In Lingen im Emsland wurde am 25. Juli 2019 die 42-Grad-Marke geknackt. Sommerliche Temperaturen führen dazu, dass auch in Praxis- und Behandlungsräumen entsprechende Temperaturanstiege zu verzeichnen sind. Dies ist nicht nur für Patienten während der Behandlung unangenehm – auch die Mitarbeiter geraten ins Schwitzen und leiden unter den Temperaturen.
Wie soll unter diesen Bedingungen noch produktiv gearbeitet werden, mag man sich fragen. Ob und ab wann Mitarbeiter Hitzefrei machen können und welche Maßnahmen vom Arbeitgeber bei ansteigenden Temperaturen zu ergreifen sind, fasst der nachfolgende Beitrag zusammen.
Gesetzliche Regelungen
Zunächst einmal ist der Arbeitgeber gemäß Paragraf 618 Absatz 1 BGB verpflichtet, den Arbeitnehmer vor Gefahren für Leben oder Gesundheit zu schützen. Diese Pflicht des Arbeitgebers wird durch das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) konkretisiert. Gemäß Paragraf 3 ArbSchG trifft den Arbeitgeber die Pflicht, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Insbesondere ist die Arbeit so zu gestalten, dass eine Gefährdung für die physische Gesundheit vermieden wird (Paragraf 4 Nummer 1 ArbSchG). Eine solche Gefährdung kann freilich auch durch hohe Sommertemperaturen oder UV-Strahlung ausgelöst werden.
In den technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR) sind unter anderem folgende Punkte zu finden:
- Die Lufttemperatur in Arbeitsräumen soll 26 Grad nicht überschreiten. Gerade bei Schwangeren, Älteren oder stillenden Müttern kann das Arbeiten bei mehr als 26 Grad zu einer Gefährdung der Gesundheit führen.
- Beim Überschreiten der Lufttemperatur von 26 Grad sollen zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden, zum Beispiel die effektive Steuerung des Sonnenschutzes (Jalousien geschlossen halten) und der Lüftungseinrichtungen (Nachtauskühlung), die Reduzierung der inneren thermischen Lasten (elektrische Geräte nur bei Bedarf betreiben), das Lüften in den Morgenstunden, die Nutzung von Gleitzeitregelungen, die Lockerung der Bekleidungsregelungen oder das Bereitstellen geeigneter Getränke.
- Ab einer Lufttemperatur im Raum von 30 Grad müssen (nicht sollen) geeignete Maßnahmen ergriffen werden.
- Bei einer Überschreitung von 35 Grad Lufttemperatur ist der Raum ohne technische oder organisatorische Maßnahmen oder eine persönliche Schutzausrüstung nicht mehr als Arbeitsort geeignet.
Was bedeutet das für den Arbeitgeber?
Die rechtlichen Regelungen zeigen, dass den Arbeitgeber bei hohen Temperaturen Pflichten treffen, den Arbeitsschutz zu gewährleisten und die Gesundheit der Mitarbeiter zu schützen. Arbeitgeber sollten sich deshalb spätestens bei einer Lufttemperatur von 30 Grad in der Pflicht sehen, geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Diese sollten auch den Mitarbeitern gegenüber kommuniziert werden.
Die genannten konkreten Maßnahmen sind selbstverständlich nicht abschließend oder zwingend. Vielmehr liegt es im Ermessen des Arbeitgebers, geeignete Maßnahmen zu wählen. Diese hängen auch jeweils von den Gegebenheiten und Möglichkeiten am konkreten Praxisort ab. Neben den aufgezeigten Maßnahmen ist beispielsweise ebenfalls in Erwägung zu ziehen, einen kühleren Ort beziehungsweise Praxisraum als Arbeitsort zur Verfügung zu stellen.
Und wann gilt nun Hitzefrei?
Wenn alle vom Arbeitgeber ergriffenen Maßnahmen keine Wirkung entfalten, also beispielsweise das Anbieten eines anderen Raums oder die Anpassung der Arbeitszeiten nicht möglich ist, dürfen die Mitarbeiter ab 35 Grad Lufttemperatur im Arbeitsraum in Absprache mit dem Arbeitgeber Hitzefrei nehmen. Aus den arbeitsrechtlichen Regelungen resultiert allerdings kein ausdrücklicher Anspruch der Arbeitnehmer auf Hitzefrei. Insbesondere die Frage, ob sich Arbeitnehmer selbst Hitzefrei geben können oder dies stets eine Rücksprache mit dem Arbeitgeber erfordert ist höchstrichterlich nicht geklärt.
Der Arbeitnehmer kann indes natürlich verlangen, dass der Arbeitgeber die arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften einhält. Falls dies nicht der Fall ist, kann gemäß Paragraf 22 ArbSchG die zuständige Behörde im Einzelfall konkrete Maßnahmen anordnen.
Praxistipp
Dem Arbeitnehmer ist zunächst einmal zu raten, die Arbeit nicht eigenmächtig niederzulegen, sondern das Gespräch zu suchen. Bei eigenmächtigem Handeln besteht die Gefahr, dass der Arbeitgeber hierauf mit einer Abmahnung reagiert.
Um zu vermeiden, dass Arbeitnehmer eigenmächtig Hitzefrei nehmen, sollte der Arbeitgeber die Mitarbeiter über die konkret ergriffenen Maßnahmen und deren Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen informieren. Jeder Praxisinhaber sollte sich deshalb an die Vorgaben der ASR halten und im Worst Case den Mitarbeitern tatsächlich Hitzefrei gewähren, damit deren Gesundheit nicht gefährdet wird.
Christian Erbacher (LL.M.),
Lisa Schickling, Bad Homburg