Der harte Wettbewerb im Gesundheitsmarkt zeigt sich in der Praxis der Wettbewerbszentrale bereits im Zusammenhang mit der Anzahl eingehender Anfragen und Wettbewerbsbeschwerden im Gesundheitsbereich: Im Jahr 2022 hat die Selbstkontrollinstitution der Wirtschaft für fairen Wettbewerb rund 900 Anfragen und Beschwerden in diesem Bereich, der Apotheken, Ärzte, Heilberufe, Krankenkassen, Pharmaindustrie, Gesundheitshandwerke umfasst, verzeichnet. Im Jahr 2023 sind es bislang rund 750.
Werbung mit Auszeichnungen als irreführend und intransparent moniert
Die Wettbewerbszentrale geht gegen Werbung mit Siegeln und Auszeichnungen im Gesundheitsbereich vor, wenn diesen eine solide Grundlage, wie objektive, nachprüfbare Kriterien, fehlt. In einem Fall hat die Zentrale etwa die Werbung mit „Ausgezeichnet als die beste Haarklinik Deutschlands“ beanstandet, weil keine Kriterien für die Auszeichnung erkennbar waren. In einem anderen Fall hatte sich eine Klinikgruppe mit einer Art Siegel als „Deutschlands beste neurologische Klinikgruppe“ geschmückt. Es gab weder eine Fundstelle zur Nachprüfbarkeit der Aussage, noch beruhte die „Auszeichnung“ auf einer Überprüfung durch einen neutralen Dritten anhand objektiver Kriterien. In beiden Fällen haben sich die Kliniken zur Unterlassung verpflichtet.
Beanstandungen bei Werbung mit „Siegeln“ im Krankenkassenbereich
Im Krankenkassenbereich sind der Wettbewerbszentrale etliche Werbemaßnahmen zur Werbung mit Auszeichnungen zur Prüfung vorgelegt worden: In bislang vier Fällen hat die Zentrale Abmahnungen wegen Irreführung ausgesprochen. Sie will anhand dieser Fälle exemplarisch klären lassen,
- ob sich eine Krankenkasse, die Platz 18 oder 19 erreicht hat, noch mit dem Siegel „TOP-Krankenkasse“ schmücken darf, wenn das Ranking 64 Krankenkassen einbezieht,
- ob sich eine Krankenkasse als „Nachhaltigkeits-Champions“ bezeichnen darf, wenn diese „Auszeichnung“ auf einer Verbraucherbefragung beruht, bei der diese aus vorgegebenen Antworten (nach dem Schema „trifft zu“ etc.) wählen konnten oder
- ob eine Krankenkasse mit der Note „sehr gut“ werben darf, wenn es sich dabei nicht um die Bestnote handelt, sondern 14 Krankenkassen mit „exzellent“ besser abgeschnitten haben.
In zwei dieser Verfahren wurde zwischenzeitlich jeweils eine Unterlassungserklärung abgegeben.
„Ärzte-Siegel“-Verfahren beim OLG München
Außerdem führt die Selbstkontrollinstitution ein Verfahren, in dem es um die Werbung mit einem „Ärzte-Siegel“ geht. Das Landgericht München I hat im Februar 2023 dem beklagten Verlag auf Antrag der Wettbewerbszentrale untersagt, die Siegel „TOP Mediziner“ oder „Focus Empfehlung“ zu Werbezwecken anzubieten oder zur Verfügung zu stellen (Az.: 4 HKO 14545/21 – nicht rechtskräftig). Die Wettbewerbszentrale hatte die Vergabe der Auszeichnungen „Top Mediziner“ oder „Focus Empfehlung“ an Ärztinnen und Ärzte als irreführend kritisiert, weil der Eindruck erweckt wird, es habe eine Überprüfung nach objektiven Kriterien stattgefunden. In der Berufungsinstanz wird sich das OLG München mit der Frage der Zulässigkeit befassen (Az.: 29 U 867/23). Termin zur mündlichen Verhandlung ist dort am 11. Juli 2024.
„Wir beobachten die Werbung mit Auszeichnungen sehr genau. Wenn sich jeder Werbende ein Siegel anheften würde, das keine hinreichende Grundlage hat, würde das den Sinn der Siegel – nämlich Verbraucher zu informieren – ins Gegenteil verkehren. Außerdem verzerrt es den Wettbewerb“, meint Christiane Köber, Mitglied der Geschäftsführung der Wettbewerbszentrale.
Vorher-Nachher-Bilder bei Werbung für Schönheits-OPs unzulässig
Seit 2022 verbucht die Wettbewerbszentrale hohe Fallzahlen im Bereich der Werbung für Schönheitsoperationen mit „Vorher-nachher-Bildern“, die oftmals in Social Media, etwa auf Instagram, gezeigt werden. Mehr als 100 Anfragen und Beschwerden hat die Wettbewerbszentrale im Jahr 2022 dazu erhalten, für 2023 sind es bereits 70. Die Wettbewerbszentrale hat in diesem Zusammenhang 35 Beanstandungen im Jahr 2022 ausgesprochen, 22 sind es bislang 2023.
Dabei geht es um vergleichende Fotos von PatientInnen nach „Schönheitsoperationen“. Mit derartigen Bildern soll etwa bei Brustvergrößerungen, Nasenkorrekturen oder Fettabsaugungen, aber auch Lippen- und Hautunterspritzungen bildlich der Erfolg einer solchen Behandlung dargestellt werden.
Das Heilmittelwerbegesetz (HWG) verbietet jedoch derartige Abbildungen, um Anreize für medizinisch nicht indizierte Behandlungen zu verhindern. Das Gesetz nimmt dabei Bezug auf „operative plastisch-chirurgische Eingriffe“. Ob zu den verbotenen Werbemaßnahmen auch Werbung für Faltenunterspritzungen gehört, ist bislang unklar.
Wettbewerbszentrale lässt Grundsatzfrage zur Werbung für Schönheits-OPs gerichtlich klären
Sieben Gerichtsverfahren führt die Wettbewerbszentrale in diesem Zusammenhang zu der Grundsatzfrage: Sind auch Faltenunterspritzungen operative plastisch-chirurgische Eingriffe im Sinne des Paragrafen 11 HWG?
Dazu liegen mittlerweile einige erstinstanzliche Entscheidungen vor: Das Landgericht Frankfurt etwa hat die auf Instagram angebotenen Hautunterspritzungen von Kollagenpräparaten oder Hyaluronsäure mittels Kanüle als operativen plastisch-chirurgischen Eingriff im Sinne des Heilmittelwerbegesetzes bewertet (LG Frankfurt, Urteil vom 3.0 August 2021, Az.: 3-06 O 16/21). Erst kürzlich hat aber auch das OLG Köln bestätigt, dass Faltenbehandlungen mit Hyaluronsäure zu den Verfahren gehören, für die nicht mit vergleichenden Fotos geworben werden darf (Urteil vom 27. Oktober 2023, Az.: 6 U 77/23 – nicht rechtskräftig).
Weitere fünf Verfahren der Wettbewerbszentrale zu dieser Thematik sind noch bei den Gerichten anhängig. „Die hohe Anzahl von Fällen zur Werbung mit Schönheitsoperationen zeigt, wie hart umkämpft der Markt für privat zu zahlende Behandlungen ist“, so Köber.
Weitere Grundsatzverfahren sollen für mehr Rechtssicherheit sorgen
Die Wettbewerbszentrale lässt aktuell klären, ob Apotheken sonntags Arzneimittel ausliefern dürfen. Anlass für zwei Grundsatzverfahren ist eine App, über die ein Plattformbetreiber die Lieferung von Arzneimitteln durch Apotheken anbietet – und zwar außerhalb der Öffnungszeiten und des von der Apothekerkammer organisierten Notdienstes. Nach Auffassung der Wettbewerbszentrale verbieten die Ladenöffnungs- und Feiertagsgesetze die Auslieferung an Sonntagen. Sie verlangte daher sowohl vom Plattformbetreiber als auch von einem Apotheker Unterlassung. In erster Instanz gaben sowohl das LG Berlin (Urteil vom 2. Juli 2023, Az.: 93 O 110/22 – nicht rechtskräftig) als auch das LG Köln (Urteil vom 16. März 2023, Az.: 81 O 70/22 – nicht rechtskräftig) der Klage der Wettbewerbszentrale statt. Beide Gerichte sahen in der Auslieferung öffentlich bemerkbare und damit an Sonntagen verbotene Tätigkeit.
Nach der Apothekenbetriebsordnung sollen Apotheken die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sichern. Diese werde durch Notdienste geregelt. Darüber hinausgehende wirtschaftliche Betätigung der Apotheken durch Botenlieferungen stünden im Konflikt mit dem Arbeitsschutz- und Gesundheitsschutzgedanken der Ladenöffnungsgesetze. „Ob man diese Verbote für noch zeitgemäß hält oder nicht, ist hier nicht die Frage. Mitbewerber, die sich nicht an die für alle geltenden Regeln halten und sich außerhalb der festgelegten Öffnungszeiten wirtschaftlich betätigen, verzerren damit den Wettbewerb“, meint Köber.
Die beiden Urteile sind nicht rechtskräftig, da sowohl der Plattformbetreiber als auch der Apotheker Berufung eingelegt haben.
EuGH liegt Frage zur Werbung für Desinfektionsmittel vor
Dem EuGH liegt in einem Verfahren der Wettbewerbszentrale aktuell die Frage vor, ob Desinfektionsmittel zur Händedesinfektion mit „hautfreundlich“ beworben werden dürfen (EuGH, Rs.-C 296/23). Die Wettbewerbszentrale hatte während der Corona-Pandemie die Werbung einer Drogeriemarktkette für ein Desinfektionsmittel beanstandet, weil dieses das werbliche Attribut „hautfreundlich“ trug. Nach der Biozid-Verordnung sind für Biozide jedoch bestimmte Aussagen sowohl für die Etiketten als auch für die sonstige Werbung unzulässig, so etwa „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial“ oder „umweltfreundlich“. Darüber hinaus sind aber auch außerhalb dieser schwarzen Liste verwendete „ähnliche“ Hinweise unzulässig. Der EuGH soll nun nach einem entsprechenden Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs (Az.: I ZR 108/22) entscheiden, ob „hautfreundlich“ auch unter diese unzulässigen „ähnlichen“ Hinweise fällt.
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