Immer mehr Zahnarztpraxen berichten von Schwierigkeiten mit Auszubildenden. Diese reichen von Regelüberschreitungen über mangelnde Motivation und ausgeprägte Sprunghaftigkeit bis zu reduzierter Belastbarkeit in den Augen der Ausbilder.
Zahnmedizinern, die zu den freien Berufen gehören, wird mit der Berufszulassung die Erlaubnis erteilt, auszubilden. In anderen Ausbildungsberufen wie der Gesundheits- und Krankenpflege bedarf es einer spezifischen Qualifikation („Praxisanleiter“ mit mehreren Hundert Stunden Umfang), um Auszubildende während der praktischen Ausbildung zu betreuen. Seit 2016 wird an der Zahnärztekammer Sachsen und seit 2017 an der Zahnärztekammer Bremen (FIZ) eine Weiterbildung zur Ausbildungsbeauftragten angeboten.
Konflikte mit Auszubildenden
Im Rahmen der praktischen Ausbildung kann es zu verschiedenen Konflikten zwischen dem Auszubildenden und dem Praxisteam beziehungsweise dem Ausbilder kommen:
Teamkonflikte
Ein Auszubildender ist ein neues Teammitglied, daher beginnt der Teamprozess (Forming – Storming – Norming – Performing) von Neuem. Das bringt Unruhe ins Team. Außerdem benötigen Auszubildende viel Zeit in der Betreuung. Das kann dazu führen, dass der ausbildende Mitarbeiter seine eigene Arbeit nicht mehr so schnell erledigen kann (Konfliktpotenzial im Team).
Disziplinprobleme
Auszubildende haben den Ruf, weniger diszipliniert und weniger selbstständig zu arbeiten als früher. Diese Sichtweise findet man auch bei Berufsschullehrern. Der Kinderpsychiater Michael Winterhoff formuliert in seinem Buch „Warum unsere Kinder Tyrannen werden“ die provokante These, dass Jugendliche in der Berufsschule häufig auf einem psychischen Reife-Level von 4- bis 8-Jährigen seien. Wie kommt er zu der Aussage? Kinder durchleben verschiedene Reifephasen in ihrer Entwicklung. Eine wesentliche Stufe stellen das Einhalten von Regeln und das Akzeptieren von Grenzen dar. Wenn ein Kind nun mit seiner natürlicherweise ersten Strategie „etwas zu bekommen“ immer Erfolg hat, dann braucht es keine andere Strategie zu entwickeln und erreicht somit nicht die nächste Reifephase. Wenn Jugendliche also gelernt haben, dass sie mit Regelüberschreitungen im Elternhaus und auch in der allgemeinbildenden Schule „durchkommen“, verlagert sich das Erziehungsproblem in die Berufsausbildung. Hier kann durch wertschätzende Reflexions- und Feedbackgespräche eine Erkenntnis erlangt und so eine „Nachreifung“ angebahnt werden. Mitarbeiter, die diese Aufgabe übernehmen, sollten sich entsprechend fortbilden und auch seitens des Arbeitgebers ein Zeitbudget für Gespräche mit der Auszubildenden erhalten.
Schulprobleme
Schlechte Leistungen in der Berufsschule müssen nicht unbedingt auch schlechte Leistungen in oder nach der Ausbildung bedeuten. Vielen Jugendlichen liegt das Lernen einfach weniger als das Arbeiten. Unrealistisch hoch gesteckte Ziele führen schnell zu Frustration oder Panik (Prüfungsblockaden). Sollten Schulprobleme auftreten, empfiehlt sich ein Gespräch mit dem oder der Klassenlehrer/-in. Außerdem kann am Ausbildersprechtag ein persönliches Gesprächsangebot wahrgenommen werden.
Tipps für die Zahnarztpraxis
Wie kann ein Auszubildender durch die praktische Ausbildung begleitet werden? Zunächst ist es sinnvoll, einen Mitarbeiter auszuwählen, der Freude an der Aufgabe hat, Jugendliche zu begleiten und zu fördern. Eine Zuweisung der Aufgabe an jemanden, der das nicht gerne tut, kann großen Schaden anrichten, da davon ausgegangen werden muss, dass derjenige sich wenig engagieren wird. Leider findet man unter zahnmedizinischen Fachangestellten auch dann und wann die Haltung „Ausbildungsjahre sind keine Herrenjahre, da muss sie jetzt durch“. Diese Haltung ist vor dem Hintergrund, dass wir weniger reife Jugendliche ausbilden, problematisch, denn diese benötigen nun einmal mehr Unterstützung als früher.
Bei der Umsetzung der praktischen Ausbildung ist Folgendes zu berücksichtigen:
Ausbildungskonzept erstellen
Planen Sie den Einsatz der Auszubildenden so eng wie möglich an den Inhalten der Berufsschule orientiert, dann kann das Lernen am effektivsten gelingen. Natürlich ist es kleinen Praxen kaum möglich, vollständig auf die Abfolge der Schulinhalte Rücksicht zu nehmen. Es sollte dann aber bedacht werden, dass der Azubi einige Inhalte (zum Beispiel endodontische Behandlungen begleiten) erst am Ende des ersten Ausbildungsjahres lernt. Hier kann leicht Abhilfe geschaffen werden, wenn in dem Ausbildungskonzept eine Unterweisung in der Behandlungsassistenz von endodontischen Behandlungen geplant wird. Das Gleiche gilt auch für chirurgische Behandlungen (2. Lehrjahr) und Prothetik (3. Lehrjahr).
Lernstandsgespräche führen
Außerdem sollten regelmäßige Lernstandsgespräche eingeplant werden. Diese sollten nicht nur dann erfolgen, wenn etwas missglückt ist oder es in der Schule eine schlechte Note gab. Viel wichtiger ist es, dass der Auszubildende regelmäßiges (auch positives!) Feedback erhält und in einem geschützten Rahmen die Möglichkeit hat, Fragen zu stellen oder das eigene Verhalten zu reflektieren. Am Anfang der Ausbildung sollten diese Gespräche gerne häufiger geplant werden und im Verlauf der Ausbildung je nach Bedarf seltener.
Kontakt zur Berufsschule nutzen
Berufsschulen bieten einmal jährlich einen Ausbildersprechtag an. Dieser sollte unbedingt genutzt werden, denn dort erhalten die Praxen wertvolle Rückmeldung über die schulischen Leistungen und auch über das soziale Verhalten der Auszubildenden in der Klasse. Darüber hinaus sollte die Signalwirkung nicht unterschätzt werden. Einerseits ist es für den Auszubildenden eine Wertschätzung, dass der Ausbilder oder die verantwortliche Mitarbeiterin (Ausbildungsbeauftragte) seinetwegen in die Berufsschule geht. Andererseits ist es auch eine Demonstration der Zusammenarbeit, und das erhöht die Verbindlichkeit von Absprachen.
Die Generation Z in der Arbeitswelt
Auszubildende gehören zumeist der Generation Z an. Diese gilt als wenig loyal dem Arbeitgeber gegenüber, daher finden auch während der Ausbildung häufig Praxiswechsel oder gar Ausbildungsabbrüche statt. ZFA haben eine Vertragslösungsquote während der Ausbildung von 25,6 Prozent. Damit wechselt fast jede Vierte in den drei Jahren der Ausbildung. Das ist für alle Seiten unangenehm, da ein neuer Auszubildender zunächst immer einen Mehraufwand für das Praxisteam bedeutet.
Die Generation Z ist aus ihrem Elternhaus recht viel Aufmerksamkeit gewohnt und ist es gewohnt, mitzuentscheiden. Daher ist es für den Erfolg der Ausbildung wichtig, möglichst intensive Betreuung und Feedbackgespräche zu realisieren. Außerdem sollten auch kleine (Teil-)Erfolge belobigt werden, denn das steigert die Motivation der Auszubildenden. Nicht zuletzt sollte ein Auszubildender rasch ins Team integriert werden, damit er ein Zugehörigkeitsgefühl entwickeln kann. Auch das kann die Bindung an die Praxis stärken.