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Erfolgreiches Duo: Alloschalentechnik und augmentatives Relining
Dr. Robert Würdinger

Dr. med. dent. Robert Würdinger ist ausgebildeter Rettungsassistent, Zahnarzt sowie Fachzahnarzt für Oralchirurgie. Mit den Schwerpunkten Oralchirurgie, Parodontologie, Implantologie und 3D-Diagnostik betreibt er seit 2013 ein Fachzentrum (Überweisungspraxis) in Marburg.

Eine Vielzahl der implantologischen Fälle gestaltet sich komplex, weil sie zusätzlich einen Aufbau des Kieferknochens erfordern [7]. Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis belegen, dass es inzwischen sehr gute Alternativen zur Knochenblocktransplantation gibt. Der vorliegende Patientenfall einer Rehabilitation im Frontzahnbereich macht deutlich, wie sich die erweiterte klassische Schalentechnik nach Professor Dr. Fouad Khoury erfolgreich mit dem Verfahren des augmentativen Relinings unter dem Einsatz von bovinem und allogenem Knochenersatzmaterial (KEM) kombinieren lässt. So entsteht eine optimale Situation für die anschließende prothetische Versorgung mit Implantaten.

Bei komplexen Fällen bietet es sich an, die klassische Schalentechnik um ein zusätzliches Verfahren, das augmentative Relining (auch Delayed Relining Technique), zu erweitern. So gelingt es, bereits stattgefundene Resorptionsprozesse auszugleichen oder nachfolgende Resorptionserscheinungen deutlich zu senken.

Die Schalentechnik wurde ursprünglich als Alternative zu klassischen Knochenblockaugmentation entwickelt und vereint die Transplantation von autologem Knochen mit gesteuerter Knochenregeneration [4, 13]. Durch die Schalung des atrophierten Bereichs mit Knochenscheiben wird eine neue Kontur des Alveolarfortsatzes erreicht. Dabei entsteht ein geschützter Hohlraum, der mit Knochenspänen aufgefüllt wird. So kann der Bereich vor dem Einbringen der Implantate gezielt regenerieren [4]. Auch wenn in diesem Arbeitsbereich der autologe Knochen immer noch als Mittel der Wahl gilt, lässt sich hierfür auch allogener Knochen erfolgreich verwenden.

Dabei gilt der humane Spenderknochen, nach strengen Richtlinien aufbereitet, als ebenso sicher wie ein Arzneimittel [8]. Wissenschaftliche Untersuchungen kommen zu dem Schluss, dass der Erfolg der Regeneration des Kieferkamms nach dem Einsatz von autologen oder allogenem Knochen im Endergebnis vergleichbar ist [1, 6, 10, 11, 16].

Relining mit volumenstabilem KEM

Etwa vier Monate nach Schalung des atrophierten Bereichs ist das Knochengrundgerüst wieder soweit aufgebaut, dass im nächsten Schritt das augmentative Relining erfolgen kann. Im Zuge der Implantatinsertion wird nun eine einzige Schicht bovines Knochenersatzmaterial auf den neu aufgebauten Knochen gesetzt und mit einer schützenden Kollagenmembran abgedeckt (zum Beispiel XenoGraft, Jason membrane, BLT-Implantate, Straumann Group). Diese Maßnahme spricht erfahrungsgemäß sehr gut auf den darunter liegenden Knochen an, dessen regenerativer Auf- und Umbau noch bis zu zwei Jahre andauern kann [14].

Die Alloschalentechnik kommt vor allem bei Patienten mit Knochenatrophie zum Einsatz, die keine Entnahme des eigenen Knochens möchten oder wenn an der Linea obliqua bereits eine Entnahme erfolgt und eine zusätzliche nicht mehr vertretbar ist. Schnellheilende Allografts wie Maxgraft eignen sich hierfür besonders gut. Beim nachfolgenden Relining-Verfahren lohnt es sich, auf das volumen- und resorptionsstabile XenoGraft in Kombination mit einer schützenden Kollagenmembran (Jason membrane) aus porzinem Perikardium zu setzen (alle Produkte Straumann Group). Das bovine Knochenersatzmaterial wurde direkt für die intraossäre und periimplantäre Knochenregeneration sowie für Extraktionsalveolen, Ridge Preservation und Sinusbodenelevation entwickelt. Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen die sehr guten Ergebnisse [3, 5, 12].

Die ossäre Integration wird hierbei durch das knochenähnliche Kalzium-Phosphat-Verhältnis und die unterschiedlichen Porengrößen nachweislich unterstützt, die hohe Porosität erleichtert die Zellmigration. Mithilfe einer chemisch-thermalen Behandlung wurden die bovinen Lipide und Proteine aus dem Material entfernt und XenoGraft ausgiebig getestet, um Antigenität zu eliminieren. Die begrenzte Resorption des Biomaterials bietet eine erhöhte Stabilität und damit die sichere Basis für eine langfristige Weichgewebsunterstützung [15]. Darüber hinaus freut den Anwender das Handling: Es fühlt sich naturbelassener als hoch gesinterte Materialien an, hält während der Applikation kompakt zusammen und kommt dem bekannten Produkt Geistlich Bio-Oss sehr nahe.

Die kombinierte Augmentationsmethode vereint viele Vorteile: Sie ist minimal-invasiv, weniger aufwendig und verkürzt die Operationszeit. Dabei schrumpft das allogene Transplantat deutlich weniger und es bestehen keine Risiken für Komplikationen an der Entnahmestelle sowie Infektionen, Hämatome oder Schwellungen [2, 9]. Darüber hinaus lassen sich nicht nur sehr gute ästhetische Ergebnisse (zum Beispiel im Frontzahnbereich) erzielen, auch für die Versorgung komplexer Situationen im Seitenzahnbereich hat sich die Methode inzwischen etabliert.  

Fallbericht  

Ein männlicher Patient (64) ohne anamnestische Auffälligkeiten wünschte sich eine festsitzende ästhetische Lösung für den Frontzahnbereich. Im Anschluss an die klinische Untersuchung wurde die knöcherne Situation mithilfe einer 3D-DVT-Röntgenaufnahme beurteilt. Hier zeigte sich ein ausgeprägtes horizontales Knochendefizit, was eine Implantation in korrekter prothetischer Lage nicht zuließ (Abbildung 1).

Wuerdinger Abb1 Knochendefekt

Abb. 1: Darstellung des Knochendefekts

Deshalb fiel die Entscheidung auf ein zweizeitiges Vorgehen mit vorheriger Knochenaugmentation in Schalentechnik und späterer Implantation von zwei konischen BLT-Implantaten (Straumann Group) mit augmentativem Relining: Der Patient entschied sich nach ausführlicher Beratung und Vorstellung der alternativen Augmentationsmöglichkeiten für die Verwendung allogener Kortikalisplatten und Granulate (Maxgraft spongiosa, Straumann Group), wie die Abbildungen 2 bis 4 dokumentieren.

Nach einer Einheilphase von vier Monaten wurden im Bereich des aufgebauten Knochens zwei konische BLT-Implantate (Länge: 12 mm Ø 4,1 mm) gesetzt (Ausgangssituation siehe Abbildung 5). Zuvor erfolgte eine Glättung der aufgebauten Oberfläche. Zudem kamen für die korrekte prothetische Positionierung der Implantate speziell gefertigte Orientierungsschablonen zum Einsatz, anschließend wurden die Implantate für eine verschraubte Brücke gesetzt (Abbildung 6).

Die Abbildungen 7 bis 8 dokumentieren das augmentative Relining zum Schutz vor Resorption und zur Konturaugmentation. Dabei wurde auf den neu aufgebauten Knochen eine Schicht bovines Knochenersatzmaterial (XenoGraft, Straumann Group) aufgetragen und mithilfe einer Kollagenmembran (Jason membrane, Straumann Group) konturiert und vernäht. Diese Überaugmentation gibt dem Behandler nicht nur die Möglichkeit, die Konturen noch einmal zu justieren. Es treten hier erfahrungsgemäß bei der Implantatfreilegung auch weniger Weichgewebsdefizite auf. Gerade im Frontzahnbereich ist eine möglichst große Volumenstabilität für das ästhetische Ergebnis von großer Bedeutung.  

Abbildung 9 dokumentiert die Freilegung mit kombinierter apikaler Lappenverschiebung und Interposition eines freien Tubertransplantats. Abbildung 10 zeigt die Situation vier Wochen nach dem Eingriff unter vorangegangenem Einsatz von individuellen Gingivaformern. Das gelungene Behandlungsergebnis nach Alloschalentechnik, augmentativem Relining, Implantation und prothetischer Versorgung (Brücke) zeigen die Abbildungen 11 und 12.

Fazit für die Praxis

Die Kombination dieser zwei bewährten Augmentationsverfahren nimmt in der Praxis des Autors inzwischen den Stellenwert des neuen Goldstandards in der Augmentationschirurgie im Front- und Seitenzahnbereich ein. Dank der angewendeten Schalentechnik gelingt es, die Knochenresorption zwischen Augmentation und Implantation gegenüber dem Einsatz von monokortikalen Knochenblocktransplantaten deutlich zu reduzieren.

Bei dieser Technik sorgt die Überaugmentation mit bovinem Knochenersatzmaterial und resorbierbarer Membran sogar für einen Knochengewinn – verglichen mit dem Volumen nach der Augmentation. Auch wenn die Resorptionseigenschaften allogener Materialien jenen von autologem Knochen eigentlich nachstehen, lässt sich beim Relining im Frontzahnbereich oftmals ein ästhetisch optimaleres Ergebnis im Hart- und Weichgewebe beobachten.

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass die Anwendung der Schalentechnik mit rein allogenem Knochenersatzmaterial (kortikale Platte und spongiöses Granulat) der klassischen autologen Methode ebenbürtig ist [9, 16]. So eröffnet der Einsatz allogener Kortikalisplatten dem erfahrenen Chirurgen die Möglichkeit, atraumatischer und patientenfreundlicher an einen komplexen Fall heranzutreten.

Dr. Robert Würdinger


Dr. med. dent. Robert Würdinger ist ausgebildeter Rettungsassistent, Zahnarzt sowie Fachzahnarzt für Oralchirurgie. Mit den Schwerpunkten Oralchirurgie, Parodontologie, Implantologie und 3-D-Diagnostik betreibt er seit 2013 ein Fachzentrum (Überweisungspraxis) in Marburg. Darüber hinaus ist Dr. Würdinger als nationaler und internationaler Referent im Bereich „Augmentative Verfahren in der Implantologie“ gefragt. Kontakt: info@dr-wuerdinger.de

 

Literatur

[1] Al-Abedalla K et al.: Bone augmented with allograft onlays for implant placement could be comparable with native bone. J Oral Maxillofac Surg 2015, 73 (11), 2108-2122.
[2] Jacotti M et al.: Posterior atrophic mandible rehabilitation with onlay allograft created with CAD-CAM procedure: a case report. Implant Dent 2014, 23 (1), 22-8.
[3] Hieu PD et al: A radiographical study on the changes in height of grafting materials after sinus lift:  a comparison between two types of xenogenic materials. J Periodontal Implant Sci 2010, 40:25-32.
[4] Khoury F, Hanser T: Three-Dimensional Vertical Alveolar Ridge Augmentation in the Posterior Maxilla: A 10-year Clinical Study. Int J Oral Maxillofac Implants 2019, 34 (2), 471-480.
[5] Kim YT et al.: Periodontal Repair on Intrabony Defects treated with Anorganic Bovine-derived Xenograft. J Korean Acad Periodontol 2007, 37(3), 489-496.
[6] Kloss FR et al.: Comparison of allogeneic and autogenous bone grafts for augmentation of alveolar ridge defects-A 12-month retrospective radiographic evaluation. Clin Oral Implants Res 2018, 29 (11), 1163-1175.
[7] Knöfler W et al.: Retrospective analysis of 10,000 implants from insertion up to 20 years – analysis of implantations using augmentative procedures. Int J Implant Dent 2016, 2 (1), doi: bit.ly/3jUuZw6
[8] Pecanov-Schröder A: Allogene Transplantate: sicher wie Arzneimittel. IJ 2017, 12, 56-9.
[9] Peck MT: Alveolar ridge augmentation using the allograft bone shell technique. J Contemp Dent Pract 2015, 16 (9), 768-773.
[10] Rudolf F et al.: Customized allogeneic bone grafts for maxillary horizontal augmentation: A 5-year follow-up radiographic and histologic evaluation. Clin case reports 2020, doi: bit.ly/3dl5frn
[11] Schlee M et al: Esthetic outcome of implant-based reconstructions in augmented bone: comparison of autologous and allogeneic bone block grafting with the pink esthetic score (PES). Head Face Med 2014, 10 (1), 21.
[12] Shin SY et al.: Long-term results of new deproteinized bovine bone material in a maxillary sinus graft procedure. J of Periodontal & Implant science, 2014, 44(5), 259-264.
[13] De Stavola L, Tunkel J: Results of vertical bone augmentation with autogenous bone block grafts and the tunnel technique: a clinical prospective study of 10 consecutively treated patients. Int J Periodontics Restorative Dent 2013, 33 (5), 651-9.
[14] De Stavola L, Tunkel J: A new approach to maintenance of regenerated autogenous bone volume: delayed relining with xenograft and resorbable membrane. Int J Oral Maxillofac Implants 2013, 28 (4), 1062-7.
[15] Straumann-Gruppe: XenoGraft und XenoFlex: Für Routinefälle, Broschüre. Institut Straumann AG, 2019
[16] Würdinger R, Donkiewicz P: Allogeneic cortical struts and bone granules for challenging alveolar reconstructions: An innovative approach toward an established technique. J Esthet Restor Dent 2020, 1-10.