Es klingt wie eine Münchhauseniade: Alle Ärzte sind unter dem Corona-Schutzschirm versammelt, nur die Zahnärzte stehen im Regen. Der Ärger der Standespolitiker ist groß und laut. Die „Verordnung zum Ausgleich COVID-19 bedingter finanzieller Belastungen“ ist für Zahnärztinnen und Zahnärzte desolat ausgefallen. Sie bekommen lediglich eine Liquiditätshilfe von 90 Prozent der GKV-Gesamtvergütung von 2019. Die Überzahlung muss in den Jahren 2021 und 2022 zurückerstattet werden. Wahrlich kein Geschenk. Im Referentenentwurf sollten noch 30 Prozent der gezahlten Liquiditätshilfe pauschal bei Vertragszahnärztinnen und -ärzten bleiben. Jetzt nichts.
Der KZBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Wolfgang Eßer zeigte sich ehrlich schockiert. Schock eins: keine Berücksichtigung im COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz, das alle anderen Arztgruppen beschirmt. Schock zwei: Der schon sicher geglaubte 30-Prozent-Schutzschirm wurde wieder zusammengeklappt.
Die wirtschaftlichen Folgen der Corona- Krise seien damit lediglich in die Folgejahre verlagert, so Eßer: „Was uns wirklich schockiert, ist auch, dass mit dieser Verordnung die Zahnärzte mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, im Vergleich zu Ärzten und selbst zu Heilmittelversorgern eine nicht nachvollziehbare Ungleichbehandlung – und ich sage das so, wie ich es empfinde, eine Herabwürdigung erfahren.“ BZÄK- Präsident Dr. Peter Engel warnt vor einem „Ausbluten der zahnärztlichen Flächenversorgung“. Der FVDZ-Bundesvorsitzende Harald Schrader sieht die Zahnärzteschaft als Sozialneidopfer der SPD und spricht von einer Karikatur des „porschefahrenden Zahnarztes“, die in Politikerköpfen anscheinend unausrottbar sei. Die Empörung der krassen Ungleichbehandlung ist groß.
Treten wir einen Schritt zurück und überlegen, was ist da schief gelaufen?
Alles beginnt damit, dass die Zahnärzte nicht in die weit aufgespannten warmen Arme der ersten akuten Finanzhilfe genommen wurden. Hier war der Geldsegen nach dem beschlossenem Lockdown noch beeindruckend großzügig. Dass Bundesfinanzminister Olaf Scholz das staatliche Füllhorn nun nicht mehr so freigiebig ausschüttet, ist wohl der mittlerweile gigantischen Summe geschuldet, die schon ausgegeben wurde. Auch die für gewöhnlich weniger im Porsche-Verdacht stehenden Heilmittelerbringer wurden in der nun verkündeten Verordnung deutlich geringer bedacht als noch im Referentenentwurf vorgesehen.
Vielleicht lautet das Zauberwort „Oral Health“. Die WHO definiert den Begriff: „Oral health is a key indicator of overall health, well-being and quality of life.“ DGZMK-Präsident Prof. Dr. Roland Frankenberger nennt es das große „M“ in ZahnMedizin und fordert es immer wieder ein. Gerade jetzt. Für Patienten sei es wichtig, sich immunologisch bestmöglich gegen Covid-19 zu wappnen. „Und da gehört der intraorale Status fundamental dazu. Das ist auf keinen Fall zu vernachlässigen“, warnt er. Auch Dr. Jan H. Koch mahnt in seinem Kommentar in dzw 17-18/2020: „Dringend erforderlich erscheint daher ein Wandel vom Zahnarzt zum Facharzt für Oralmedizin.“ Perspektivisch hätte es dann keinen Corona-Sonderweg für Zahnärzte gegeben.
Die aktuelle COVID-19-Verordnung hält nun noch einen letzten Schirm-Hoffnungsschimmer bereit: Das BMG prüft bis zum 15. Oktober 2020 die realen Auswirkungen der Regelungen auf die wirtschaftliche Situation der Vertragszahnärzteschaft.
Doch statt auf diesen Strohhalm zu setzen, beginnen viele Zahnarztpraxen, sich am eigenen Schopfe aus dem Corona-Sumpf zu ziehen.