Für Zahnärzte, die eine bereits bestehende Einzelpraxis übernehmen oder in eine existierende Gemeinschaftspraxis einsteigen möchten, stellt sich die Frage, welcher Kaufpreis angemessen ist.
Tatsächlich gibt es keine rechtlich verbindliche Methode, um diese Frage zu beantworten, jedoch bewährte Vorgehensweisen, um den tatsächlichen Verkehrswert einer Zahnarztpraxis zu bestimmen. Bei der Bewertung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das im Einzelfall geeignet erscheinende Verfahren zu wählen. Häufig angewandt werden die Ärztekammer-Methode sowie die Modifizierte Ertragswert-Methode.
Ärztekammer-Methode
Das wohl bekannteste Bewertungsverfahren ist die Umsatzmethode nach der „Richtlinie zur Bewertung von Arztpraxen“, auch Ärztekammer-Methode genannt. Bei dieser Methode setzt sich der Praxisgesamtwert aus zwei Bewertungsgegenständen zusammen: dem materiellen und dem ideellen Praxiswert. Der materielle Praxiswert, der auch als Substanzwert bezeichnet wird, umfasst zum Beispiel die
- Praxiseinrichtung (Möbel, EDV, Telefon, Beleuchtung, etc.),
- medizinisch-technische Geräte,
- Instrumente,
- Verbrauchsmaterialien (Handschuhe und Verbandsmaterial etc.)
- und Vorräte (Impfstoffe, Zahngold).
Auch Umbauten, bauliche Veränderungen und Installationen, die der Noch-Inhaber auf eigene Kosten in der Praxis vorgenommen hat und die der Nachfolger bei längerfristiger Fortführung des Mietvertrags nutzen kann, gehören zum materiellen Praxiswert. Achtung: Geleastes oder finanziertes Inventar steht nicht im (sachenrechtlichen) Eigentum des Praxisverkäufers.
Der ideelle Praxiswert, auch als Goodwill bezeichnet, basiert auf einem vorhandenen Umsatzpotenzial. Um es zu berechnen, werden
- Patientenstamm,
- Bekanntheitsgrad,
- Praxislage,
- Mitarbeiter-Know-how
- und die bestehenden Organisationsstrukturen einer Praxis bewertet.
Der Praxiskäufer profitiert schließlich von der Aufbauarbeit seines Vorgängers und spart sich die Mühen und Risiken, die mit einer Neugründung verbunden sind. Der durchschnittliche Jahresumsatz der vergangenen drei Jahre vor dem Übergabezeitpunkt bildet die Grundlage für die Ermittlung des ideellen Praxiswerts nach der Ärztekammer-Methode. Davon wird ein kalkulatorischer Unternehmerlohn abgezogen. Von dem so berechneten Jahresumsatz wird dann ein Drittel für den Goodwill-Anteil der Praxis angesetzt. Achtung: eine gravierende Schwäche der Ärztekammer-Methode besteht darin, dass sie nur den Praxisumsatz, also die Einnahmenseite, berücksichtigt. Entscheidend ist aber der tatsächliche Ertrag einer Praxis, da hierin auch die Ausgaben berücksichtigt werden. Außerdem orientiert sich die Ärztekammer-Methode ausschließlich an den Umsätzen der Vergangenheit. Für einen Kaufinteressenten sind jedoch die zukünftig erzielbaren Erträge entscheidender.
Modifizierte Ertragswert-Methode
Alternativ werden Praxen daher auch nach der sogenannten Modifizierten Ertragswert-Methode bewertet. Auch hierbei setzt sich der Gesamtwert der Praxis aus dem materiellen und dem ideellen Praxiswert (Goodwill) zusammen. Allerdings wird der Goodwill bei dieser Methode nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ermittelt. Es erfolgt eine Analyse der Praxis einschließlich des wirtschaftlichen Umfelds und anschließend die Prüfung, inwieweit sich die Erträge der Vergangenheit auch in der Zukunft fortschreiben lassen.
Der vom Praxisübernehmenden zu zahlende Kaufpreis bezieht sich somit auf künftig zu erwartende Überschüsse, auf die der bisherige Inhaber beim Verkauf verzichtet, weshalb ihm ein abgezinster Wert als Kaufpreis zusteht. Man bereinigt dafür die bisherigen Praxiseinnahmen und -ausgaben um solche Positionen, die entweder einmalig waren oder in ihrer Höhe nicht repräsentativ für ein Geschäftsjahr sind. Dazu können beispielsweise überhöhte Praxisvertreterkosten wegen längerer Krankheit des Praxisinhabers oder aber Erlöse aus dem Verkauf von Praxisanteilen oder des Anlagevermögens gehören.
Zukunftsprognose
Im Anschluss wird festgelegt, wie lange ein Übernehmer von dem bereits vorhandenen Praxis-Goodwill, den er sich bei einer Neugründung selbst aufbauen müsste, profitiert. Dieser Zeitraum liegt in der Regel zwischen zwei bis fünf Jahren, kann in Einzelfällen aber auch länger sein. Für diese Zeit wird unter Berücksichtigung der bereinigten Vergangenheitszahlen eine Umsatz- und Kostenprognose erstellt. Bei dieser Prognose spielen sowohl objektive als auch subjektive Bewertungsmerkmale eine Rolle. Verfügt der Praxisabgebende etwa über besondere Zusatzqualifikationen und Abrechnungsgenehmigungen, die der Übernehmende nicht hat, schmälert dies den zukünftig zu erwartenden Ertrag.
Von dem ermittelten Praxisertrag werden nun ein kalkulatorischer Unternehmerlohn und eine pauschalierte Einkommensteuer in Höhe von 35 Prozent abgezogen. Die Höhe des kalkulatorischen Unternehmerlohns orientiert sich dabei an alternativen Verdienstmöglichkeiten des Praxiserwerbenden, beispielsweise wenn er oder sie in einer Zahnklinik tätig wäre. Der prognostizierte Praxisertrag wird zudem auf den Zeitpunkt des Verkaufs bezogen um Zinsen und Zinseszinsen reduziert (abgezinst). Für diese Berechnung wird ein Kalkulationszinssatz zugrunde gelegt, der sich aus einem Basiszinssatz und einem Risikozuschlag zusammensetzt. Der so ermittelte Wert ist der Goodwill der Praxis.
Fazit
Die Werte, die im Rahmen einer Praxisbewertung ermittelt wurden, sollten nicht als absolut sondern lediglich als Anhaltspunkt zur Festlegung einer Preisspanne verstanden werden. Entscheidend ist, welchen Wert der Verkäufer einer Praxis am Markt erzielen kann. Auch hier gilt letztlich wie überall in der Wirtschaft, dass Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen.
Ingrid Kruse-Lippert, Hannover
Ingrid Kruse-Lippert ist Inhaberin der Kruse-Lippert Steuerberatung in Hannover und Fachberaterin für das Gesundheitswesen (DStV e.V.). Sie ist ausgewählte Partnerin des ladies dental talk. Ladies dental talk ist eine Plattform für Zahnärztinnen, die wachsen möchten – persönlich, beruflich, unternehmerisch. Weitere Informationen