Gendern in der dzw – einfach nur nervig oder eine Selbstverständlichkeit?
Die Herausforderung ist nicht ganz neu. Seit Jahren wird in der Redaktion immer wieder aufs Neue diskutiert, wie wir es mit dem Gendern in der dzw halten wollen. Großes Binnen-I? Irgendwie ein Fremdkörper … Die in letzter Zeit häufiger anzutreffende Schreibweise mit Sternchen? Noch schlimmer. Weibliche wie männliche Form nebeneinander? Ganz schön raumzehrend, vor allem in unserem Spaltensatz …
Gleichzeitig wird die Zahnmedizin weiblicher. Muss man dieser Entwicklung nicht auch sprachlich gerecht werden? Haben unsere zahlreicher werdenden Leserinnen nicht Anspruch darauf, korrekt angesprochen zu werden?
Die Frage Gendern oder nicht ist auch in vielen anderen Medien sowie im Deutschen Journalisten-Verband (DJV) Thema.
Für die Redaktion der dzw Anlass genug, zwei Redakteure, sorry, eine Redakteurin und einen Redakteur, Stellung beziehen und ihre Ansichten in einem Pro und Contra äußern zu lassen. Zudem erhielten wir zu unserem Interview mit Hannelore König vom Verband medizinischer Fachberufe e.V. über Corona-bedingte Entlassungen von ZFA, in dem von Teilnehmer*innen die Rede war, einen Leserbrief mit dem Titel "DZW nervt", den wir Ihnen auch nicht vorenthalten wollen.
Selbstverständlich interessiert uns auch Ihre Ansicht zum Gendern. Deshalb machen wir hier eine kleine Umfrage, in der Sie, liebe Leserinnen und Leser, oder Leser*Innen mit Ihrem Votum zur Debatte um geschlechtergerechte Sprache beitragen können. Über die Ergebnisse werden wir zeitnah berichten.
Inhalt
Sehr geehrte DZW,
was bitte nötigt Sie dazu, mit kniefälliger Buckligkeit – vermutlich nur zum Ausdruck der weiteren Amerikanisierung des 51. Bundesstaates – an der Verschlechterung des Sprachverständnisses mitzuwirken und Lese-und Sprachbarrieren in Ihre Texte einzustricken, die allein einer subliminalen Indoktrination dienen und dem Leser ansonsten zu nichts Nutze sind ?
Keine Frau, die bei Trost ist, legt auf solche aberwitzigen Entstellungen der deutschen Sprache irgendeinen Wert oder verspricht sich etwas davon. Hören Sie bitte auf, ausgerechnet in einer Fachzeitschrift normale Menschen mit abgedrifteten Minderheitsmarotten zu drangsalieren. Wir sind hier in Deutschland und deshalb reden und lesen wir Deutsch – ohne hinderliche artifizielle Turnübungen. Unser Land braucht keine weitere Beteiligung an der experimentellen Selbstverwirklichung von Narren. Andernfalls wird die Zahl derer noch rasanter steigen, die daran denken ganz auszusteigen aus dieser BRD-Kasperade. Mal sehn, wie süß das Elend dann schmeckt.
Dr. Adolf Rinne aus Rinteln
In der Tat verwendet die Redaktion der dzw ausschließlich die männliche Form. Führen wir aber – wie im obigen Fall – ein schriftliches Interview und erhalten Antworten in einer Form, die geschlechtergerechte Sprache verwendet, so übernehmen wir dies in der Regel so.
Zugleich wird die Frage des "Genderns" durchaus kontrovers in der Redaktion diskutiert. Sollten wir die Feminisierung der Zahnmedizin nicht besser berücksichtigen? Haben sich nicht auch die Lesegewohnheiten längst verändert? Wir möchten daher ein breiteres Meinungsbild unserer Leserschaft einholen und freuen uns über Rückmeldungen auf die folgende Umfrage:
Pro
Kaum einen Satz konnte Mann in den letzten Monaten so oft lesen, wie „die Zahnmedizin wird weiblicher“. So weiblich, dass Frau im Studium jetzt bald unter sich ist. Die Zahnmedizin wird also definitiv weiblicher und wir in der dzw schreiben über Männer? Nein, damit sollte Schluss sein. Zustände wie in der Standespolitik wollen wir erst gar nicht einreißen lassen.
Sprache ist eine Macht und mit der sollten gerade wir Journalisten und Journalistinnen mit Bedacht umgehen. Denn Sprache verfestigt Rollenbilder. Kaum einer und eine zuckt zusammen, wenn in den Medien von Erzieherinnen in Kitas oder Pflgerinnen die Rede ist. Und die ZFAs sind per se in den Köpfen weiblich. Das sind Berufsbilder, die Frauen zugedacht werden. Das mag derzeit mehrheitlich so sein, aber ein Naturgesetz ist es nicht. Es gibt Studien zum „Generischen Maskulinum“ – wie die Linguistik es nennt – die belegen, dass Mädchen mehr Interesse an Berufen fanden, die ihnen mit der Nennung der weiblichen und der männlichen Form beschrieben wurden – etwa Ingenieur/Ingenieurin.
Und wenn von Zahnärzten die Rede ist, werden Frauen eben nicht mitgedacht. Im Kopf entsteht das Bild eines männlichen Zahnarztes. Wenn wir über „Zahnärzte in Schwangerschaftskursen“ berichteten, würde wohl jede und jeder an begleitende Männer denken. In der Konsequenz des Generischen Maskulinum, wären die schwangeren Zahnärztinnen aber mit gemeint. Oder stellen wir uns eine Bildunterschift zu einem Foto vor, das fünf Frauen und einen Mann der Praxis xy zeigt, in der steht: „Die Zahnärzte Claire S., Klara C., Janine G., Nina P. und Michael O. haben sich auf Angstpatienten spezialisiert.“ Hallo, geht‘s noch?
Ja, Gendern nimmt Raum ein – auch in einer Zeitung wie der dzw. Aber der Raum ist gut investiert, hilft er doch, Räume in unseren Köpfen zu öffnen, in denen Frauen selbstverständlich mitgedacht werden.
Dr. Helge David
Contra
Die Vorstellung, dass Männer auf irgendeine Weise Frauen überlegen sein sollten, fand ich immer schlichtweg absurd. Daher habe ich auch nie ein Problem darin gesehen, dass für die Pluralbildung die männliche Form als Basis genommen wird, zumal das Pronomen im Plural immer weiblich ist: Auch Zahnärzte müssen sich gefallen lassen als „sie“ bezeichnet zu werden.
Was wir sprachlich nicht genau ausdrücken können, ist, was mit der „besten Zahnärztin der Welt“ gemeint ist. Denn während wir beim „besten Zahnarzt der Welt“ gerne annehmen, dass es auf der ganzen weiten Welt niemanden gibt, der besser ist, neigen wir dazu, uns bei der Zahnärztin zu fragen, ob sie „nur“ unter den Frauen die beste ist. Das zeigt sich für Frauen überall, jeden Tag, im Beruf wie im Alltag. Macht ein Mann eine Aussage, wird diese häufig als Fakt wahrgenommen. Kommt dieselbe Aussage von einer Frau, fragen Männer gerne mal, woher sie das wisse. Im besten Fall hat sie dann nicht nur irgendeine Quelle parat, sondern eine männliche. Das macht deutlich, wo das eigentliche Problem liegt: Zum einen wird Frauen immer noch weniger zugetraut als Männern. Und zum anderen sollten wir mehr Aufmerksamkeit darauf lenken, was jemand sagt, und nicht darauf, wer es sagt. Und wer glaubt, dass es Frauen besser gerecht würde, wenn dauernd gebetsmühlenartig von Mitbürgerinnen und Mitbürgern und Zahnärztinnen und Zahnärzten die Rede ist oder gar auf Sternchen etc. zurückgreift, der macht einen großen Fehler. Es betont nur das Trennende, und zwar gerade dort, wo es gar nicht um (Geschlechts-)Unterschiede geht!
Übrigens sind es häufig Männer, die wohlmeinend das Gendern in Wort und Schrift befürworten. Dazu kann ich nur sagen: Liebe Männer, solange ihr glaubt, alles besser zu wissen, insbesondere was das Beste für uns Frauen ist, werden uns alle Sternchen der Welt nicht weiterbringen.
Annette Schröder