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Streit um Notfallversorgung

Die Menschen in Deutschland suchen in überwiegender Zahl Hilfe in den Notaufnahmen der Krankenhäuser. Gleichzeitig können die Kliniken ihre Notfallversorgung nicht annähernd kostendeckend betreiben. Das seien Ergebnisse einer Blitzumfrage des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) im Auftrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG).

Demnach werden sämtliche Notaufnahmen in Deutschland defizitär betrieben, kein Krankenhaus erreicht mit seiner Notfallversorgung auch nur ein ausgeglichenes Ergebnis. Hinzu kommen anhaltende Kapazitätsprobleme vor allem aufgrund des Personalmangels. So mussten 2022 77 Prozent der Krankenhäuser ihre Notfallambulanzen mindestens einmal komplett abmelden.

„Die wirtschaftliche Lage der Notfallambulanzen ist desaströs und trägt zusammen mit einer fehlenden Patientensteuerung maßgeblich zur massiven ökonomischen Schieflage vieler Krankenhäuser und damit zur drohenden Insolvenzwelle bei. Hier besteht großer Handlungsbedarf. Wir erwarten, dass die Vorschläge der Regierungskommission zur Notfallversorgung genau diese Probleme adressieren“, erklärt der Vorstandsvorsitzende der DKG, Dr. Gerald Gaß.

Außerhalb der Sprechzeiten Notaufnahmen gefragt

Gleichzeitig ergab die Umfrage, dass die Notaufnahmen für die Menschen in Deutschland der erste Anlaufpunkt sind, wenn es um Hilfe im Notfall oder um medizinische Hilfe außerhalb der Sprechzeiten der Praxen geht. Besondere Spitzen verzeichnen die Notaufnahmen während der üblichen Schließzeiten der Praxen. Der größte Teil der Patientinnen und Patienten erreicht sie fußläufig oder mit eigenem Transport, die Hotline der Kassenärztlichen Vereinigungen 116 117 spielt praktisch keine Rolle. Drei Viertel der Krankenhäuser gaben zudem an, mit den Kassenärztlichen Vereinigungen nur mittelmäßig oder gar schlecht zusammenzuarbeiten.

„Die Notaufnahmen sind vielerorts zum Ersatz der wegbrechenden Versorgung im niedergelassenen Bereich geworden. Wer abends und am Wochenende keine ärztliche Hilfe findet oder bei akuten Beschwerden auf Termine in weiter Zukunft vertröstet wird, wählt den Weg in die Notfallambulanzen und erhält in den Krankenhäusern nach wie vor umgehend und verlässlich kompetente Versorgung. Diese Realität muss die Politik anerkennen. Es gelingt dem niedergelassenen Bereich nicht, seine Pflicht zur ambulanten Notfallversorgung umfassend zu erfüllen. Unser Vorschlag sind inte­grierte Notfallzentren in den Kliniken, in denen Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte in Portalpraxen und Notfallambulanzen kooperativ die Notfallversorgung übernehmen. Mittelfristig gilt es, den Krankenhäusern die Möglichkeit zu geben, ihre ambulanten Potenziale für die Patientinnen und Patienten nutzbar zu machen. Nur so können wir medizinische Versorgung angesichts des vor allem in der Fläche wegbrechenden niedergelassenen Sektors flächendeckend und rund um die Uhr sichern“, sagt Gaß. Die DKG hat bereits 2022 ein umfassendes Konzept zu einer Reform der Notfallversorgung ausgearbeitet und zur Diskussion vorgelegt.

Grundlage der DKI-Blitzumfrage ist die Befragung einer repräsentativen Auswahl von 112 Allgemeinkrankenhäusern mit jeweils mindestens 100 Betten. Die Umfrage fand im Januar 2023 statt.

KBV widerspricht

„Mit ihrer ‚Blitzumfrage‘ hat die DKG eine Nebelwand für Politik und Öffentlichkeit aufgebaut, um von den eigenen und hausgemachten Problemen abzulenken. Zu viele Krankenhäuser machen alles und das häufig nicht richtig. Die Notfallversorgung muss an weniger Standorten konzentriert und personell sowie mit Apparaten besser ausgestattet werden“, erklärte Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).

„Es klingt wie der wohlfeile Ruf ‚Haltet den Dieb‘, wenn die DKG lautstark den ambulanten Bereich als Problem erkannt haben will. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall“, sagte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Dr. Stephan Hofmeister. „Die Fallzahlen bei den Notaufnahmen der Krankenhäuser haben das Vor-Corona-Niveau längst nicht erreicht. Im Gegenteil: Sie bleiben dauerhaft darunter. Wie die Berichterstattung des Robert-Koch-Instituts zeigt, setzt sich dieser Trend einer rückgehenden Inanspruchnahme des Notdienstes auch in diesem Jahr fort. Gleichzeitig werden mehr als die Hälfte der Fälle während der Einsatzzeiten des ärztlichen Bereitschaftsdienstes von den niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen behandelt. Trotzdem bewältigen viele Notfallambulanzen an Krankenhäusern die Situation nicht. Eigentlich eine Bankrotterklärung“, fügte er hinzu.

KBV fordert Reform der Notfallversorgung

„Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: Über 600 Millionen Behandlungsfälle stemmen jährlich die Praxen der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen, davon entfallen knapp fünfeinhalb Millionen Fälle auf den Bereitschaftsdienst, während die Krankenhäuser zu Bereitschaftszeiten nur noch fünf Millionen ambulante Notfälle behandeln. Wir müssen uns hier ehrlich machen: Wegen der postpandemisch veränderten Inanspruchnahme der Notfallversorgung brauchen wir für diesen Bereich eine echte Reform. Dazu zählt eine Konzentration der Notfallversorgung, eine Priorisierung nach Dringlichkeit durch eine strukturierte Ersteinschätzung genauso wie ein Mehr an Kooperation in Form einer verlässlichen Weiterleitung von ambulant versorgbaren Akutpatienten in die vertragsärztliche Versorgung“, erläuterte KBV-Chef Gassen. „Und natürlich muss die Finanzierung für Praxen und Krankenhäuser gleichermaßen stimmen“, ergänzte er.

Titelbild: upixa - stock.adobe.com