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Neues Curriculum für Kieferorthopädie

Die Referenten Dr. Chris Köbel und Prof. Dr. Christopher J. Lux (rechts)

Die Referenten Dr. Chris Köbel und Prof. Dr. Christopher J. Lux (rechts)

Mit einer derartigen Resonanz hatte der Gastgeber Prof. Dr. Christopher J. Lux, Ärzticher Direktor an der Klinik für Mund-, Zahn- und Kieferkrankheiten des Universitätsklinikums Heidelberg, nicht gerechnet: Rund 100 Teilnehmer hatten sich zur ersten Veranstaltung des baden-württembergischen Curriculums für Kieferorthopädie zum Thema „Update. Funktionsregler nach Fränkel“ am 23. und 24. Februar 2018 im Universitätsklinikum Heidelberg eingefunden. Obwohl der Kurs nicht über die Landesgrenzen hinaus angekündigt wurde, hatte er neben Weiterbildungsassistenten und Zahntechnikern auch viele „gestandene“ niedergelassene Kollegen angezogen.

Den Beginn der Veranstaltung leitete Prof. Lux mit einem Überblick über die Kieferentwicklung und das Wachstum des Kiefer- und Gesichtsschädels ein. Basierend auf den Erkenntnissen von Donald Enlow betonte er unter anderem, wie wichtig lokale epigenetische Faktoren für die Steuerung der Wachstumsvorgänge im Kiefer-Gesichtsbereich sind. Kenntnisse zu den Hauptmechanismen der kraniofazialen Morphogenese – insbesondere Remodeling (Remodellierung) und Displacement (Verlagerung des Knochens als Ganzes) – seien wichtig für ein Grundverständnis des Funktionsreglers.

Prof. Lux erläuterte das von Prof. Rolf Fränkel und Dr. Christine Fränkel vielzitierte Prinzip „Working with growth“ einschließlich seiner Bedeutung im kieferorthopädischen Konzept der orofazialen Wachstumsbeeinflussung. Er dankte Dr. Christiane Fränkel für die Weitergabe der Prinzipien des klinischen Managements mit dem Funktionsregler. Diese hätten „sein Interesse für diese faszinierende Thematik geweckt“.

Anschließend referierte der in Zwickau in der Praxisnachfolge von Dr. Christine Fränkel niedergelassene Kollege Dr. Chris Köbel über die Historie des Funktionsreglers, auch bekannt unter dem Namen „Fränkelapparatur“. Der von Prof. Rolf Fränkel erstmals Anfang der 1960er Jahre beschriebene Funktionsregler sollte als „Turngerät“ verstanden werden, um abwegige tonische Funktionsmuster zu beseitigen. Die Weitung des orofazialen Funktionsraumes und das Umtrainieren des neuromuskulären Funktionsmusters sind die Hauptziele des Funktionsreglers.

Im weiteren Verlauf der Fortbildung gab Dr. Chris Köbel genaue Anweisungen darüber, wie die Lippenpelotten und Wangenschilde des funktionskieferorthopädischen Gerätes gestaltet werden sollen. Anhand von illustrativen Fallbeispielen erläuterte Dr. Chris Köbel  die Wirkungsweise der Funktionsregler Typ FR-1 und FR-2. Hierbei betonte er, dass auch bei der orofazialen Orthopädie die Grundprinzipien für das Muskeltraining berücksichtigt werden müssen. So darf der Unterkiefer initial nicht zu weit vorgestellt werden. Hierzu passt auch ein langsames Umtrainieren der orofazialen Muskultur durch schrittweise Erhöhung der Tragezeit über mehrere Wochen.

Im Anschluss daran referierte Prof. Lux über die Herstellung und Anwendung des FR-3. Auch hier spiele die klinische Vorbereitung, wie zum Beispiel Konstruktionsbissnahme und Abdruck, eine wichtige Rolle, um die Wirksamkeit des Funktionsreglers zu gewährleisten. Es ist darauf zu achten, dass ein suffizienter Mundschluss erreicht wird, und gezielte Lippenschussübungen sollen die funktionskieferorthopädische Behandlung mit dem FR-3 im Sinne der orofazialen Orthopädie unterstützen. Auch wenn nicht jeder Patient für die Behandlung mit dem Funktionsregler geeignet ist, werde durch den freien Zungenraum der Funktionsregler von den Patienten meist gut akzeptiert, sodass auch hier eine entsprechend hohe Tragezeit erreicht werden kann, sobald das Sprechen mit dem Gerät gut möglich ist.

Zum Schluß ging der Heidelberger Hochschullehrer auf die vor- oder nachgelagerte Kombination des Funktionsreglers mit anderen Klasse III-Apparaturen beziehungsweise Therapieschritten, wie zum Beispiel mit GNE auf Basis einer Kappenschiene oder einer skelettal verankerten Hybrid-Hyrax, Delairemaske beziehungsweise Mentoplate ein. Beeindruckend waren auch seine Fallbeispiele und die wissenschaftlichen Beiträge zur Klasse III Behandlung.

Nicht nur für Weiterbildungsassistenten, sondern auch für routinierte Kieferorthopäden war der Fränkelkurs in Heidelberg eine praxisrelevante Veranstaltung. Parallel dazu wurde für Zahntechniker ein praktischer Kurs zur Herstellung des Funktionsreglers angeboten. Die hohe Nachfrage sowie die vielen positiven Reaktionen nach dem Kurs zeigen, dass Fragen der Funktionskieferorthopädie und der orofazialen Orthopädie nach wie vor einen wichtigen Stellenwert in der Kieferorthopädie haben.

Das freiwillige Curriculum für Kieferorthopädie wurde von Hochschullehrern der vier kieferorthopädischen Universitätsstandorte in Heidelberg, Freiburg, Tübingen und Ulm zusammengestellt. Die Kurse werden künftig quartalsweise in einem Turnus von drei Jahren stattfinden. Die nächsten Termine sind:

  • 20. Juli 2018: Management von Nichtanlagen, Prof. Lapatki in Ulm
  • 1. September 2018: Extraktions- versus Nichtextraktionstherapie, Prof. Rudzki, Kurs unter organisatorischer Leitung von Prof. Koos in Tübingen
  • 26. Oktober2 018: Kinder- und Jugendzahnmedizin: Kieferorthopädie & Prävention im Kindesalter- was & wann ist sinnvoll? Frau Prof. Jung in Freiburg
  • 22. Februar 2019: KFO multidisziplinär: Dysgnathieplanung, Frontzahntrauma, Präprothetik, Prof. Dr. C. J. Lux in Heidelberg.

Informationen zu allen Veranstaltungen werden im Fortbildungskalendarium der LZK BW bereitgestellt und sind auf den Homepages der jeweiligen KFO-Abteilungen verfügbar.

Dr. Claudia Obijou-Kohlhas