Die Atherosklerose beschreibt einen Entzündungsprozess in der Gefäßwand-Media mit erhöhter Gefäßsteifigkeit und Degeneration der elastischen Fasern. Es kommt zur Gefäßverengung.
Die Arteriosklerose bezeichnet den physiologischen Alterungsprozess einer Arterie und betrifft sowohl die Intima als auch die Media. Der Entzündungsprozess fehlt, stattdessen kommt es hierbei zu Kalkablagerungen. Die koronare Gefäßverengung der KHK verursacht eine Minderversorgung mit Blut und damit von Sauerstoff und Energieträgern.
Angina Pectoris: „Elefant auf der Brust“
Symptome koronarer Herzkrankheiten (KHK) sind: Druck und/oder Schmerzen in der Brust bei Anstrengung (Angina Pectoris), die in Ruhe verschwinden kann, Schwäche und/oder Kurzatmigkeit bei Anstrengung, Kieferschmerzen, Rückenschmerzen, Schmerzen im Arm, vor allem auf der linken Seite, Herzklopfen, Schwindel, Benommenheit oder Ohnmacht.
Angina Pectoris (AP) ist das typische Symptom der KHK.
Es beschreibt einen episodischen, substernalen oder präkordialen Brustschmerz, der auch als Druck („Elefant auf der Brust“) beschrieben wird. Ursache ist die unzureichende Transportfähigkeit der koronaren Blutgefäße und die damit verbundene myokardiale Sauerstoffunterversorgung. Die AP tritt in der Regel bei Anstrengung auf und lässt in Ruhe oder nach Anwendung von Nitroglyzerin wieder nach. Im fortgeschrittenen Stadium der KHK kann AP bereits bei minimaler Anstrengung und sogar im Ruhezustand auftreten.
Myokardinfarkt und die Folgen
Der akute Myokardinfarkt (MI) bezieht sich auf irreversible Myokardschäden als Ergebnis einer längeren Ischämie. Es kommt zur Nekrose mit Verlust der normalen reizleitenden Strukturen und der kontraktilen Anteile des Herzmuskels. Am häufigsten betroffen ist der linke Ventrikel, der als größte Herzkammer für den Blutdruck im großen Körperkreislauf verantwortlich ist. In der Folge kommt es oft zur akuten Herzinsuffizienz bin hin zum Kreislaufversagen, das heißt, Kreislaufstillstand. Lebensgefährliche maligne Arrhythmien gehören ebenfalls zum Bild des Herzinfarkts.
Zahnmedizinische Relevanz
Die negativen Auswirkungen von Adrenalin werden in der Zahnmedizin meist in Zusammenhang mit der unbeabsichtigten Adrenalininjektion im Rahmen der Lokalanästhesie diskutiert. Weitaus häufiger und gefährlicher ist aber die endogene Katecholamin-Ausschüttung aufgrund von Schmerzen, Stress und Angst bei der Zahnbehandlung. Diese körpereigene Freisetzung von Adrenalin versetzt das kardiovaskuläre System in eine extreme Belastungssituation und kann einen Angina-Pectoris-Anfall auslösen, zum Myokardinfarkt oder zum plötzlichen Herztod führen. Eine sehr gut wirksame Analgesie zur Zahnbehandlung ist der wichtigste Faktor zur Reduktion des Katecholamin-Blutplasmaspiegels.
Adrenalingetränkte Retraktionsfäden bei KHK-Patienten vermeiden
Lokalanästhetika ohne Adrenalinzusatz bieten hier oft keine ausreichende Wirkung. Lokalanästhetika sollten immer in der kleinsten Dosierung, die zur effektiven Schmerzlinderung erforderlich ist, nach Aspiration langsam injiziert werden. Im Gegensatz zu der relativ unbedenklichen Anwendung von Adrenalin bei der Lokalanästhesie sind adrenalingetränkte Retraktionsfäden bei KHK-Patienten zu vermeiden.
Achtung Betablocker
KHK-Patienten nehmen oft Betablocker ein, um eine kardiale Belastung abzupuffern. Die Einnahme älterer, nicht kardioselektiver Betablocker wie Propranolol sollten vom Zahnarzt besonders beachtet werden, denn sie können in Zusammenhang mit Adrenalin zu einer unkontrollierten hypertensiven Krise führen. In Abwesenheit eines Betablockers hat eine systemische Dosis von Adrenalin keinen großen Einfluss auf den Blutdruck, da es sowohl zu alpha-adrenergen (Vasokonstriktion) als auch beta-adrenergen Effekten (Vasodilatation) kommt, die sich gegenseitig neutralisieren.
Dramatisch hohe Blutdruckwerte
Patienten, die unter dem Einfluss eines nichtselektiven Betablockers stehen, zeigen keine Vasodilatation, da die beta-adrenerge Wirkung unterdrückt wird. Die alpha-adrenerge Vasokonstriktion kann überwiegen, in der Folge kann es zu einer hypertensiven Reaktion mit zum Teil dramatischen Blutdruckwerten von 200 Millimetern Quecksilbersäule (mmHg) und mehr kommen.
Patienten mit Durchblutungsstörungen oder Zustand nach Myokardinfarkt nehmen häufig Aspirin oder andere Thrombozytenaggregationshemmer ein (zum Beispiel Clopidogrel [Plavix]). Die veränderte Hämostase ist meist nicht von klinischer Relevanz in der Zahnmedizin und sogar bei oralchirurgischen Eingriffen zu vernachlässigen.
Bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit ist das Absetzen von Thrombozytenaggregationshemmer mit einem dreifach erhöhten Risiko eines postoperativen kardialen Ereignisses verbunden.
Marcumar-Patienten gemeinsam mit dem behandelnden Arzt managen
Die Antikoagulation mit Marcumar ist anders zu bewerten, denn es kann hier zu schweren intra- und postoperativen Blutungen kommen. Diese Patienten müssen gemeinsam mit dem behandelnden Arzt gemanagt werden und unter Umständen nach Rücksprache auf Heparin umgestellt werden.
Ein ärztliches Konsil sollte der Zahnarzt immer dann anfordern, wenn er eine bisher nicht diagnostizierte Angina Pectoris vermutet oder der Verdacht besteht, dass eine bestehende KHK nicht gut eingestellt ist. Patienten, die einen Herzinfarkt erlitten haben, sind, insbesondere in den ersten sechs Monaten nach dem Ereignis, besonders gefährdet. Hier sollte immer der Haus- oder Facharzt konsultiert werden, um zu eruieren, ob weitere signifikante pathologische Zustände bestehen, die das Behandlungsrisiko erhöhen (Herzinsuffizienz, Arrhythmie, Angina, Hypertonie).
Die Bestimmung der funktionellen Leistungskapazität ist ein zentraler Schritt in der Risikoabschätzung vor der Zahnbehandlung und kann in Metabolischen Äquivalenten (MET) angegeben werden. Patienten mit einer großen funktionellen Leistungsreserve entwickeln nur sehr selten Komplikationen bei der Zahnbehandlung, selbst wenn sie eine stabile KHK aufweisen.
Patienten mit mehr als 4 MET (das heißt, sie sind nicht in der Lage, zwei Etagen Treppen zu steigen oder eine kurze Strecke zu laufen) haben eine schlechte funktionelle Leistungsreserve und ein erhöhtes Zahnbehandlungsrisiko. Patienten mit instabiler Angina Pectoris oder Patienten, deren Myokardinfarkt weniger als 30 Tage zurückliegt, sind hochgefährdet und sollten nur im Notfall zahnärztlich behandelt werden (zum Beispiel akute Infektionen, Blutungen, Schmerzen) und das vorzugsweise in einem Krankenhaus oder einer Zahnklinik. Erforderlich ist ein anästhesiologisches Stand-by mit intravenösem Zugang, Sedierung, EKG, Pulsoximeter, Blutdruck und Sauerstoffgabe.
Liegt der Myokardinfarkt des Patienten mehr als 30 Tage zurück, sollte, auch ohne Symptome, ebenfalls der Anästhesist hinzugezogen werden. Zur Dämpfung der endogenen Adrenalinausschüttung sollte der Patient sediert werden und eine sehr gut sitzende Lokalanästhesie ohne oder mit begrenztem Vasokonstriktor durchgeführt werden.
Notfallbehandlung Angina Pectoris und Myokardinfarkt
Die Unterscheidung zwischen Angina Pectoris und akutem Herzinfarkt ist wegen der ähnlichen Symptomatik nicht immer einfach. Beide Erkrankungen finden sich auf einem Kontinuum, und auch die klinischen Zeichen und Symptome unterscheiden sich eher graduell. Die mit einem Myokardinfarkt verbundenen Schmerzen sind schwerwiegender und länger andauernd (länger als 20 min) als bei der Angina Pectoris. Schmerzen eines Myokardinfarkts können auch plötzlich und unerwartet in Ruhe auftreten. Die Applikation von 2 Hub Nitrospray führt bei Angina-Pectoris-Patienten meist innerhalb von wenigen Minuten zum Abflauen der Symptome. Beim Infarkt zeigt Nitroglycerin keine oder eine verminderte Wirkung. Patienten mit einem akuten Myokardinfarkt sind in Lebensgefahr und spüren dies auch. Klassischerweise gehört die Todesangst zum Infarktsymptom. Patienten mit Angina Pectoris fühlen sich unwohl, aber nicht lebensgefährlich bedroht.
Nitroglyzerin
Nitroglyzerin befindet sich im Basis-Set des Notfallarsenals der Zahnarztpraxis und ist ein Mittel zur Erweiterung der Blutgefäße (insbesondere des venösen Systems). Sublingual verabreichtes Nitroglyzerinspray kann rasch durch die stark durchbluteten Schleimhäute absorbiert werden; es wirkt innerhalb von 90 Sekunden. Mit der Anwendung von Nitrospray sind häufig drei Nebenwirkungen verbunden: Zum einen kann es zu einem Blutdruckabfall kommen; zweitens kann es bei einer Vorbehandlung mit Vasodilatatoren, die bei erektiler Dysfunktion eingesetzt werden, zu einem lebensgefährlichen Kreislaufkollaps kommen; und drittens können zu Beginn der Nitroglyzeringabe schwere Kopfschmerzen auftreten. Nitroglyzerin sollte den Zustand des Patienten innerhalb von anderthalb Minuten nach der Verabreichung verbessern. Die Unwirksamkeit von Nitroglyzerin muss den Zahnarzt stets an die Möglichkeit denken lassen, dass ein akuter Myokardinfarkt vorliegt.
Herzerkrankungen sind die Haupttodesursache in westlichen Ländern, und die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Zahnärzte des Öfteren mit Betroffenen in Kontakt kommen. Aufgrund der demografischen Entwicklung nehmen kardiovaskuläre Notfälle in der Zahnmedizin zu, sodass jedes Zahnarztteam mit der Behandlung dieser lebensbedrohlichen Erkrankungen vertraut sein muss.
Eine möglichst entspannte Behandlung anstreben
Patienten mit Angina Pectoris kennen meistens ihre Diagnose und werden dies auch in der Anamnese erwähnen. Im Vorfeld empfiehlt es sich, bei diesen Patienten eine möglichst entspannte Behandlung durchzuführen. Es ist sicher wesentlich besser, einer Angina-Attacke vorzubeugen, als sie behandeln zu müssen. Eine Angina, die nicht angemessen behandelt wird, kann sich zu einem Myokardinfarkt ausweiten. Gleichermaßen kann ein Myokardinfarkt auftreten, ohne dass beim Patienten eine Angina aufgetreten ist. Das Zahnarztteam sollte sich darum bemühen, Stress so weit wie möglich zu vermeiden, und zudem die Zeichen, Symptome und die Behandlung von Herznotfällen kennen, um gewappnet zu sein, wenn diese in der Zahnarztpraxis auftreten.