Die „Africa Mercy“ der Hilfsorganisation Mercy Ships liegt von August 2016 bis Juni 2017 im Hafen von Cotonou – mit einer ständigen Besatzung von mehr als 400 Mitarbeitern. Von ihnen kommen 50 bis 70 pro Jahr aus Deutschland. Die Helfer arbeiten nicht nur kostenlos auf dem Schiff, sie bezahlen auch selbst für Flug und Unterkunft.
Sechs Ärzte für 100.000 Menschen
Trotz der wachsenden Wirtschaft zählt Benin nach wie vor zu den ärmsten Ländern der Welt. Im „Human Development Index“ der Vereinten Nationen belegt das Land zwischen Togo und Nigeria derzeit den 165. von 187 Plätzen. Für 100.000 Menschen stehen hier gerade einmal sechs Ärzte zur Verfügung. Einen Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen gibt es bislang überhaupt nicht. Die Unterversorgung mit Spezialisten ist ein wichtiger Grund dafür, dass Krankheiten in Ländern wie Benin oft Dimensionen annehmen, die man sich hierzulande nur schwer vorstellen kann: Jeder einzelne Patient, der zu diesem Schiff kommt, hat eine Krankheit, die man in Deutschland in diesem Ausmaß nie sehen würde.
Ein kaum zu schaffendes OP-Programm
Entsprechend reiste Zimmermann auch mit einer gehörigen Portion Respekt nach West-Afrika: „Meine Frage war, ob ich einer solchen Aufgabe als niedergelassener MKG-Chirurg überhaupt gewachsen bin“. Tatsächlich waren die Patientenfälle um ein vielfaches anspruchsvoller als in seiner täglichen Praxis – auch im Vergleich zu seiner Ausbildungszeit an verschiedenen Universitätskliniken.
„Die Namen der Krankheitsbilder sind natürlich alle bekannt, nicht aber die Größe der Tumore oder der Grad der Funktionsstörungen, wie sie in Benin vorkommen“. Schon am ersten Screening-Tag wurde Zimmermann und seinem Partner, dem Londoner MKG-Chirurg Dr. Leo Cheng, eines schnell klar: Eigentlich war es nicht möglich, das straffe OP-Programm zu stemmen – auch wenn die beiden zeitweise bis abends um sieben operierten. Zu Tumorentfernungen am Ober- und Unterkiefer sowie am Hals kamen Kieferrekonstruktionen mit Beckenkamm-Transplantaten und chirurgische Behandlungen von Kiefergelenks-Ankylosen.
Nur ein paar Tage Eingewöhnungszeit
„Die größte Umstellung für mich war, in einem anglo-amerikanisch ausgerichteten Krankenhaus zu arbeiten“, erinnert sich Zimmermann: „Das lag für mich doch etliche Jahre zurück. Nach ein paar Tagen ging es aber wieder“. Gleichzeitig war es gerade die Zusammenarbeit mit Kollegen aus der ganzen Welt, die ihm während seines Einsatzes am meisten Freude machte: „Trotz der unglaublich vielen Länder, aus denen sich die Freiwilligen bei Mercy Ships zusammenfinden, klappt die Zusammenarbeit sehr gut. Denn es zählt das gemeinsame Ziel, den Ärmsten der Armen Hoffnung und Hilfe zu bringen“.
Mercy Ships
Mercy Ships betreibt das größte, private Hospitalschiff der Welt und ankert vorwiegend an der Küste Afrikas. An Bord der „Africa Mercy“ werden komplexe, spezialchirurgische Operationen durchgeführt. Arme und bedürftige Menschen werden, ungeachtet ihrer ethnischen und religiösen Herkunft oder ihrer politischen Überzeugungen, kostenlos behandelt.
Mehr als 1.000 Personen nutzen jährlich ihre Ferien, unbezahlten Urlaub oder den Ruhestand, um zu helfen. Die Arbeit an Bord wird fast vollständig von ehrenamtlichen Einsatzkräften geleistet. Die minimale Einsatzdauer von zwei Wochen gilt nur für einige Posten im technischen, medizinischen oder dentalmedizinischen Bereich.
Der Beitrag für Kost und Logis („Crew Fees“) beträgt 700 US-Dollar im Monat.
Online-Bewerbung unter apply.mercyships.org und per E-Mail unter mitarbeiten@mercyships.de.
Spenden
Kreis-und Stadtsparkasse Kaufbeuren
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Zwischen Schiff und Hafen liegen Welten
Gerade die Eindrücke der absoluten Armut waren es, die Zimmermann während seiner Zeit in Benin die größten Schwierigkeiten bereiteten: „Slums auf Müll gebaut, in denen Schweine nach Resten suchen, während Babys daneben im Dreck spielen – an diesen Orten fiel den Einheimischen das Lächeln deutlich leichter als uns Gästen.“ Tatsächlich ist es nur ein wenige hundert Meter langer Pier, der die rostige Wellblechhüttensiedlung vor dem Hafen Cotonous von der strahlend weißen „Africa Mercy“ trennen.
Aber dazwischen liegen Welten. In verbeulten Blechtöpfen blubbert Fisch in einer roten Soße, Mopeds knattern durch den chaotischen Verkehr. Und ein paar Schritte weiter schmeckt der Kaffee im schiffseigenen Starbucks genauso wie überall sonst auf der Welt. Das sauber geschrubbte, vollklimatisierte Paralleluniversum mit einer internationalen Schule, WLAN und täglich frisch gebackenen Cookies steht im starken Kontrast zur Situation vor Ort.
Erste-Welt-Operationen in der dritten Welt
Kernstück der „Afrika Mercy“ ist das Krankenhausdeck mit fünf OPs, einem Aufwachraum, einer Intensivstation, Apotheke und einer Röntgeneinheit mit CT und DVT: „Die Leute bekommen dort Erste-Welt-Operationen. Auf dem Schiff ist schlichtweg alles vorhanden.“ Dass alle Behandlungen auf der „Africa Mercy“ kostenlos angeboten werden können, ist nur dank der vielen Spender weltweit möglich – und dank der Tatsache, dass alle Mitarbeiter an Deck kostenlos arbeiten und dafür meist ihren Urlaub opfern.
Man lernt ein Glas sauberes Leitungswasser wirklich zu schätzen
Arbeiten, während andere Urlaub machen und sich erholen können, darüber hat Veit Zimmermann wohl „nicht eine Minute nachgedacht: Die Zeit verging wie im Flug und die Eindrücke sind so intensiv, dass schon ein ordentlicher Abstand zur täglichen Praxis entstand“.
Von dem Arbeitseinsatz auf dem Hospitalschiff hatte sich Zimmermann ursprünglich einen neuen Blickwinkel auf die medizinische Arbeit versprochen – „fernab unserer hiesigen Strukturen“. In Benin hat ihn besonders die Lebenseinstellung der Menschen bewegt. Auch eine gewisse Gelassenheit hat er mit nach Deutschland zurückgebracht: „Uns geht es so gut“, fasst er zusammen. „Wenn man in so einem Land gewesen ist, lernt man Alltägliches wie ein Glas sauberes Leitungswasser wirklich zu schätzen“.
„Zwei Wochen sind zu wenig“
Ein Wermutstropfen bleibt allerdings: „Zwei Wochen sind zu wenig“ – diesen Schluss zieht Zimmermann nach seiner „Stippvisite“ in Benin: „Selbst der neunmonatige Einsatz der ‚Africa Mercy‘ in Benin ist für dieses Land zu wenig. Ein Tropfen auf den heißen Stein“. Es könnte bei diesem resignierten Fazit bleiben …, doch Zimmermann zitiert den amerikanischen MKG-Chirurgen und Chief Medical Officer Dr. Gary Parker, der seit fast 30 Jahren auf dem Schiff lebt und arbeitet: „Du kannst nicht allen gleichzeitig helfen. Aber dem Ersten, dann dem Nächsten und dem Nächsten und so weiter … Damit die Hoffnung in der Zukunft greifbar werden kann, muss sie in der Gegenwart glaubhaft sein“.