Lebensmittelampel: Wirksam und ungewollt
Die freiwillige Verpflichtung der Wirtschaft, ein politisch gewünschtes Ziel zu erreichen, gehört nicht eben zu den großen Erfolgsmodellen politischen Handelns. So lautete eine Meldung vor 20 Jahren in der Tageschau: „Umweltministerin Merkel vertraut bei der Senkung des deutschen CO₂-Ausstoßes auf die Einführung des 3-Liter-Autos und die freiwillige Kooperation der Autohersteller.“
Jetzt feierte Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, in einem kleinen Nestlé-Werbefilm dessen Unternehmensphilosophie: „Ich habe heute viel Neues erfahren und freue mich, dass wir Unterstützung haben für unsere Innovations- und Reduktionsstrategie: weniger Zucker, weniger Salz, weniger Fett in den Produkten, die unsere Bürger gerne mögen.“
Nestlé? Nestlé, was war das noch? Der sympathische Bioladen um die Ecke? Oder eine Kinderschutzorganisation? Auf seiner schweizerischen Internetseite fragt und beantwortet Nestlé: „Verführt Nestlé Kinder zum Zuckerkonsum? Nein, wir verführen Kinder nicht zum Zuckerkonsum. Im Gegenteil, wir haben uns verpflichtet, keine Süssigkeitenwerbung für Kinder unter zwölf Jahren zu machen – gegenüber Kindern unter sechs Jahren werben wir grundsätzlich nicht.“
Nestlé nahm 2015 rund 8,2 Milliarden Euro mit Süßigkeiten ein – ein Zehntel des Konzernumsatzes. Hinzu kommen Säfte, Joghurts, Kakao oder Eis. Das Wissenschaftsnetzwerk Cochrane hat nun belegt, dass eine farbige Lebensmittelampel am wirksamsten den Konsum ungesunder Lebensmittel reduziert. Das Ernährungsministerium setzt aber auf ein eigenes ziemlich blasses Label. Und keine Zuckersteuer. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.