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Primäre Melanome der Mundschleimhaut: selten, aber hochaggressiv

Pathogenese und Differenzialdiagnosen: DDr. Christa Eder über das mukosale Melanom der Mundhöhle (Teil 1)

Primäre Melanome der Mundschleimhaut (OMM) sind seltene, aber hochaggressive Tumore. Im mitteleuropäischen Raum machen sie lediglich 0,5 Prozent der oralen und nur 1,3 Prozent aller malignen Melanome aus, in Asien und Nordamerika sind Inzidenz und Prävalenz allerdings deutlich höher.

Die Fünf-Jahres-Überlebensrate beträgt weniger als 15 Prozent. Damit ist die Prognose deutlich schlechter als bei den entsprechenden Hautläsionen (CMM) mit einer durchschnittlichen Rate von 65 Prozent. Die Ursachen dafür sind heterogen. Sie liegen sowohl in der meist späten Erstdetektion und in der unterschiedlichen zytogenetischen Alteration und dem pathobiologischen Verhalten dieser Tumore.

Mangelnde Sensibilisierung für pigmentierte Schleimhautläsionen

Bei der Erstdiagnose haben die meisten oralen Schleimhautmelanome bereits eine Invasionstiefe von mehr als 4 mm, was einem Tumorstadium T4 entspricht, teilweise werden sie sogar erst nach dem Auftreten von Lymphknotenmetastasen aufgefunden. Im Frühstadium sind die Läsionen klein, unauffällig und völlig asymptomatisch, erst bei fortgeschrittenen Läsionen kommt es zu Ulzerationen und Blutungen. 

Die zahlreichen Differenzialdiagnosen zu anderen oft gutartigen pigmentierten Schleimhautveränderungen führen leider häufig zu Unterschätzung und Fehlinterpretationen. Die Metastasierungsrate bei Diagnosestellung beträgt daher bereits 25 bis 75 Prozent. Neben Absiedlungen in den regionären Lymphknoten kommt es früh zu einer hämatogenen Streuung in Lunge, Leber und Gehirn.

Nur knapp 15 Prozent der hochmalignen Tumoren werden im noch nicht invasiven In-situ-Stadium diagnostiziert und haben dann eine deutlich bessere Prognose. Diese junktionale Wachstumsphase kann über Monate, manchmal sogar Jahre andauern, wird aber nur selten erkannt und richtig eingeschätzt. Bedingt durch anatomische Unterschiede zwischen Haut und Mundschleimhaut können bestimmte diagnostische Kriterien des CMM beim OMM nicht angewendet werden. Die orale Mukosa hat keine Papillen und keine retikuläre Dermis, weshalb der an diesen Strukturen orientierte Clark Level hier nicht anwendbar ist. 

Primär orale Melanome betreffen in den meisten Fällen ältere Personen

Beim Staging nach dem TNM-System gibt es für das OMM kein T1- und T2-Stadium. T3 ist limitiert auf die Schleimhaut und das unmittelbar darunterliegende Weichgewebe. Primär orale Melanome betreffen in den meisten Fällen ältere Personen jenseits des 60. bis 70. Lebensjahrs und zeigen ein rascheres invasives Wachstum und eine frühere Metastasierung als ihr kutaner Konterpart. Sie sind durch ihr spezifisches genetisches Profil biologisch deutlich aggressiver und haben auch noch nach fünf Jahren eine relativ hohe Rezidiv- und Metastasierungsrate. Aufgrund der Gegebenheiten in der Mundhöhle sind sie schlechter exzidierbar, da die Resektionsränder, um Funktionalität und Integrität der oralen Strukturen zu wahren, hier enger zu nehmen sind.

Während die Genese von CMM in engem Zusammenhang mit UV-Exposition steht, hat diese bei Melanomen der Mundschleimhaut aus logischen Gründen keine Bedeutung. Potenzielle Risikofaktoren für das OMM werden divergent diskutiert. Es bestehen mögliche, aber derzeit noch nicht ausreichend wissenschaftlich belegte Zusammenhänge mit viralen Infektionen durch HPV, HSV1 und Polyomaviren sowie zu chemischen Noxen wie Formaldehydexposition und Tabakkonsum. Auch mechanische Alterationen wie Prothesendruck und chronische Entzündungen werden als Promotoren diskutiert. 

Primäre Melanome und orale Metastasen

Wichtig ist die Unterscheidung von primären Melanomen der Mundschleimhaut und oralen Metastasen kutaner Melanome. Letztere findet man häufig in der Zunge, während die Lokalisationen der primären OMMs bevorzugt die keratinisierte Mukosa des harten Gaumens, den Alveolarkamm des Unterkiefers gefolgt vom Mundboden und der mandibulären Gingiva betreffen. Sie entwickeln sich in zwei Dritteln der Fälle de novo ohne Precursor-Läsion auf vorher unauffälliger Mukosa, nur etwa ein Drittel entsteht in vorbestehenden, primär nicht malignen pigmentierten Schleimhautveränderungen wie beispielsweise einem Naevus.

Das OMM hat mehrere typische Wachstumsmuster:

  1. eine auf das Epithel begrenzte noch nicht invasive in situ Läsion entsprechend einer Lentigo maligna
  2. spreitende Melanome (superficial spreading melanoma) mit horizontalem, 
plaqueartigen Wachstumsmuster der
Tumorzellen
  3. invasive beziehungsweise noduläre 
Melanome, welche vertikal unterschiedlich tief in das Bindegewebe und in angrenzende Strukturen (zum Beispiel in den Kieferknochen) eindringen
  4. kombinierte Typen mit nebeneinander auftretenden In-situ-Formen und invasiven Komponenten

Schwierige 
Differenzialdiagnose

Primäre Schleimhautmelanome imponieren zunächst meist makulös, dann als Papeln oder Knötchen. Die klassische Pigmentierung ist schwarz bis schwarzbraun, aber auch graue und purpurfarbene Formen sind möglich Die wichtigsten Kriterien zur Unterscheidung zwischen einem malignen Melanom und einem Naevus (Muttermal) sind in der sogenannten ABCD-Regel zusammengefasst. 

Im Gegensatz zum Muttermal gilt für Melanome (ABCD-Regel):
A. Die Läsion ist „Asymmetrisch“ begrenzt
B. Die „Begrenzung“ ist irregulär und unscharf gegen die Umgebung abgesetzt
C. Die Farbe („Colour“) ist wegen der ungleichmäßigen Verteilung des Pigments in der Läsion nicht einheitlich homogen (Lupe!)
D. Der Durchmesser der Läsion ist größer als 
5 mm und nimmt rasch zu.

Allerdings bestätigen, wie immer bei biologischen Strukturen, Ausnahmen die Regel. Besonders das schleimhautfarbene bis rötliche amelanotische Melanom, das immerhin ein Drittel der oralen Läsionen ausmacht, erschwert die Diagnose mangels eines dunklen Kolorits erheblich. Es ist ein pigmentarmer bis sogar pigmentfreier Tumor, der im Gegensatz zum klassischen Melanom auch scharf begrenzte und symmetrische Wachstumsformen zeigen kann. Des Weiteren können auch zahlreiche andere benigne pigmentierte Läsionen durchaus ähnlich wie ein malignes Melanom imponieren.  

Die genetischen und biologischen Kriterien maligner Schleimhautmelanome sind Ursache für ihr aggressives Wachstumsmuster, eröffnen aber auch Optionen und vielversprechende therapeutische Ansätze. Die Kenntnis der spezifischen Pathologie entarteter Melanozyten und der Genese dieses aggressivsten Tumors sind Thema des nächsten Beitrags.

DDr. Christa Eder,  Wien

(wird fortgesetzt) 

DDr. Christa Eder

ist Fachärztin für Pathologie und Mikrobiologin. Seit vielen Jahren schreibt sie für das österreichische Fachmagazin „Zahn.Medizin.Technik“ und die deutsche Fachzeitung „dzw – Die ZahnarztWoche“. Auch ist sie als Vortragende im Bereich der zahnärztlichen Mikrobiologie international bekannt.

Mitglied seit

7 Jahre 2 Monate

Titelbild: New Africa – stock.adobe.com