, die ein breites Wirkspektrum besitzen und insbesondere bei schwerwiegenden bakteriellen Infektionen zum Einsatz kommen. Schwerwiegende Nebenwirkungen dieser Arzneimittel (zum Beispiel Veränderungen an den Sehnen) sind seit langem bekannt und werden entsprechend in den Produktinformationen aufgeführt. Bereits in der Vergangenheit wurde die Sicherheit entsprechender Präparate auf europäischer Ebene bewertet und daraus resultierend deren Indikationen eingeschränkt“, heißt es in der Meldung des BfArM. Die Indikationseinschränkungen seien auch mittels Rote-Hand-Briefe an die möglichen Verordner kommuniziert worden. Zuletzt hatte die amerikanische Arzneimittelbehörde (FDA) 2016 über Nebenwirkungen im Zusammenhang mit der systemischen Anwendung von Fluorchinolonen berichtet, die zu starken Einschränkungen führen und unter Umständen dauerhafte Beeinträchtigungen verursachen können.
In Deutschland nicht mehr zugelassen
In dem jetzt angestoßenen Risikobewertungsverfahren werden wegen ihres gleichen Wirkmechanismus auch die Chinolone in den Blick genommen. Chinolonhaltige Antibiotika seien in Deutschland nicht mehr zugelassen, jedoch in anderen europäischen Ländern verfügbar. Auf europäischer Ebene werden alle Berichte über schwerwiegende Nebenwirkungen, die zu starken Einschränkungen und potenziell bleibenden Beeinträchtigungen führen können, neu bewertet. Weiterhin werde auch die aktuelle wissenschaftliche Literatur ausgewertet. So solle überprüft werden, ob weitere Maßnahmen zur Risikominimierung erforderlich sind.
Nutzen-Risiko-Verhältnis
„Weiterhin soll die Frage beantwortet werden, ob das Risiko für die genannten schwerwiegenden Nebenwirkungen Auswirkungen auf das Nutzen-Risiko-Verhältnis hat, insbesondere bei der Anwendung der Arzneimittel für die Behandlung von weniger schwerwiegenden Infektionen wie akuter bakterieller Sinusitis, akuter Exazerbation der chronischen Sinusitis, akuter Exazerbation der chronischen Bronchitis oder unkomplizierten Harnwegsinfektionen“, so das Bundesinstitut.
"Zwei Tabletten Schmerz"
Der „Spiegel“ hatte in seiner aktuellen Ausgabe (7/17) unter dem Titel „Zwei Tabletten Schmerz“ über die massiven Nebenwirkungen und Langzeitfolgen bei Patienten berichtet, die wegen zum Teil weniger schweren Infektionen mit Fluorchinolonen behandelt wurden – bis hin zur dauerhaften Arbeitsunfähigkeit. Obwohl diese massiven Nebenwirkungen bekannt seien, würden Fluorchinolone von Ärzten immer noch häufig bei leichteren Infektionen verschrieben. Die Nebenwirkungen könnten auch noch längere Zeit nach der Einnahme der Präparate auftreten – bis zu einem Jahr später, heißt es.