Laut einer repräsentativen Bitkom-Unfrage haben 18 Prozent der Bundesbürger bereits mindestens einmal per Videosprechstunde mit Ärzten und Therapeuten kommuniziert. Ein Boom, den die Corona-Pandemie befördert hat. Gab es 2019 lediglich knapp 3.000 abgerechnete Videosprechstunden in Deutschland, waren es 2020 1,4 Millionen und 2021 mehr als 2,7 Millionen Videosprechstunden. Ein Wachstum von 90.000 Prozent.
Ihre Praxis bietet eine Videosprechstunde an. Wen erreichen Sie damit? Wen wollen Sie erreichen? Gibt es typische Videosprechstunden-Patienten?
Dr. Christopher Schmid: Das Thema der Digitalisierung und die Implementierung digitaler Lösungen im Arbeitsalltag und als Service für die Patientinnen und Patienten sind aus meiner Sicht zukunftstragend und entscheidend für einen erfolgreichen Arbeitsalltag.
Die Offenheit gegenüber diesem Thema sowie auch die Bereitstellung der technischen Möglichkeiten haben Anfang 2020, bedingt durch die Pandemie, einen deutlichen Aufschwung erlebt. So haben auch wir uns neben der Einführung diverser Hygiene- uns Sicherheitsmaßnahmen speziell mit dieser Frage beschäftigt: Wie können wir mit Patientinnen und Patienten in Kontakt bleiben und uns ihrer Fragen und Ängsten annehmen. Die bisherige Erfahrung hat gezeigt, dass besonders ängstliche Patientinnen und Patienten den Service gerne in Anspruch genommen haben.
Können Sie uns kurz einen typischen Ablauf einer Videosprechstunde schildern? Und welche DSGVO-konforme Technik wird benötigt?
Schmid: In der Regel vereinbaren Patienten einen Termin über unser Online-Serviceportal DentNow, der den Patientinnen und Patienten per E-Mail direkt bestätigt wird. Kurz vor dem Termin erhält die Patientin oder der Patient eine Mail mit dem notwendigen Link und Zugangscode, über den sich die Person online einwählen kann.
Der Download einer Software ist nicht notwendig, da es sich um eine Webanwendung handelt. Wir vertrauen dabei auf die Videosprechstundenlösung von Arztkonsultation.de, einem zertifizierten deutschen Anbieter, der auch KBV- und KZBV-zugelassen ist. Somit können wir gewährleisten, dass alle Erfordernisse der DSGVO in der Sprechstunde eingehalten werden.
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Videosprechstunde - Umsatz, Service oder beides?
Im Online-Seminar wird Rechtsanwalt Jens Pätzold auf die Fragestellung eingehen, welche Möglichkeiten bestehen, um rechtssicher die Videosprechstunde in Ihrer Zahnarztpraxis zu etablieren. Weiterhin werden die rechtlichen Rahmenbedingungen, wie mit Datenschutz und Sicherheit umgegangen werden sollte, aufgezeigt.
Die Teilnehmer erhalten ein Teilnahmezertifikat
Inhalt
- Die Videosprechstunde in der Zahnarztpraxis: Was muss bedacht werden?
- Wie rechtssicher ist die Online-Sprechstunde?
- Wie verhalte ich mich datenschutzkonform?
- Wie kann ich die Online-Sprechstunde in meiner Praxis etablieren?
- Welche Themen können online beraten werden?
- Wie mache ich meine Patienten auf dieses Leistungsangebot aufmerksam?
Wie wird dieses Angebot wahrgenommen? Wie häufig genutzt? Hat sich die Nutzung durch Corona verändert?
Schmid: Wir haben festgestellt, dass die Nachfrage zu Beginn der Pandemie und während der jeweiligen Lockdowns deutlich stärker war und in den Monaten geringerer Inzidenz wieder etwas nachgelassen hat. Sicherlich ist diese Beobachtung darauf zurückzuführen, dass in den Köpfen vieler Patientinnen und Patienten die Videosprechstunde noch nicht selbstverständlich ist und gerade bei dem Thema Mundgesundheit, der persönliche Kontakt zu der Zahnärztin oder dem Zahnarzt bevorzugt wird.
Durch die Pandemie hat sich das Bewusstsein der Patientinnen und Patienten für das Thema Telemedizin aber sicherlich gestärkt.
Was kann eine Videosprechstunde leisten? Welche Themenbereiche bieten sich für eine Videosprechstunde besonders an? Wo stößt die Videosprechstunde an ihre Grenzen?
Schmid: Die Videosprechstunde ist in erster Linie ein hervorragendes Kommunikationstool. Die Patienten können, ohne weite Strecken auf sich nehmen zu müssen, in entspannter Umgebung den Erstkontakt zum Spezialisten aufnehmen und sich einen ersten persönlichen Eindruck verschaffen. Gerade für Angstpatienten eignet sich dieser Weg hervorragend.
Wie zuvor erwähnt, ist es der Erstkontakt und nur eine erste Ferndiagnosestellung und zumindest die Bestimmung der Behandlungsdringlichkeit. Sind Patientinnen und Patienten im Besitz eines Röntgenbilds, so kann dieses ebenfalls über Arztkonsultation oder vergleichbare Anbieter geschützt und verschlüsselt verschickt werden.
Hier möchte ich auch auf die tatsächliche Limitation der Videosprechstunde hinweisen. Es ist in der Tat so, dass die Diagnosestellung nur eingeschränkt möglich ist. Die intraorale Befundung muss nach wie vor vor Ort stattfinden, auch wenn es hier erste Lösungsansätze in Form von Intraoralkameras gibt, die den Patienten ein intraorales Bild von zu Hause aus ermöglichen.
Liegen aber die diagnostischen Unterlagen, i.e. intraoraler Befund und Röntgenaufnahmen vor, kann ein Großteil der erforderlichen Kommunikation mit der Patientin oder dem Patienten, nämlich die Darstellung der Behandlungsoptionen, die anfallenden Kosten und der genaue Behandlungsverlauf erfolgen.
Das funktioniert bei uns gut. Bei implantologischen, prothetischen oder kieferorthopädischen Behandlungsbesprechungen mit den Patienten selbst oder im Falle der Kieferorthopäden mit den Eltern, sofern diese bei der Behandlung in der Praxis nicht dabei sein konnten.
Ein weiterer Punkt ist das Besprechen von Heil- und Kostenplänen, wofür die Patienten nicht extra den Weg in die Praxis auf sich nehmen müssen. Dies kommt beiden Seiten zugute. Einerseits können die Patienten das Gespräch zeitersparend in ihrer freien Zeit erledigen und gleichzeitig kann die Verwaltungsmitarbeiterin flexibel, sogar aus dem Homeoffice die Gespräche mit den Patienten führen.
Mit der Videosprechstunde erschließt sich damit für die Zahnarztpraxis der Zugang zum Homeoffice. Sie kann personalsparend außerhalb der Behandlungszeit erfolgen und eröffnet berufstätigen Müttern in unserer Branche die Möglichkeit zum Homeoffice.
Wollen Sie Ihre Angebote in der Videosprechstunde noch ausbauen? In welche Richtung?
Schmid: Neben den oben angesprochenen Anwendungen sehen wir gute Möglichkeiten in der interkollegialen Kommunikation bei Überweisungsfällen, Vereinfachung in der Kommunikation mit dem Fremdlabor und Kurz-Webinaren zu Alltagsthemen, die Patientinnen und Patienten interessieren.
Im gleichen Zuge wird unsere Mitarbeiterin, die sich um die Patientenkommunikation kümmert, diese vermehrt über die Videosprechstunde führen.
Wie sieht es bei der Videosprechstunde mit der Wirtschaftlichkeit aus? Sehen Sie standespolitischen Handlungsbedarf, damit die Videosprechstunde auch eine kassenzahnärztliche Regelleistung wird?
Schmid: Handlungsbedarf besteht in jedem Fall, da es zurzeit nur eine BEMA-Ziffer für die fernmündliche Beratung von Pflegebedürftigen gibt. Ohne eine Änderung in der Gebührenordnung ist es fraglich, ob bei fehlender Honorierung die Zahnärzteschaft langfristig auf diese Variante der Patientenkommunikation setzt.
Grundsätzlich müssen wir jedoch zwei Situationen unterscheiden: zum einen die Patienten als Neupatient/Erstkontakt und andererseits die bestehenden Patienten. Bei Erstkontakten sehen wir die Notwendigkeit von Zahlungsvereinbarungen über Paypal oder Kreditkarte, bei Bestandspatientinnen und -patienten kann die Abrechnung über gängige Positionen oder Zusatzvereinbarungen erfolgen.
Die Vergütung mal außer Acht gelassen, eignet sich die Videosprechstunde aber als gutes Marketingtool, um neue Patienten anzusprechen, Bestandspatienten einen zusätzlichen Service zu bieten und Angstpatienten den ersten Schritt der Kontaktaufnahme und des Kennenlernens zu erleichtern.
Wird die Videosprechstunde in der Zukunft zum zahnärztlichen Alltag gehören?
Schmid: Wir denken ja, einmal wegen des immer wieder angesprochenen Fachkräftemangels, und um auch in unserem Fachbereich die Möglichkeit des Arbeitens im Homeoffice zu schaffen. Gerade für junge Mütter und Väter ist dies ein attraktiver Weg der Arbeitszeitgestaltung.
Vielen Dank
Zur Person
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Meine Zahnärzte ZMVZ | Dr. Christopher Schmid, MBA, M. Sc. |