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„Implantat raus – was nun?“: Verlustursachen und Risikofaktoren

Dr. Markus Tröltzsch sprach auf der Geistlich-Konferenz zum Thema „Implantat raus – was nun? – Reparatur-Chirurgie bei nicht erhaltungswürdigem Implantat“.

Auf der 5. Geistlich Konferenz in Baden-Baden sprach Dr. Dr. Markus Tröltzsch zum Thema „Implantat raus – was nun? – Reparatur-Chirurgie bei nicht erhaltungswürdigem Implantat“. Ein großer Teil seiner Ausführungen widmete sich Risikofaktoren und Verlustursachen sowie der Vermeidung eines Implantatverlustes.

Der MKG-Chirurg, Oralchirurg, Spezialist für komplexe Augmentationschirurgie und Vorsitzende der Akademie Praxis und Wissenschaften (APW) der DGZMK teilte seinen Vortrag in drei Themenkomplexe: den Verlustursachen, was man retten könne und was nicht, sowie verschiedenen Strategien im Umgang damit.

„Was passiert, wenn wir ein Implantat nicht erhalten können? Das Thema könnten wir auch anders benennen, nämlich: Pleiten, Pech und Pannen, und was machen wir damit?“, erklärte der Referent und widmete sich zunächst den Verlustursachen. Dabei sei es essenziell, sich die Risikofaktoren anzuschauen. Vier Hauptursachen habe Prof. Lisa J. A. Heitz-Mayfield in ihrer Studie zu Periimplantitis von 2008 bereits hinreichend dargelegt und klar definiert: Es seien schlechte Oralhygiene, das Rauchen, die vorbestehende Geschichte einer Entzündung und der Diabetes, die Probleme bereiteten.

Hauptgründe für Fehlschläge: Incompliance des Patienten

Der medizinische Bereich sei immer wichtiger, das zeigten weitere Studien etwa zu Bruxismus, Kieferorthopädie, Medikamenten – insbesondere Antidepressiva –, neuere Studien über den Einfluss von Protonenpumpen oder Bestrahlungen antiresorptiver Entzündungen. „Das wussten Sie alles schon“, sagte Tröltzsch. „Aber die Bedeutung haben wir am Anfang häufig nicht richtig eingeschätzt.“ Habits seien zudem ganz entscheidend für Erfolg oder Misserfolg eines Implantats. „Einer der Hauptgründe für meine Fehlschläge in der Implantatchirurgie ist Incompliance des Patienten“, betonte Tröltzsch. „Nicht vernachlässigen dürfen wir allerdings die Faktoren, die uns selbst betreffen: Wir sind einer der großen Risikofaktoren in diesem Spiel.“

Welche Implantate sind nicht zu retten? „Wenn das Ding nicht schmerzhaft ist, nicht putride und sich frei um die eigene Achse drehen lässt, haben wir keine klinischen Parameter, an denen wir das festmachen können“, sagt Tröltzsch. So sei es letztlich eine Entscheidung zwischen Arzt und Patient, ob versucht werden soll, das Implantat zu retten. Aktuell gäbe es nichts wissenschaftlich Belegtes, womit man die Periimplantitis bekämpfen könne. „Es gibt verschiedene Ansatzpunkte, die wir verfolgen können, die auch sicherlich Erfolge zeigen können, aber das eine Verfahren haben wir noch nicht gefunden“, erklärte der Kieferchirurg. „Dementsprechend müssen Sie mit dem Patienten zusammen entscheiden, macht ein Rettungsversuch Sinn oder sind wir beim Entfernen des Implantats? Und in nicht ganz wenigen Fällen sind wir beim Entfernen.“

Ridge Preservation: Defektbiologie und Fähigkeit des Chirurgen entscheidend

Wenn man die Optionen gegeneinander abwäge, also vom reinen Entfernen des Implantats – dies berge wenig intrinsische Komplikationsmöglichkeiten – über den Erhaltungsversuch bis hin zur Augmentation des Kieferkamms, werde der Aufwand immer größer, die Erfolgsmöglichkeiten wüchsen, aber ebenso die zum Misserfolg. „Und Ihr Planungsaufwand steigt und auch der finanzielle Aufwand für den Patienten, das darf man nicht verschweigen.“ Dazu käme ein sinkendes Regenerationspotenzial, bei steigendem Anspruch sowohl an das Material, an die Fähigkeiten des Chirurgen und schließlich auch an die Mitarbeit und Compliance des Patienten.

Bei der Ridge Preservation sei es grundsätzlich so, dass Defektbiologie und Fähigkeit des Chirurgen hier entscheidend seien, insbesondere, wenn es sich um infizierte Areale handele. Bei Anwendung einer großen Technik in einem vorinfizierten Bereich müsse man mit Komplikationen rechnen. Dazu würden noch in diesem Jahr einige Fallstudien publiziert. 

Tröltzschs Praxistipp: Was man nicht machen solle, sei einen Block mit einem Resorptionsschutz zu kombinieren. Auch wenn es in unzähligen Literaturstellen beschrieben sei, es überforderr das biologische System. Dr. Markus Tröltzsch: „Das ist keine Technik, die klinisch funktioniert.“
Eine der häufigsten Fragen sei: Warum hat meine Ridge Preservation nicht geklappt, liegt es am Material? Das, was häufig schiefginge, sei jedoch laut Tröltzsch die Unterscheidung, ob ein vollwandiger Defekt vorläge oder bereits ein knöcherner Defekt. Beim vollwandigen Defekt (Grafik, links) reiche es, entsprechendes Material mit Kollagenanteil in diesen Defekt zu setzen. „Wenn bereits ein knöcherner Defekt vorliegt, reicht der Einsatz des bovinen partikulären Materials nicht aus, sondern Sie müssen es mit einer Membran kombinieren“, so der Referent.

Grafik Tröltzsch Defektbiologie

Für eine gelungene Ridge Preservation gilt es unbedingt diese beiden Fälle unterscheiden
zu können: ob ein vollwandiger Defekt (l.) vorliegt oder bereits ein knöcherner.

Zudem sollte der Diabetes nicht unterschätzt werden. Als häufigste Stoffwechselstörung sei er der häufigste Grund für Probleme – vor Radiatio und vor Bisphosphonaten. Deshalb sei es geraten, vor Implantationen, vor Augmentationen immer beim Patienten den HbA1c-Wert abzufragen, der nicht über 7,5 liegen sollte. „Wenn der Patient den nicht weiß, geht bei mir sofort ein rotes Licht an, denn jeder gut eingestellte Diabetiker kennt seinen HbA1c.“

Um medizinische Störfaktoren auszuschließen oder zu minimieren, aber auch um sich rechtlich abzusichern, habe man Checklisten für die Praxis entwickelt. Am besten bei der OP-Aufklärung noch einmal mit dem Patienten eine Anamnese-Checkliste durchgehen, so könne man sicher sein, bei Komplikationen nicht mit möglicherweise veralteten Angaben dazustehen. „Wenn der Anamnese-Bogen älter ist als sechs Monate, und es kommt zum Prozess, sind Sie erledigt“, warnt Tröltzsch.  

Tröltzschs Zusammenfassung plus Entscheidungsleitfaden:

  • Solange Sie nur entfernen, ist das einzige, was Ihnen wirklich Kopfschmerzen machen kann, die Compliance des Patienten.
  • Wenn Sie auf ein Erhaltprotokoll aussind, also auf ein Ridge-Preservation-Protokoll gehen, und Sie stufen sich selber von der chirurgischen Erfahrung her eher im Mittelfeld ein, dann würde ich vorschlagen, dass Sie sich auf wenige Risikofaktoren beschränken. Wenn Sie erfahrener sind, können Sie auch bei schwierigeren Patienten Erhaltprotokolle ansetzen, wenn Sie das Weichteilmanagement beherrschen!
  • Wenn Sie augmentieren wollen, dann müssen Sie verrückt sein, dann können Sie sich auch an die kritischen Fälle wagen – oder Sie nehmen sich gesunde Patienten mit wenig Risikofaktoren und haben dann gute Aussichten, dass das Ganze klappt.
  • Gewöhnen Sie sich auch zusätzlich zur Anamnese an, die Erwartungen des Patienten abzufragen. Das Management der Erwartungen des Patienten ist heutzutage genauso wichtig wie Ihre chirurgische Fähigkeit.

 

Drei Fragen an …

Gibt es ein Standardvorgehen, wenn ein Implantat entfernt werden muss?
Dr. Markus Tröltzsch: Nein. Es muss situationsorientiert mit dem Patienten nach dessen Wünschen, Defektart, Infektionsstatus und auch dem Können des Chirurgen entschieden werden.


Welchen Vorteil hat die simultane Augmentation mit der Implantatentfernung?
Tröltzsch: Der Vorteil ist, dass das vorhandene Gewebe optimal erhalten werden kann sowie gegebenenfalls ein später gut verformbarer Zustand hergestellt wird. Und wenn das Vorgehen erfolgreich ist, erspart man zudem dem Patienten einen Sekundäreingriff.

Warum augmentiert man dann nicht immer gleich mit einem Gitter, wenn man ein Implantat entfernt?
Tröltzsch: Nicht immer ist es aufgrund der Defektgeometrie nötig, in einigen Fällen werden auch kleinere Techniken der Ridge Preservation ausreichen. Bei Infektionen ist das Vorgehen kritisch zu sehen, wir sind da zurückhaltend, obwohl wir in Einzelfällen positive Erfahrungen gemacht haben.

Annette Schröder