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Mehr als eine Vertragsbeziehung – oder: Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser

Ende vergangenen Jahres hat der WDR eine Folge der Sendung „Könnes kämpft“ ausgestrahlt. „Bohren bis das Geld stimmt – wie die Privatisierung der Zahnmedizin Patienten belastet“ lautete der Titel, zu finden ist der Beitrag unter ardmediathek.de. Kurz zusammengefasst: ein Rundumschlag gegen die geldgeile Horde fieser Abzocker, die Patienten nichts als Schmerzen, Leid und finanziellen Ruin beschert … Aus der Kolumne "frisch sondiert" der aktuellen iNPUT!

Übrigens, wir, die Zahnärzte sind gemeint. Und doch ergab eine im Rahmen des Beitrags durchgeführte Umfrage in einer Einkaufsstraße Erstaunliches: 90 Prozent der befragten Passanten vertrauen ihrem Zahnarzt! – Echt verwunderlich, gleicht doch laut Herrn Könnes das Wartezimmer der meisten Kollegen dem Vorhof der Hölle.

Vertrauen setzt voraus, dass man nicht alles weiß, was man wissen könnte. Wüsste man alles, was man wissen könnte, brauchte es kein Vertrauen. Und so ergibt sich zwangsläufig eine Abhängigkeit der Patienten vom Fachwissen und Können ihres Zahnarztes. Diese Abhängigkeit nicht auszunutzen ist und sollte Grundsatz des ethischen Berufsverständnisses eines jeden Arztes sein. – Ein Mann, der eine Gräte verschluckt hat, wird mit schwerer Atemnot zum Arzt gebracht. Dieser rettet ihm durch sein schnelles und gekonntes Handeln das Leben. Der Patient fragt daraufhin den Arzt nach seinem Honorar. Er antwortet: „Geben Sie mir die Hälfte dessen, was sie mir zahlen wollten, als die Gräte noch in ihrem Hals steckte.“

Eine Arzt-Patienten-Beziehung ist mehr als eine reine Vertragsbeziehung. Sie braucht eine gute Gesprächsbasis, und der Arzt sollte Einfühlungsvermögen für den Patienten mitbringen.

Eine Arzt-Patienten-Beziehung ist mehr als eine reine Vertragsbeziehung. Sie braucht eine gute Gesprächsbasis, und der Arzt sollte Einfühlungsvermögen für den Patienten mitbringen.

Eine gute Beziehung zwischen Arzt und Patient ist die Voraussetzung für den Behandlungserfolg. Ist das Vertrauen vorhanden, sind auch Fehler unter Umständen verzeihbar. Ist das Vertrauen nicht vorhanden, wird sicher ein Haar in der Suppe gefunden.

Der Zahnarzt ist eine Vertrauensperson, kein Vertragspartner. Verträge binden Menschen, sie verbinden sie aber nicht. Eine Arzt-Patienten-Beziehung ist demnach mehr als eine Vertragsbeziehung. Sie braucht eine gute Gesprächsbasis, und der Arzt sollte Einfühlungsvermögen für den Patienten mitbringen.

Wie kann ich aber aktiv das Vertrauen meiner Patienten stärken? Eines hilft sicherlich ungemein: Ehrlichkeit und realistische Versprechen. Nicht jeden Patienten wird man immer zu 100 Prozent zufriedenstellen können. Allen Patienten ein perfektes Behandlungsergebnis zu versprechen mag auf den ersten Blick erstrebenswert sein. Doch Perfektion liegt eben immer auch im Auge des Betrachters, das sollte man bei der Kommunikation stets im Hinterkopf haben.

Das bedeutet nicht, dass man dem Patienten die Vorfreude auf die neuen Zähne nehmen soll – ganz im Gegenteil. Doch seine Zufriedenheit wird deutlich höher sein, wenn Vorstellung und tatsächliches Resultat nicht kilometerweit auseinanderdriften.

Zähne sind Vertrauenssache. Was wie ein plakativer Werbeslogan klingt, ist gerade in der Zahnmedizin wahr wie in kaum einer anderen medizinischen Disziplin. Während Dr. Google dem Patienten mehr Kontrolle und Überblick vorgaukelt, ist es leider genau umgekehrt. Denn durch die vielen „Fachmeinungen“ schießt der Hilfesuchende oftmals übers Ziel hinaus.

„Ich habe da jetzt im Internet gelesen, dass der erste obere Backenzahn im gleichen Meridian wie die Brustdrüse steht und Wurzelbehandlungen somit ein deutlich erhöhtes Brustkrebsrisiko sind. Das schwebt jetzt wie ein Schatten über mir, bitte entfernen Sie den Zahn sofort!“ – Finde darauf mal spontan eine passende Antwort …

Statt echtem Wissensgewinn bleibt oftmals nur eines übrig – totale Verunsicherung. Im Zweifel führt das dann dazu, dass der Patient den Arztbesuch meidet. Das antizipierte Vertrauen zum Arzt ist somit zerstört. Das Ergebnis ist dann keine – oft ja durchaus notwendige – Behandlung.

Für verlorenes Vertrauen gibt es eben kein Fundbüro.

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