Die Grippezeit beginnt! Insbesondere ältere Patienten sind durch Influenzaviren gefährdet. Aber auch Schwangere, Kinder und Pflegepersonal sind besonders betroffen. Deswegen raten Experten zur Grippeschutzimpfung.
Im Interview beantwortet Dr. Andreas Leischker, Impfexperte der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) und Chefarzt der Klinik für Geriatrie des Alexianer-Krankenhauses Krefeld, die wichtigsten Fragen zu Influenzaviren.
In der vergangenen Saison kam es zu vielen Influenzaerkrankungen, teilweise mit schweren Verläufen. Aus Sicht eines Krankenhausarztes: Woran liegt das?
Dr. Andreas Leischker: Ja, die letzte Grippesaison hat leider viele Todesopfer gefordert und viele Krankenhäuser an ihre Kapazitätsgrenzen geführt. Die Praxen und Notaufnahmen der Krankenhäuser waren voll mit Patienten, die an echter Influenza erkrankt waren. Aber auch voll mit Patienten, die durch andere Viren an Infekten der oberen Luftwege litten. Es gibt mehr als 200 Viren, die eine Erkältung verursachen können. Fast alle Infekte der oberen Atemwege und auch die meisten Erkrankungen mit dem Influenza-Virus können zum Glück ambulant behandelt werden. Diese Patienten müssen also nicht im Krankenhaus aufgenommen werden.
Wie wird dann eine Influenzainfektion am effektivsten behandelt?
Leischker: Bei jungen und gesunden Menschen, die nicht stationär aufgenommen werden müssen, reicht die Behandlung der Symptome: Ganz wichtig ist ein abschwellendes Nasenspray, damit Sekret aus den Nasennebenhöhlen und dem Mittelohr abfließen kann. Das sollte mindestens viermal täglich angewendet werden, sodass die Nasenatmung immer frei ist.
Warum gilt die Grippe trotzdem als eine unangenehme, aber harmlose Erkrankung?
Leischker: Das ist falsch! Die Grippe ist keine harmlose Erkrankung: Besonders bei alten Menschen und bei Menschen mit chronischen Krankheiten – wie zum Beispiel Diabetes mellitus, Chronisch Obstruktiver Lungenerkrankung, kurz COPD, oder Niereninsuffizienz – kann es zu lebensgefährlichen Komplikationen wie Lungenversagen kommen. Diese Patienten müssen stationär behandelt werden, bei Lungenversagen ist oft eine künstliche Beatmung notwendig. Wir hatten im letzten Winter hier auch viel mehr Herzinfarkte und auch Schlaganfälle zu verzeichnen.
Was haben Herzinfarkte mit Influenza zu tun?
Leischker: Es ist bisher wenig bekannt, aber eine Influenza erhöht das Herzinfarktrisiko erheblich: Während der ersten sieben Tage einer Influenzaerkrankung ist das Herzinfarktrisiko um das 17-Fache erhöht! Und selbst einen Monat nach der Infektion ist das Risiko für einen Infarkt noch deutlich höher als bei Menschen, die nicht erkrankt sind. Schlaganfälle treten im Rahmen einer Influenza häufiger auf. Aber auch umgekehrt: Das Influenzarisiko ist für Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen um 23 Prozent erhöht.
Schützt die Influenzaimpfung vor Herzinfarkten?
Leischker: Ja, definitiv! Und auch vor Schlaganfällen, dies ist mittlerweile auch durch mehrere Studien belegt.
Viele Menschen glauben, durch die Impfung überhaupt erst krank geworden zu sein. Was spricht für diese These?
Leischker: Das hört man häufig, trifft aber nicht zu, denn bei der Influenzaimpfung handelt es sich um einen Totimpfstoff, der nur Bruchstücke der Impfviren enthält. Eine Influenzatotimpfung kann also niemals eine Influenza auslösen. Natürlich können als typische Nebenwirkungen Rötungen, Schmerzen und Schwellungen an der Injektionsstelle auftreten – als Folge der lokalen Antikörperbildung – und klingen innerhalb weniger Tage wieder ab. Auch leicht erhöhte Temperatur sowie leichte Kopf- und Gliederschmerzen gehören zu den typischen Nebenwirkungen einer Influenzaimpfung. Manche verwechseln das mit einer Influenza. Und die Influenzaimpfung schützt lediglich vor Influenza, aber nicht vor den übrigen 200 Erkältungsviren. An einer Erkältung kann natürlich auch kurz jeder nach einer Grippeimpfung erkranken – dafür ist aber nicht die Influenzaimpfung verantwortlich!
Wie genau sehen die Empfehlungen in diesem Jahr aus – und wer übernimmt die Impfkosten?
Leischker: Es sollten alle Personen nur noch mit dem tetravalenten Impfstoff behandelt werden. Das empfiehlt jetzt neben der Ständigen Impfkommission auch der Gemeinsame Bundesausschuss, der unter anderem den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen festlegt. Für die meisten Impfwilligen bedeutet dies, dass keine Kosten auf sie zukommen: Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen jetzt auch die Kosten für den tetravalenten Impfstoff.
Es gibt fitte Senioren, die gerne in der nasskalten Zeit Kreuzfahrten in sonnige Regionen machen. Sollen die auch geimpft werden?
Leischker: Auch die sollten sich unbedingt impfen lassen! Ein Kreuzfahrtschiff ist aus Sicht eines Infektionsepidemologen wie eine Kindertagesstätte für Erwachsene. Genau wie in einer Kita sind dort viele Menschen auf engem Raum zusammen – ideale Voraussetzung für Viren, um sich zu vermehren. In der Vergangenheit kam es zu mehreren Kleinepidemien auf Kreuzfahrtschiffen. Also: Die Grippeimpfung für einen Kreuzfahrer ist ein „Must-have“!
Welche Infektionsrisiken gibt es bei Flugreisen?
Leischker: Die Belüftungsanlagen der Flugzeuge haben Filter eingebaut. Diese entfernen effektiv die Tröpfchen und damit die in ihnen enthaltenen Influenzaviren. Innerhalb des Flugzeugs können Sie sich also nur an den rechts, links und hinter Ihnen sitzenden Mitreisenden infizieren. Und am Kabinenpersonal, wenn einer von ihnen trotz Erkrankung arbeitet. Wenn Sie beim Einchecken oder beim Umsteigen am Flughafen in einer Warteschlange stehen, haben die Influenzaviren eine weitere Chance. Also: Auch bei Flugreisen sollten Sie gegen Influenza geimpft sein!
Wie kann ich mich – außer durch die Impfung – vor Influenza schützen?
Leischker: Influenzaviren werden durch Schmier- und Tröpfcheninfektion übertragen. In der Regel reichen zwei Meter Abstand zu Mitmenschen, um sich nicht anzustecken. Glücklicherweise reagiert das Influenzavirus auf Umwelteinflüsse sehr empfindlich: Es wird zum Beispiel durch Wasser und Seife abgetötet. Zur Prophylaxe reicht es daher aus, die Hände gründlich mit Wasser und Seife zu waschen. Gerade unterwegs ist allerdings nicht immer fließendes Wasser vorhanden. Ich empfehle deshalb, alkoholhaltige Gels zu verwenden. Auch auf der Augenbindehaut befinden sich Rezeptoren für das Influenzavirus. Deshalb sich nicht mit den Händen ins Gesicht fassen, insbesondere nicht in den Augen reiben.