Die Erbeinsetzung eines behandelnden Arztes führt nicht zur (Teil-)Nichtigkeit eines Testaments. Darauf verweist der Stuttgarter Fachanwalt für Erbrecht Michael Henn, Vizepräsident der Dansef Deutsche Anwalts, Notar- und Steuerberatervereinigung für Erb- und Familienrecht e.V. mit Sitz in Stuttgart unter Hinweis auf die Pressemitteilung des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main vom 3. Januar 2024 zu seinem Beschluss vom 21. Dezember 2023 (Az.: 21 W 91/23).
Die Erblasserin hatte ihren behandelnden Arzt in mehreren Testamenten, zuletzt in einem Testament aus dem Jahr 2021, neben weiteren Freunden und Verwandten zum Miterben eingesetzt. Das Testament aus dem Jahr 2021 hatte sie ihrem Arzt vorgelegt und ihn um Bestätigung ihrer Testierfähigkeit gebeten. Der Arzt hatte einen entsprechenden Vermerk auf dem Testament angebracht. Nach dem Tod der Erblasserin beantragen nunmehr der behandelnde Arzt und zwei weitere Miterben die Erteilung eines Erbscheins auf der Grundlage dieses Testaments.
In dem Erbscheinverfahren hatte einer der übrigen Miterben das Testament mit der Begründung angefochten, es liege ein Verstoß gegen Paragraf 32 der Berufsordnung der Ärztekammer Hessen vor. Gemäß Paragraf 32 Absatz 1 BO-Ä ist es „Ärztinnen und Ärzten nicht gestattet, von Patientinnen und Patienten (…) Geschenke oder andere Vorteile (…) sich versprechen zu lassen oder anzunehmen, wenn hierdurch der Eindruck erweckt wird, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird“. Des Weiteren sei die herzkranke und pflegebedürftige Erblasserin testierunfähig gewesen. Der Miterbe hatte seinerseits einen Erbscheinantrag auf der Grundlage eines vorangegangenen Testaments gestellt.
Das Nachlassgericht hatte beide Erbscheinanträge zurückgewiesen. Das Testament aus dem Jahr 2021 sei betreffend die Erbeinsetzung des behandelnden Arztes wegen eines Verstoßes gegen Paragraf 32 BO-Ä teilnichtig, sodass keiner der beiden Erbscheinanträge zutreffend sei.
Vor dem Oberlandesgericht hatte die hiergegen gerichtete Beschwerde unter anderem des behandelnden Arztes Erfolg.
Der Arzt sei wirksam als Miterbe eingesetzt worden, stellte das OLG fest. Die berufsständische Regelung in der Satzung der Landesärztekammer stelle zwar im Ausgangspunkt ein Verbotsgesetz i.S.d. Paragrafen 134 BGB dar. Eine verfassungskonforme Auslegung ergebe jedoch, dass ein etwaiger Verstoß des Arztes nicht zur Nichtigkeit der Testierung durch den Erblasser führe. Anders als vergleichbare Verbotsgesetze für den Bereich der Pflege in Heimen (früher Paragraf 14 HeimG, heute Paragraf 6 HBPG) deren Schutzbereich auch den Testierenden erfasse, richte sich Paragraf 32 BO-Ä in erster Linie an den behandelnden Arzt als Mitglied der Ärztekammer. Paragraf 32 BO-Ä enthalte demnach kein an den Testierenden gerichtetes Testierverbot. „Eine solche Auslegung würde einen unangemessenen Eingriff in die durch Artikel 14 Absatz 1 GG geschützte Testierfreiheit darstellen“, begründete der Senat weiter.
Konkrete Anhaltspunkte für eine Testierunfähigkeit der Erblasserin lägen ebenfalls nicht vor.
Die Entscheidung ist anfechtbar. Weil es sich um eine bislang noch nicht höchstrichterlich entschiedene Frage handelt, hat das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zugelassen.
RA Henn empfiehlt, dies zu beachten und in allen Zweifelsfällen Rechtsrat einzuholen.
RA Michael Henn, Fachanwalt für Erbrecht, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Stuttgart
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