Der Winter hatte viele Regionen Deutschlands in diesem Februar fest im Griff. Schnee und Eis behinderten den Verkehr, LKWs durften und konnten nicht weiterfahren, wodurch der Nachschub zum Erliegen kam und Lieferketten unterbrochen wurden. Während es sich dabei um ein absehbar temporäres Problem handelte, gab es zu Beginn der Corona-Pandemie schwerwiegendere Supply-Probleme, insbesondere bei Hygiene- und Desinfektionsmitteln, die die Welt in Atem gehalten haben. dzw-Chefredakteur Marc Oliver Pick und dzw-Redakteurin Brigitte Dinkloh sprachen mit Stefan Heine, Geschäftsführer von Henry Schein Dental Deutschland, über die Erfahrungen im Jahr 2020, die persönlichen Rückschlüsse und Lehren für die Zukunft.
Herr Heine, Sie sind seit Februar 2019, also genau zwei Jahre, Geschäftsführer von Henry Schein Dental Deutschland. Was hat Sie in dieser Zeit am meisten bewegt?
Stefan Heine: Es gibt verschiedene Punkte, die mich bewegt haben: Bei meinem Start bei Henry Schein Anfang 2019 gab es relativ viele Veranstaltungen in kurzer Zeit, angefangen mit unserer nationalen Vertriebsversammlung, der IDS und dem Gründer-Camp, und ich bin in viele Regionen gereist. Für mich war es ein ideales Jahr, um intensiv in die Dentalwelt einzutauchen und viele Kontakte zu Herstellern, Kunden sowie Mitarbeitern – unsere Team-Schein-Mitglieder – knüpfen zu können. Die großen Formate waren am Anfang etwas erschlagend, aber im Rückblick haben sie mir geholfen, sehr schnell einen guten Start in der neuen Herausforderung zu haben. Im Jahr 2020 haben wir daran angeknüpft. Die Führungskräftetagung hat geholfen, den Teamgeist und die Sichtbarkeit unserer strategischen Pläne für alle Team-Schein-Mitglieder zu stärken. Wir sind sehr motiviert gestartet, dann leider sehr schnell und sehr unsanft durch Corona ausgebremst worden, wie sehr viele Unternehmen weltweit. Damit standen wir vor Herausforderungen, die ich so bisher noch nicht erlebt hatte. Im Rückblick ist es erstaunlich, wie schnell die zwei Jahre vergangen sind, und ich habe das Gefühl, schon viel länger bei Henry Schein und in der dentalen Welt unterwegs zu sein.
Sie deuteten es bereits an, das vergangene Jahr war von der Corona-Pandemie geprägt. Wie ist Henry Schein Dental in Deutschland bislang durch diese Krise gekommen?
Heine: Um es vorweg zu nehmen: Wir sind bis jetzt sehr gut durch die Pandemie gekommen. Ich mache das daran fest, dass wir drei zentrale Punkte gemeistert haben. Erstens haben wir als unmittelbare Reaktion auf den Pandemieausbruch dem Schutz unserer Team-Schein-Mitglieder oberste Priorität eingeräumt. Innerhalb kürzester Zeit haben wir ein sehr umfassendes und tragfähiges Hygiene- und Sicherheitskonzept entwickelt und sehr großen Wert auf dessen Einhaltung gelegt. Dort ist unser Verhalten sehr detailliert festgeschrieben, von Mindestabständen in Räumen bis hin zum Verhalten beim Kundenbesuch, wo wir die klare Anweisung geben, wie sich der Techniker in einer bestimmten Servicesituation zu verhalten hat. Mitarbeiter konnten, wo immer möglich, mobil von zu Hause aus arbeiten. Das hat reibungslos funktioniert, nicht nur im Hinblick auf die IT-Infrastruktur, sondern auch im Hinblick auf die Akzeptanz und das Mitwirken unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Zweitens war es für uns von großer Wichtigkeit, weiterhin für unsere Kunden da zu sein. Wir haben wirklich alles unternommen, um in dieser Phase den bestmöglichen Service für unsere Kunden aufrechtzuerhalten. Das war an einer Reihe von Dingen zu bemerken, zum Beispiel an der Erreichbarkeit im Customer-Servicecenter, aber auch bei unserem technischen Dienst, den wir nahezu ohne Einschränkungen in der gewohnten Qualität für unsere Kunden aufrechterhalten konnten. Es war sicherlich hilfreich für unsere Kunden, zu erfahren, dass Kundenorientierung und -nähe bei uns kein Lippenbekenntnis ist, sondern wir auch unter der Belastungsprobe einer Pandemie daran festhalten.
Drittens haben wir es trotz aller Herausforderungen geschafft, unseren Weg weiter zu gehen, das strategische Wachstum nachhaltig umzusetzen und auszubauen. Wir haben unser Team in Kassel verstärkt, das neue Dental Information Center (DIC) Ettlingen in der Nähe von Karlsruhe eröffnet, und wir haben in dieser Pandemiesituation mehr als 100 Kollegen neu eingestellt. Damit sind wir der klaren Richtung gefolgt, dass wir in Regionen wachsen möchten, wo wir bislang unterrepräsentiert waren. Diese Umsetzung in der gegenwärtigen Situation spricht für das Team und für Henry Schein insgesamt: Wir lassen uns nicht von unseren langfristigen Zielen abbringen, auch nicht in einer Krisensituation.
Zu Pandemiebeginn hatte Henry Schein mit Lieferengpässen bei persönlicher Schutzausrüstung und Desinfektionsmitteln zu kämpfen. Wie konnten Sie diese Schwierigkeiten beheben und wie groß ist aktuell die Nachfrage nach diesen Produkten?
Heine: Da sprechen Sie einen wichtigen Punkt an, die Lieferengpässe bei der PSA, die vorher niemand für möglich gehalten hätte. Wie wichtig diese Artikel sind, wurde erst deutlich, als sie nicht mehr verfügbar waren. Es ist eine globale Herausforderung, die Verfügbarkeit dieser Produkte aufrechtzuerhalten. Als großer Player im Geschäft mussten wir abwägen, an welcher Stelle wir bereit sind, Kompromisse einzugehen. Was ist wichtiger: die schnelle Verfügbarkeit oder die Einhaltung von Qualitätsstandards? Wir bei Henry Schein haben im Sinne unserer Kunden die klare Entscheidung getroffen, nicht von unseren Qualitätsstandards abzuweichen. Das hat den Engpass zunächst sicher noch verschärft. Und es war eine Kraftanstrengung, die Qualitäts- und regulativen Anforderungen in dieser Situation einzuhalten, aber es war die richtige Entscheidung. Henry Schein konnte hier seine ganze Stärke mobilisieren, um den dauerhaften Warenfluss mit gesicherten und qualifizierten Produkten zu garantieren.
Wie wirkt sich die Bund-Länder-Verordnung vom 19. Januar zum Tragen medizinischer Masken in gewissen Bereichen der Öffentlichkeit auf die Nachfrage aus?
Heine: Die neue Verordnung hat zu einer generellen Belebung der Nachfrage geführt. Für unsere Kunden gehören medizinische Masken zur Standardschutzausrüstung, sodass wir da keinen unmittelbaren Nachfrageanstieg sehen. Insgesamt ist das Thema Hygiene und PSA sehr viel stärker in den Fokus gerückt. Henry Schein ist auf globaler Ebene Mitgründer des Pandemic Supply Netzwerkes (PSCN) für sichere und stabile Lieferketten weltweit, und wir nehmen in diesem Bereich eine federführende Rolle ein. Die starke Produktionsfokussierung auf einzelne Länder hat sich als problematisch erwiesen. Die richtige Mischung von Herstellern und Herstellerorten rückt jetzt stärker in den Fokus, es zählt nicht mehr allein der Preis. Der Engpass in der Produktion der PSA war ein Weckruf, doch einiges zu überdenken.
Sind die Preise aufgrund der stärkeren Nachfrage erneut angezogen?
Heine: Wenn man die aktuellen Preise mit denen vor der Pandemie vergleicht, dann sind sie nachhaltig gestiegen, und das wird sich auch weiter fortsetzen. Allerdings sind die Preise aktuell nicht auf dem Niveau der ersten Hochphase im vergangenen Frühjahr. Es ist ein sehr volatiles Geschäft, weil die Produktion von vielen Faktoren abhängt, die schwer vorhersehbar sind. Ich kann Ihnen aber versichern, dass Henry Schein die volatilen Preise nicht ausnutzt, um kurzfristige Profite zu generieren, sondern es geht uns um eine sichere Versorgung.
Wie groß ist die Nachfrage nach Antigen-Schnelltest?
Heine: Antigen-Schnelltests haben wir im Programm, und wir sehen bei den Zahnärzten ein gewisses Interesse, aber vorwiegend für den Eigenbedarf, um Mitarbeiter in der Praxis testen zu können. Es bleibt abzuwarten, ob sich das noch ändert. Wir sind gerüstet für den Fall, dass die Nachfrage steigt.
Anfang 2020 gab es gerade im privatärztlichen Bereich viele Einbußen. Inwieweit konnten Sie Ihre Kunden wirkungsvoll unterstützen? Welche Leistungen von Henry Schein wurden von Ihren Kunden besonders nachgefragt?
Heine: Am Anfang waren wir alle von der Situation überrascht, und es hat eine Weile gedauert, bis sich Zahnärzte und Labore auf die Situation eingestellt hatten. Daraus sind viele Anforderungen an uns erwachsen. Es ging nicht nur darum, die Praxen am Laufen zu halten und technischen Service zu bieten, sondern auch um Patientenansprache, Liquidität, Zertifizierungen und vieles mehr. Wir haben auf die vielfältigen Fragen zum Teil mit neuen Formaten geantwortet. So konnten wir unseren Kunden in der Patientenansprache helfen oder bei Umsatzrückgängen zu Förderprogrammen beraten. Die Kunden haben Fragen an uns herangetragen, die wir vorher nicht kannten.
Sie legen großen Wert auf einen Rundum-Support, seit Ende 2020 bieten Sie auch Serviceverträge für Praxen und Dentallabore an. Was genau bieten Sie an?
Heine: Der Zahnarzt von heute möchte sich darauf verlassen können, dass sein Betrieb reibungslos funktioniert, ohne dass er sich viel kümmern muss. Das erfordert von uns als Serviceanbieter gewisse Strukturen, die wir vorhalten müssen. Ein Service-Versprechen ist schnell gegeben, das Einhalten des Versprechens ist aber weitaus schwieriger. Hinter unserem Versprechen steht ein ganzes Konzept: Liegt an einem wichtigen Gerät ein akuter Defekt vor, bekommen die Kunden in etwa 95 Prozent der Fälle am selben oder nächsten Tag Besuch von einem Techniker. Das funktioniert deshalb so gut, weil bei uns mehr als 400 Techniker tagtäglich im Einsatz sind. Aber auch aus der Ferne können wir schnell und kurzfristig Abhilfe schaffen, zum Beispiel mit dem „Technik-Flüsterer“. Dabei setzen wir auf Erklärvideos, sodass das Praxisteam kleinere Probleme selbst beheben kann. Aber es gehört natürlich noch viel mehr dazu: Bei einem umfassenden Servicepaket muss man sehr schnell in der Lage sein, Leihgeräte zur Verfügung zu stellen, um Austausch leisten zu können. Dabei haben wir große Schritte nach vorne gemacht, gerade auch im letzten Jahr. Wir fokussieren beim Thema Serviceverträge insbesondere bei CAD/CAM. Wir bauen unseren Service konsequent weiter aus. Wir haben die „Connect Dental Hotline“, den Leihgeräteservice und Service- sowie Wartungsverträge, die genau dieses Thema abdecken. Dazu nutzen wir unsere Strukturen im Hintergrund, um das für unsere Kunden auch wirklich leisten zu können
Wie arbeiten Vertrieb und Service in Zeiten der Kontaktbeschränkung?
Heine: Natürlich gibt es Einschränkungen, weil es ja das Alltagsgeschäft, wie man es kennt, nicht mehr gibt. Aber wenn ein Kunde unseren Außendienstmitarbeiter sehen will, so ist dies weiterhin möglich unter Einhaltung der Hygieneregeln. Und im Umkehrschluss heißt das auch, wenn der Kunde es nicht möchte, suchen wir ihn auch nicht auf. Da hat jeder seine Präferenzen, und die Lücke, die durch die Kontaktbeschränkungen entstanden ist, haben wir über digitale Kanäle kompensiert. Und das durchaus erfolgreich, wir finden immer einen Weg, unsere Kunden dort zu unterstützen, wo sie uns brauchen. Wir füllen unser Versprechen mit Leben, immer für unsere Kunden da zu sein, in welcher Form auch immer er mit uns in Kontakt treten will …
… was bei Altkunden sicher funktioniert. Aber wie gehen Sie auf potenzielle Neukunden zu, jetzt, wo so viele Messen abgesagt oder verschoben wurden?
Heine: Messen waren in der Vergangenheit eine Option für die Neukundenakquise, wobei diese Formate ja auch schon vor Corona vor Herausforderungen standen. Mit Ettlingen haben wir jetzt insgesamt zehn DIC in Deutschland, sodass wir eine eigene Infrastruktur für Ausstellung und direkte Beratung haben. Diese nutzen wir, um Produkte zu demonstrieren und Neukunden zu gewinnen. Natürlich nutzen wir auch digitale Möglichkeiten, um auf Neukunden zuzugehen. Was uns aus meiner Sicht aber vielmehr geholfen hat, ist die Mundpropaganda unserer zufriedenen Kunden. In der Pandemie wurden die Stärken von Henry Schein deutlich. Deshalb konnten wir auch gerade in dieser Zeit viele neue Kunden gewinnen. Viele Labore und Praxen haben gemerkt, wie wertvoll funktionierende und belastbare Strukturen auf Anbieterseite sind. Hier hat sich die Spreu vom Weizen getrennt.
Digitale Fortbildungsformate erleben gerade einen wahren Boom. Inwieweit bedient Henry Schein Dental auch diese Nachfrage, und was wird davon am Ende der Pandemie bleiben?
Heine: Meiner Meinung nach werden sich die Fortbildungen verändern. Das Digitale wird das Analoge nicht komplett verdrängen, aber es wird in Zukunft viel mehr Hybridmodelle geben. Die Entwicklung digitaler Fortbildungsformate ist nicht frei von Herausforderungen: Man muss die Technik beherrschen, relevante Themen anbieten, und man muss die Dinge so anbieten, dass sie auch digital die gewünschte Wirkung entfalten. Wir haben dazu eine klare Sicht im Unternehmen, nicht nur hier in Deutschland, sondern auch auf europäischer und globaler Ebene. Das Dentology-Symposium Ende Januar war eine sehr erfolgreiche europäische Veranstaltung, die die Kompetenz von Henry Schein in der digitalen Zahnmedizin unterstreicht und zeigt, dass sich unsere Kunden auf uns verlassen können. Das zahlreiche positive Feedback sowohl der Teilnehmer als auch der Referenten beweist, dass wir mit dem Symposium den Nerv der Zeit getroffen haben. Wir müssen Formate entwickeln, die eine hohe Relevanz haben. Das erfordert einige Investitionen. Der direkte Kontakt zwischen unseren Mitarbeitern und den Kunden wird aber auch in Zukunft eine zentrale und entscheidende Rolle spielen. Und nicht zuletzt deshalb haben wir uns mitten in der Pandemie dazu entschlossen, ein zehntes (DIC) zu eröffnen. Dienstleistung lebt von direktem Kontakt, aber das allein wird nicht mehr reichen. Die richtige Mischung von beidem wird in Zukunft entscheidend sein. Die digitalen Angebote haben durch Covid-19 eine neue Dynamik bekommen, die vorher niemand für möglich gehalten hätte. Und unser Team hat es geschafft, auf diese neuen Anforderungen zu reagieren.
Planen Sie nach dem erfolgreichen vergangenen Jahr bereits für das 90. Jubiläum im kommenden Jahr?
Heine: In der Bilanz können wir bei Henry Schein sehr stolz sein auf das, was wir geleistet haben und wie das von den Kunden wahrgenommen wurde. Für mich persönlich war es ein Ausnahmejahr, aber auch ein sehr erfüllendes, weil ich gemerkt habe, in welcher starken Struktur ich bei Henry Schein arbeiten darf und wozu dieses Team innerhalb kürzester Zeit fähig ist. Im Jahr 2022 wird Henry Schein in der Tat 90 Jahre alt. Das riecht nach Party. Ich weiß noch nicht, was geplant ist, wenngleich ich natürlich hoffe, dass wir einen Grund zum Feiern haben werden. 90 Jahre sind in unserem Business keine Selbstverständlichkeit, zeigt aber auch die starke Kontinuität und Innovationskraft von der Spitze des Unternehmens bis hin zum einzelnen Mitarbeiter.
Zur Person
Stefan Heine ist seit Februar 2019 Geschäftsführer der Henry Schein Dental Deutschland. Begonnen hat Heine seine Karriere im Marketing und Vertrieb bei der Henkel AG & Co. KGaA, in den vergangenen 15 Jahren war er in leitender Funktion in der Pharmabranche (McKesson Europe und Celesio) tätig, worin er eine schöne Parallelität zu den Ursprüngen seines heutigen Arbeitgebers sieht. Das heute weltweit tätige Unternehmen wurde 1932 von Henry Schein in New York als Apotheke gegründet. In Deutschland beschäftigt Henry Schein Dental aktuell insgesamt 1.800 Mitarbeiter, wobei die meisten im technischen Dienst tätig sind. Henry Schein wird dieses Jahr das 20. Jahr in Folge auf der Fortune-Liste der „World’s Most Admired Companies 2021“ aufgeführt und nimmt zudem zum dritten Mal in Folge den ersten Platz in der Kategorie Großhändler: Gesundheitswesen ein.