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Alveolarkammrekonstruktion kombinierter Kieferkammdefekte nach Explantation

Die Rekonstruktion eines Alveolarknochens ist, vor allen Dingen bei unterschiedlich ausgeprägten Knochendefekten und Klassifikationen, eine Herausforderung in der Implantattherapie. Neben der Inaktivitätsatrophie nach Zahnverlust [1,2] können entzündliche Prozesse wie Parodontitis oder Periimplantitis ebenso wie Traumata Knochenrückgang beziehungsweise Defekte des knöchernen Alveolarfortsatzes initiieren. Um ein stabiles Knochenlager für die Implantatversorgung zu erzielen, stehen unterschiedliche Rekonstruktionsmöglichkeiten zur Verfügung. Im vorliegenden Beitrag wird der Kieferknochenaufbau durch Knochenblock-Transplantationen in Anlehnung an die Schalentechnik nach Khoury [3] mit verzögerter Implantation beschrieben.

METHODIK DER SCHALENTECHNIK NACH KHOURY

Autologe Knochentransplantate gelten noch heute als Goldstandard zur Rekonstruktion defizitärer Alveolarknochen für die Wiederherstellung eines idealen Implantatlagers – insbesondere beim Wiederaufbau von großen vertikalen und/oder lateralen Defekten. Im vorgestellten Fall wurde der Aufbau in Anlehnung an die Khoury-Technik realisiert.
Ein Leitfaden für die therapieorientierte Defektklassifikation für die Regelfallversorgung ist die „Kölner Defektklassifizierung“. Das diagnostische Schema kann im Hinblick auf die Augmentationstechnik als Entscheidungshilfe dienen.

  1. Entnahme eines kortikalen Knochenblocks aus der Spenderegion.
  2. Teilen den Blocks in zwei Knochenschalen mithilfe einer Mikrosäge
  3. Anpassen der Knochenschale an den zu augmentierenden Bereich
  4. Fixation mittels Osteosyntheseschrauben
  5. Den Raum zwischen Knochenschale und Alveolarknochen mit partikuliertem Knochen auffüllen
  6. Den OP-Situs mit Membran abdecken und mit mobilisiertem Mukoperiostlappen verschließen.

Der konkrete Patientenfall

Ein Patient stellte sich aufgrund einer gebrochenen Brücke in der Frontzahnregion (11-13) in der Praxis vor. Die Röntgendiagnostik zeigte, dass die verbliebenen Zahnreste nicht erhaltungswürdig waren und mit der Diagnose „ad Ex“ belegt wurden. Auch die Zähne 26, 27 waren parodontal zerstört und wiesen klinisch durchgängige und freiliegende Furkationen auf. Sie hatten ebenso wie die Zähne 45 und 38 eine schlechte Prognose und mussten extrahiert werden. Die Kronenversorgung im Oberkiefer war insuffizient und kariös bis auf die Zähne 21-23. Die Implantate im dritten Quadranten hatten eine ausgeprägte Periimplantitis mit fortgeschrittenem Knochenabbau. Der Implantaterhalt war regenerativ nicht möglich, da eine effektive und dauerhafte Dekontamination der Implantatoberflächen in regio 34 und 36 durch eine chirurgische Intervention mit Defektöffnung nicht realisierbar war [4]. Eine Explantation beider Implantate war unumgänglich. Eine Vorbehandlung zur Wiederherstellung guter Hygieneverhältnisse im Mund sowie das Erzielen einer ausgezeichneten Patientencompliance war sowohl für die eigentliche Behandlung als auch für den Erhalt der prothetischen Versorgung essenziell.

Röntgenaufnahme der Ausgangssituation

Abb. 1
Die Röntgenaufnahme der Ausgangssituation

Eine Interimslösung für den Brückenersatz von 11 und 13 sowie die Socketpreservation zum Strukturerhalt der Hart- und Weichgewebe im ästhetischen Bereich verschaffte Zeit, um die Therapieoptionen zu eruieren. Im Gespräch mit dem Patienten äußerte dieser den Wunsch nach festsitzendem Zahnersatz sowohl im Ober- als auch im Unterkiefer. Auf Basis einer DVT erfolgte die diagnostische Auswertung sowie die Planung der umfangreichen Behandlungstherapie. Der Oberkiefer sollte mit Kronen und Brücken auf den erhaltungsfähigen Zähnen sowie Implantaten rekonstruiert werden. Dafür sollten die Kronen entfernt sowie drei Implantate regio 11,13 und 15 zur Pfeilervermehrung inseriert werden. Die Explantation und der dreidimensionale Knochenaufbau im Unterkiefer beidseits bedingte eine voraussichtlich lange Behandlungszeit. Diese sollte mit metallverstärkten Langzeitprovisorien (LZP) im Oberkiefer und dem Unterkieferseitenzahnbereich überbrückt werden.

Das Langzeitprovisorium

Die Wurzelreste in regio 11 und 13 wurden mithilfe der Piezochirurgie entfernt und die Alveolen sorgfältig gereinigt. Zum Resorptionsschutz der umgebenden Gewebe wurden die Alveolen im Sinne einer Socket Preservation aufgefüllt. In regio 14 erfolgte ein horizontaler Knochenaufbau mit einem allogenen Knochenersatzmaterial und Abdeckung mit einer Membran (Botiss Biomaterials). Bei der Versorgung im zweiten Quadranten hatte sich der Patient für eine Brückenlösung entschieden, da diese für ihn stressfreier als ein Sinuslift sei. Das LZP wurde mit provisorischem Zement eingesetzt. Die Metallarmierung ermöglichte die Gestaltung einer einteiligen Brücke von 17 bis 27, ohne dass die natürlichen Zähne 21,22 und 23 beschliffen werden mussten. Damit die Kieferknochenrekonstruktion im Unterkiefer ohne Prothesendruck einheilen konnte, wurden die Zähne 48 und der nichterhaltungsfähige Zahn 38 als Brückenpfeiler genutzt. Nach der Präparation der Oberkieferzähne sowie der Zähne 44, 48, 33 und 38 erfolgte die Abformung beider Kiefer zusammen mit dem Implantat regio 37 (Duraplant, ZL Microdent) zur Herstellung der metallverstärkten LZPs.

Freilegung nicht erhaltungsfähiger Implantate

Abb. 4
Die Freilegung der nichterhaltungsfähigen Implantate im dritten Quadranten zur Explantation

Die Explantation und die Alveolarkamm-Rekonstruktion

Nachdem die klinische und röntgenologische Diagnostik zeigte, dass ein konservativer Implantaterhalt mit Neuversorgung nicht erfolgversprechend war, sollten im folgenden Behandlungsschritt zwei der drei Implantate im dritten Quadranten explantiert werden.

Durch den kombinierten horizontalen und vertikalen Knochenabbau nach Explantation in regio 34 und 35 und dem horizontalen Knochendefizit durch eine Nichtbelastung im vierten Quadranten – initiiert durch langjähriges Fehlen der Zähne 46, 47 – war ein zweizeitiges Vorgehen zur Kieferkammrekonstruktion notwendig. Es stellte sich die Frage, welcher Therapieansatz und welche augmentativen Materialen zielführend für eine Re-Implantation sind, da Beobachtungen zur Überlebensraten der Zweitimplantation deutlich niedriger sind als bei der Erstimplantation (90,6 Prozent) [5]. Hierüber wurde der Patient nochmals explizit informiert. Die Rekonstruktion sollte in Anlehnung an das chirurgische Protokoll von Prof. Khoury [6] mittels modifizierter Schalentechnik erfolgen.

Drei Monate nach der Extraktion der Oberkieferzähne erfolgte die Implantation in regio 15 (3,8 mm /L 11 mm Conelog Screw-Line) sowie 13 und 11 (4,3 mm / L 11 mm Camlog Screw-Line). Für die Blockaugmentation im vierten Quadranten wurde zunächst ein Mukoperiostlappen präpariert und ein monokortikaler Block aus der retromolaren Region entnommen. Zum Aufbau der fehlenden vestibulären Knochenwand erfolgte die Befestigung des Blocks mit Osteosyntheseschrauben. Der Zahn 45 wurde extrahiert und eine Schale von bukkal zum Aufbau der vestibulären Alveolarknochenkontur verschraubt. Der direkte Kontakt der Schale mit dem Empfängerknochen und eine stabile Fixation ist essenziell, um die langsame, nahezu vollständige Resorption des Transplantats bei gleichzeitiger Anlagerung von neuem, lebensfähigem Knochen zu erreichen. Die schleichende Substitution beginnt an der Transplantat-Wirt-Grenze und bewegt sich dann entlang der Achse des Kortikaltransplantats. Um die Blutdurchdringung des Augmentats zu unterstützen, wurden die Markräume mit einem Rosenbohrer geöffnet und der Hohlraum zwischen den Schalen und dem lingualen Kieferknochen mit einem Gemisch aus autologen Knochenchips und allogenem Knochenmaterial aufgefüllt. Der Aufbau der aufgrund der Periimplantitis und nachfolgenden Explantation entstandenen Knochendefekte im dritten Quadranten erfolgte einen Monat nach dem chirurgischen Eingriff im vierten Quadranten. Die Implantate wurden durch die Reverse-Torque-Technik entfernt.

Osteosyntheseschrauben fixierten die autologen Knochenschalen, die aus der Linea obliqua im Unterkiefer mithilfe der Piezochirurgie gewonnen und an die Defektsituation angepasst worden waren. Die Rekonstruktion erfolgte im Sinne einer modifizierten Schalentechnik mit autologen Knochenblöcken sowie einem Gemisch autologer Knochenspäne und allogenem Knochen (Botiss Biotechnologie) sowie einer allogenen Membran. Vier Monate nach der Blocktransplantation im rechten unteren Quadranten konnten zwei Implantate in regio 46 (Camlog Screw-Line 4,3 / 11 mm) und 47 (Camlog Screw-Line 5,0 / 11 mm) in ein ausreichend dimensioniertes und stabiles neues Implantatlager inseriert werden. 

Gegen eine Implantation regio 45 wurde entschieden, weil dieses Implantat ungünstig weit lingual hätte platziert werden müssen und somit dem prothetischen Belastungskonzept nicht entsprochen hätte. Im dritten Quadranten konnten – sechs Monate nach den augmentativen Maßnahmen – drei Implantate in den verknöcherten Bereich eingesetzt werden: regio 34 und 35 (Conelog Screw-Line 3,8 mm / L 11mm) und 36 ein kurzes 7 mm Implantat mit 4,3 Durchmesser.

Kontrollröntgenaufnahme

Abb. 17
Gedeckte und drucklose Einheilung der Implantate im Unterkiefer

Alle Implantate heilten gedeckt und aufgrund der stabilen, metallverstärkten Langzeitprovisorien drucklos ein. Drei Monate nach der Implantatchirurgie im dritten Quadranten erfolgte die Freilegung aller Implantate im Unterkiefer mit Vestibulum-Plastik beidseits. Ein freies Schleimhauttransplantat, mit dem Ziel, eine keratinisierte und angewachsene Mukosa im vestibulären Bereich der Implantate zu generieren, lehnte der Patient nach all den Strapazen der Behandlung ab. Durch das Aufbringen einer allogenen, azellulären Matrix wurde der OP-Situs spannungsfrei verschlossen und heilte komplikationslos ab.

Die prothetische Versorgung

Mit dem Ziel, eine stabile periimplantäre Mukosa zu generieren, wurden bei der Freilegung Gingivaformer mit breiterem Profil eingesetzt. Nach der Weichgewebeausformung erfolgte die finale Präparation der Zähne und deren Abformung zusammen mit den Implantaten. Im Labor wurden die Modelle gefertigt und gefräste Nichtedelmetall-Brückengerüste (24–28, 34–37 sowie 47 und 46 mit Anhänger 45) mit der Unterstützung digitaler Techniken erstellt. Alle Gerüstteile und prothetischen Implantatkomponenten wurden einprobiert und der temporäre Pfeilerzahn 38 extrahiert. Die Frontzahnbrücke 11–13 wurde in Zirkoniumdioxid monolithisch gefertigt. Die ästhetische Farbanpassung erfolgte anschließend ebenso wie die der Einzelkronen, die aus IPS eMax CAD hergestellt worden waren, durch Bemalen. Die Materialwahl fiel auf verblendetes Nichtedelmetall (NEM), da die Keramik im Vergleich zu Zirkoniumdioxid weniger chippt. Die Kronen und Brücken wurden auf Zähne und Abutments zementiert und die Implantatkrone 14 direkt verschraubt. Der Patient erhielt nochmals Unterweisungen in den notwendigen täglichen Maßnahmen zur Sicherstellung einer adäquaten häuslichen Mundhygiene. Diese wurden in einem engmaschigen Recall professionell unterstützt.

Fazit

Die eigentliche Behandlung zur Sicherstellung einer langzeitstabilen zahnmedizinischen Versorgung kann erst nach der Gewährleistung einer ausgezeichneten häuslichen Mundhygiene erfolgen. Die Schaffung der optimalen Hygienefähigkeit der prothetischen Rekonstruktion an den natürlichen Zähnen und den Implantaten ist eine essenzielle Voraussetzung zur Prävention erneuter periimplantärer und parodontaler Erkrankungen.

Die Rekonstruktion ausgedehnter kombinierter Kieferkammdefekte, die aufgrund einer Periimplantitis und nachfolgender Explantation entstanden, sind eine chirurgische Herausforderung für die Schaffung einer ausreichend dimensionierten knöchernen Basis für eine Re-Implantation. Der Aufbau erfolgte in Anlehnung an das chirurgische Protokoll von Prof. Khoury [3, 6], indem autologe Knochenblöcke fixiert werden und der Hohlraum mit einem Gemisch aus partikulierten autologen Knochenchips und allogenem Knochenmaterial verfüllt wird. Um den Regenerationserfolg zu unterstützen, wurde auf patienteneigene Transplantatmaterialien gesetzt. Sofern zu wenig autologer Knochen aus den oralen Spenderegionen zur Verfügung stand, wurden allogener Knochen sowie allogene Membranen verwendet. Autologer Knochen wird heute noch immer als Goldstandard angesehen, da seine immunologische und infektiöse Unbedenklichkeit sowie sein osseoinduktives Potenzial vorteilhaft sind. Für das Überleben und Ernähren der Transplantatzellen ist für eine gute Durchblutung des augmentierten Bereichs zu sorgen.

Literatur

[1] Reich, K. M., Huber, C. D., Lippnig, W. R., Ulm, C., Watzek, G., Tangl, S. (2011): Atrophy of the residual alveolar ridge following tooth loss in an historical population, S. 33–44.

[2] Frost, H. M. (2003): A 2003 Update of Bone Physiology and Wolff’s Law for Clinicians, S. 3–15.

[3] Khoury F: The 3-dimensional reconstruction of the alveolar crest with mandibular bone block graft: a clinical study [abstract]. J Oral Maxillofac Implants 2004; 19: 765–766.

[4] Schwarz F, Sahm N, Schwarz K, Becker J. Impact of defect confi guration on the clinical outcome following surgical regenerative therapy of peri-implantitis. Journal of Clinical Periodontology 2010;37:449–455.

[5] Kang DW et al. Repeated failure of implants at the same site: a retrospective clinical study. Maxillofac Plast Reconstr Surg. JHIQ;LI(I):JO. (clinical study).

[6] Khoury F, Hanser T: Mandibular bone block harvesting from the retromolar region: a 10-year prospective clinical study. Int J Oral Maxillofac Implants 2015; 30: 688–697.

Titelbild: Leigh Prather - stock.adobe.com