In den meisten Fällen sind strafrechtliche Vorgaben dem Zahnarzt entweder komplett unbekannt oder zumindest unklar. Das will die Bundesregierung jetzt ändern. Dazu hat sie bereits im Februar 2017 einen Gesetzesentwurf eingebracht, mit dem dieses Strafrechtsrisiko konkretisiert und damit reduziert werden soll.
Aktueller Stand der Strafbarkeit
Die Folgen einer Verletzung des Arzt.- oder Zahnarzt-Geheimnisses können dramatisch sein: Mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer nach Paragraf 203 StGB das Arztgeheimnis verletzt. Vor dem Hintergrund fortschreitender Digitalisierung auch in Zahnarztpraxen besteht nach Ansicht des Gesetzgebers zurzeit ein erhöhtes Risiko, dass sich Zahnärzte und Ärzte mit der Hinzuziehung von Dienstleistungen oder Inanspruchnahme der Mithilfe Dritter nach Paragraf 203 StGB strafbar machen.
So selbstverständlich es klingt, bei der Hinzuziehung Dritter die strafrechtlichen Vorgaben zum Zahnarzt-Geheimnis einzuhalten, so wenig wird dies in der Realität gelebt.
Die digitale Zahnarztpraxis: ein echtes Strafrechts-Problem
Die Digitalisierung des Gesundheitswesens kann leicht zum Strafrechtsrisiko für Zahnärzte werden. Bei der Hinzuziehung zum Beispiel externer IT-Spezialisten ist vielen gar nicht bewusst, dass sie sich damit möglicherweise strafbar machen. Wo aber liegt das Problem?
Ein Beispiel: Ein IT-Experte erhält Zugriff auf die Computeranlage einer Zahnarztpraxis. Damit bekommt er Einsicht in Patientendaten. Diese Patientendaten aber dürfen Zahnärzte nur dann offenbaren, wenn der Patient dem ausdrücklich zugestimmt hat.
Tatsächlich gibt es nach Ansicht des Gesetzgebers derzeit keinen praktikablen, rechtssicheren Ausweg zur Wahrung der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht bei der Hinzuziehung von IT-Fachleuten. Das damit zusammenhängende strafrechtliche Risiko, ausgelöst durch die Mitwirkung Dritter in Praxis und Klinik, soll jetzt mit dem Gesetzesentwurf reduziert werden.
Offenbaren an Zahnarzt-Gehilfen wird straffrei
Ein Kernstück der Neuregelung sieht vor, dass Bestandteile des Arztgeheimnisses mitwirkenden Personen weitergegeben oder zugänglich gemacht werden können. Dabei soll der Zahnarzt straffrei bleiben. Es soll nicht mehr auf ein Gesetz ankommen, dass die Weitergabe oder das Zugänglichmachen gestattet. Für berufsmäßig tätige „Gehilfen“ (zum Beispiel das zahnmedizinische Fachpersonal oder Auszubildende, die zur Vorbereitung auf den Beruf tätig sind, nimmt der Gesetzesentwurf an, dass dort kein strafrechtlich relevantes Offenbaren von Geheimnissen vorliegt.
Neue strafrechtliche Verantwortung
In einer weiteren Vorschrift soll strafrechtlich reguliert werden, unter welchen Bedingungen sich Ärzte und Zahnärzte bei sonstigen mitwirkenden Personen (zum Beispiel IT-Dienstleistern, Buchhaltung, Telefon-Dienstleistungen) nicht strafbar machen. Die Gesetzesänderung sieht vor, dass gegenüber sonstigen Personen ein Offenbaren von Geheimnissen zulässig sein kann. Bedingung ist die Notwendigkeit der Inanspruchnahme der Tätigkeit dieser sonstigen mitwirkenden Personen.
Zahnärzte bekommen mehr Verantwortung
Zugleich wird Ärzten und Zahnärzten ausdrücklich eine neue strafrechtliche Verantwortung ins Gesetz geschrieben. Sie machen sich dann strafbar, wenn sie nicht dafür gesorgt haben, dass eine sonstige mitwirkende Person ein bei der Ausübung oder bei Gelegenheit der Tätigkeit bekannt gewordenes Geheimnis offenbart und nicht entsprechend zur Geheimhaltung verpflichtet wurde.
Zahnarzt-Geheimnis und Bestimmung des Praxis-Werts
Der Gesetzesentwurf räumt weitestgehend die Rechtsunsicherheit aus. Bei Nicht-Einhaltung der strafrechtlichen Vorgaben besteht für Zahnärzte und Ärzte allerdings die Gefahr eines strafrechtlichen und berufsgerichtlichen Verfahrens.
Daneben kann der Zahnarzt eine unangenehme Überraschung beim Verkauf der Zahnarztpraxis erleben. Sachverständige sollen künftig in die Praxis-Bewertung einbeziehen, ob und wie das Zahnarztgeheimnis gewahrt wurde. Wer hier als Praxisbetreiber Nachweise schuldig bleibt, wird unter ungünstigen Umständen mit einer Bewertung seines Patientenkreises mit Null-Euro konfrontiert. Und der Patientenkreis ist mittlerweile die Position, die maßgeblich den Wert einer Zahnarztpraxis beeinflusst. Im schlimmsten Fall kann der Praxisverkauf sogar komplett zurück abgewickelt werden.
Aber auch andere Kooperationsformen sind betroffen. Wer sich bei Aufnahme in eine bestehende Berufsausübungsgemeinschaft in das Gesellschaftsvermögen „einkaufen“ soll, hat gute Karten, den Patientenkreis aufgrund der Verletzung des Zahnarztgeheimnisses als wertlos anzusetzen.
Anders herum kann derjenige nicht mit einem Verkauf seines erarbeiteten Patientenstammes rechnen, wenn er aus einer Praxis ausscheiden will, in der nicht die Schweigepflicht gewahrt wurde.
Fazit: Egal ob Einzel-Praxis, Berufsausübungsgemeinschaft, MVZ oder Klinik: Man sollte sich eine rechtlich und praktisch gelebte Strategie zur Einhaltung des Geheimnisschutzes auf die Agenda setzen (zum Beispiel Ausgestaltung der IT-Verträge, rechtskonforme Praxisabläufe) und im Zweifel fachkundig beraten lassen – aus strafrechtlichem und finanziellem Eigeninteresse.