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Mundgesundheit von Frauen: Time to Explore

Women’s Oral Health – Time to Explore

Mundgesundheit von Frauen: Eine Special Session auf der Europerio 11 widmete sich hormonellen Übergängen, dem Mikrobiom und Mutter-Kind-Verbindungen.

Nicht laut, nicht spektakulär – aber hochrelevant: Die Special Session „Women’s Oral Health – Time to Explore“ auf der Europerio 11 in Wien war ein leiser Weckruf für die Zahnmedizin: Frauen erleben im Laufe ihres Lebens tiefgreifende biologische Veränderungen, und diese beeinflussen nicht nur den Körper, sondern auch den Mundraum.

Vier internationale Wissenschaftlerinnen zeigten, warum es höchste Zeit ist, diesen Zusammenhang ernster zu nehmen – und was das konkret für die Praxis bedeutet.

Dr. Orly Nir Shapira (Tel Aviv, Israel):Östrogen, Knochen und Mikrobiom – was die Menopause im Mund verändert

Die Menopause ist ein Wendepunkt – auch für die Mundgesundheit. Dr. Orly Nir Shapira zeigte, wie der sinkende Östrogenspiegel Schleimhäute empfindlicher, Speichel dünner und den Kieferknochen anfälliger macht. Die Folge: vermehrte Plaquebildung, Entzündungsneigung, Geschmacksveränderungen und nicht selten auch eine schlechtere Prothesenverträglichkeit.

Ein zentraler Punkt in Shapiras Vortrag war der vielschichtige Einfluss von Hormonen auf orale Gewebe. Östrogene beeinflussen die Kollagenbildung, die Durchblutung der Gingiva sowie die Immunantwort in parodontalen Strukturen. Sinken die Hormonspiegel, verschlechtern sich häufig die Heilungstendenzen – Wunden schließen sich langsamer, Entzündungsprozesse klingen schwerer ab.

Zudem wird immer deutlicher, dass der Einfluss der Menopause auf die orale Gesundheit nicht nur über lokale, sondern auch über systemische Prozesse vermittelt wird. Die hormonbedingte Veränderung des Mikrobioms – insbesondere der Rückgang schützender Bakterienarten – könnte langfristig die mikrobielle Balance im Mundraum destabilisieren.

Ein empfindliches Gleichgewicht, das vor allem bei prädisponierten Patientinnen zu chronischen Erkrankungen wie Parodontitis führen kann.
Ein weiterer Aspekt, den Shapira hervorhob, betrifft die Lebensqualität: Viele Frauen berichten während der Menopause über Brennen im Mund, Schleimhautbeschwerden und Geschmacksirritationen. Diese Symptome sind zwar schwer objektivierbar, sollten aber ernst genommen werden, denn sie belasten das Wohlbefinden und beeinflussen häufig auch die Ernährung. Eine ausführliche Anamnese und gezielte Fragen zu Hormonstatus, Medikation und Allgemeinbefinden können helfen, diese Beschwerden frühzeitig zu erkennen.

Besonders eindrucksvoll war die Verbindung zur Knochengesundheit. Postmenopausale Frauen mit Osteoporose verlieren nicht nur an Knochendichte, sondern auch an parodontaler Stabilität – ein Risiko für Zahnverlust und Implantatkomplikationen. Shapira betonte die Bedeutung der Hormonersatztherapie (HRT), die in vielen Fällen helfen könnte, das Fortschreiten parodontaler Erkrankungen zu bremsen. Trotzdem erhielten rund zwei Drittel der betroffenen Frauen keine HRT – oft aus Unkenntnis oder Unsicherheit. Für Zahnärzte heißt das: Das Thema gehört auf den Tisch – ein interdisziplinäres Gespräch kann entscheidend sein. 

Eine Frau an einem Podium, hinter ihr eine Präsentation auf einer Videoleinwand

Eine Special Session auf der Europerio 11 widmete sich dem Thema Mundgesundheit von Frauen, inklusive hormonellen Übergängen, dem Mikrobiom und Mutter-Kind-Verbindungen. 

Prof. Dr. Nagihan Bostanci (Stockholm, Schweden)Mikrobielles Ungleichgewicht mit Folgen – Zahnmedizin vor, während und nach der Schwangerschaft

Schwangerschaft ist eine mikrobiologische Ausnahmesituation. Prof. Dr. Nagihan Bostanci erklärte, wie sich das orale Mikrobiom in dieser Phase verändert – mit einem Anstieg pathogener Keime wie Porphyromonas gingivalis oder Prevotella intermedia. Diese Verschiebungen erhöhen das Risiko für Gingivitis deutlich – und zwar unabhängig von der häuslichen Mundpflege.

Dabei bleibe es nicht bei lokalen Symptomen. Studien zeigten: Frauen mit unbehandelter Gingivitis haben ein höheres Risiko, ein Kind mit niedrigem Geburtsgewicht oder Frühgeburt zur Welt zu bringen. Besonders deutlich: In einer aktuellen Studie litten alle Mütter untergewichtiger Neugeborener an Gingivitis. Und trotzdem besuchen nur etwa ein Drittel aller Schwangeren eine Zahnarztpraxis – und noch weniger erhalten vor der Schwangerschaft eine präventive Betreuung.

Bostancis Fazit war eindeutig: Parodontale Prävention darf nicht erst in der Schwangerschaft beginnen – sie gehört in die präkonzeptionelle Medizin. Zahnärzte spielen hier eine wichtige Rolle.

Prof. Dr. Egija Zaura (Amsterdam, Niederlande): Mikrobielles Erbe: Frühkindliche Weichenstellung im Mutterleib?

Prof. Dr. Egija Zaura zeigte, wie stark das mütterliche Mikrobiom die Entwicklung des kindlichen Immunsystems beeinflusst – und zwar schon vor der Geburt. Der sogenannte „immune crosstalk“ zwischen Mutter und Fötus bildet die Grundlage dafür, welche Bakterien das Kind später überhaupt toleriert oder abwehrt.

Zaura präsentierte neue Daten zur Mikrobenübertragung: während der Geburt, durch das Stillen, über Speichelkontakt – aber möglicherweise auch intrauterin. Die Frage, ob die Plazenta ein eigenes Mikrobiom enthält, ist noch offen, doch Hinweise auf mikrobielle Signaturen sind vorhanden. Für die Praxis heißt das: Auch die orale Gesundheit der Mutter ist Teil der frühkindlichen Gesundheitsvorsorge.

Und sogar darüber hinaus: Zaura stellte Zusammenhänge zwischen Schnullerhygiene, Mikrobiomdiversität und dem Auftreten von Allergien dar. Eltern, die Schnuller mit dem Mund reinigen, übertragen laut Studien zwar mehr Keime – aber auch schützende Mikroorganismen, die das Immunsystem trainieren können.

Auch Männer blieben in dieser Session nicht außen vor. Es gibt Hinweise, dass bakterielle Herde im Mundraum mit Bakterienvorkommen im Ejakulat und eingeschränkter Fruchtbarkeit in Verbindung stehen. Die Forschung zum Semen-Mikrobiom, also der Gesamtheit der Mikroorganismen im Ejakulat, ist noch jung, aber erste Ergebnisse zeigen: Auch die Mundgesundheit des Vaters könnte eine Rolle bei der Familienplanung spielen. 

Fazit: Mundgesundheit ist Lebensphasenmedizin

Diese Session war kein Exkurs für Spezialisten, sondern ein deutliches Signal an die gesamte Zahnmedizin. Frauen durchlaufen biologische Übergänge, die sich direkt auf die Mundgesundheit auswirken. Wer das ignoriert, verpasst nicht nur präventive Chancen – sondern riskiert auch systemische Folgeprobleme.

 Zahnmedizin muss diese Lebensphasen mitdenken: in der Menopause, in der Schwangerschaft, vor der Familienplanung. Es geht nicht nur um Zähne – es geht um Stabilität, Wohlbefinden, Immunentwicklung und langfristige Gesundheit.

Dr. Pia S. Maier, Krems/Österreich

Titelbild: lielos – stock.adobe.com