Wie Zahnarzt und Zahntechniker mit den Softwareprogrammen DFC und ZT-Connect orale Funktionsstörungen aufspüren und interferenzfreien Zahnersatz anbieten können, erklären im Interview die Zahntechnikermeister Peter Kappert, Geschäftsführer der DentalAlliance, Essen, Klaus Vossen, Mönchengladbach, und Franco Militello, Paderborn, beide Gesellschafter der DentalAlliance.
Was können die Softwareprogramme DFC und ZT-Connect leisten?
ZTM Peter Kappert: DFC steht für Dynamic Function Control. Es ist eine rein zahnmedizinische Analysesoftware, die statische, aber vor allem individuell-dynamische Fehlfunktionen digital darstellt. Sie wird zur Diagnostik und Dokumentation von okklusalen Funktionsstörungen (OFS), wie sie beispielsweise auch bei einer craniomandibulären Dysfunktion (CMD) vorhanden sein können, eingesetzt.
Die dazugehörige ZT-Connect-Software ist die Schnittstelle zwischen Zahnarzt und Dentallabor und damit ein Tool für die Zahntechnik. Das Herzstück des Programms ist der STL-Positioner. Der Positioner sorgt für die korrekte Positionierung der Scangeometrie (Abb. 1 bis 4).
Da jedes Scansystem ein eigenes Koordinatensystem hat, ungeachtet der Hersteller der verschiedenen Systeme, braucht das DFC-Programm, die zahnärztliche Diagnosesoftware, eine perfekte und verlässliche Zuordnung der Ober- und Unterkieferposition. Hierbei ist es äußerst wichtig, dass die Modelle korrekt in habitueller Position gescannt und erfasst werden.
Aus welcher Idee heraus ist das Programm entstanden?
Kappert: Es gibt einige Kollegen in der Branche, die sich mit der „Backward-planning-Philosophie“ beschäftigen; ein interessanter Ansatzpunkt, der von dem Entwickler dieses Programms konsequent weitergeführt wurde, wobei die digitalen Möglichkeiten zu Hilfe genommen wurden. Die Grundidee war, eine Software zu entwickeln, die Fehlfunktionen im dynamischen muskulären Kaubewegungsablauf erkennt und sie visuell darstellt. Das ist mit DFC definitiv gelungen.
Wie funktioniert dabei das Grundprinzip der Analyse?
Kappert: Ein wesentlicher Aspekt war die Rückverfolgung der Abrasionsflächen. Die berühmte Nadel im Heuhaufen war gefunden, als es durch die Programmierung möglich wurde, die dynamischen Kaubewegungen jedes einzelnen Patienten über die Schlifffacetten zu berechnen. Zahnärzte und auch Zahntechniker orientieren sich bei Latero-, Medio- und Protrusionsbewegungen an schon vorhandenen Schlifffacetten. Schließlich sind diese Abrasionen durch zahlreiche Kauzyklen und minimales Berühren der Zähne entstanden.
Die Software erkennt diese Flächen, auch in minimalster Größe. So kann das System durch Verarbeitung aller Daten eine individuelle biomechanische Kausimulation erzeugen, bei der die dynamischen Kontaktpunkte des einzelnen Patienten digital und optisch dargestellt werden. Das ist durchaus als revolutionär zu bezeichnen. Es gibt unseres Wissens kein Programm, welches Störfelder im Kauablauf sicht- und deutlich erkennbar aufzeichnet.
Ist diese Art der Analyse oder Betrachtung neu? Und haben bewährte Analysesysteme, wie zum Beispiel Zebris oder Bluefox ausgedient?
ZTM Klaus Vossen: Nein zur ersten Frage: Dieser Grundgedanke wird in der Wissenschaft beispielsweise in der Biomechanik und der Anwendung der Kollisionstheorie (Unfallforschung zwischen Auto und Mensch) angewendet. DFC hat hier einen seiner Ansätze in der Programmierung.
Zur zweiten Frage muss deutlich und klar festgestellt werden: DFC ist eine Ergänzung. Unsere Zahnarztkunden setzen das Programm ergänzend vor den umfangreichen Analysen ein. DFC gibt quasi eine schnelle Vorinformation zu eventuellen CMD-Problematiken und weiteren aufwendigen, wie kostspieligen Analyseverfahren.
Können Sie in kurzen Erklärungen unseren Lesern den Workflow beider Programme skizzieren?
ZTM Franco Militello: Grundvoraussetzung für eine DFC-Diagnose ist eine perfekte Abformung. Dabei spielt es für beide Software-Programme keine Rolle, ob eine Abformung klassisch mit Abformmaterial oder per Mundscanner genommen wurde. Bei den Intraoralscannern ist Voraussetzung, dass ein STL-File erzeugt wird, wie beispielsweise bei der Planmeca PlanScan. Sehr gute Erfahrungen haben wir auch mit den Scans der Cara Trios (Genauigkeit um etwa 5 µm) gemacht.
Das vielleicht wichtigste Kriterium ist die Erfassung der habituellen Position, denn nur in der habituellen Position kann das Programm die erforderlichen Diagnose-Rückschlüsse aufzeigen. Die habituelle Situation ist mit der Mundkamera wahrscheinlich am besten zu erzielen.
Das Dentallabor überträgt die selbst gescannten oder angelieferten Datensätze in das ZT-Connect-Programm, das für die korrekte Positionierung der Scangeometrie sorgt. Dieser Schritt, das „STL-Positioning“, ist unabdingbar, um die modifizierte dreidimensionale STL-Datei für die diagnostische Analyse in DFC übertragen zu können. Die korrekt positionierten Daten werden per Mail an die Praxis gesendet. Dort kommt das DFC-Programm zum Einsatz. Alle gewonnenen Aufzeichnungen werden automatisch abgespeichert und sorgen somit zusätzlich für eine juristisch sichere Dokumentation in der Praxis.
Die gewonnenen ZT-Connect-Daten können unproblematisch eingegeben werden und nach maximal sieben bis zehn Minuten liegt die visuelle Analyse vor (Abb. 5). Diese lässt sich wiederum für eine Besprechung und Therapieplanung mit dem Partner Zahntechniker und dem Patienten direkt nutzen.
? Sie sprechen das Thema juristisch sichere Dokumentation an. Was verstehen Sie darunter?
Vossen: Die DFC-Software enthält einen modifizierten CMD-Check nach Slavicek, der allgemein anerkannt ist. So ergibt sich eine juristische Dokumentation. Nicht uninteressant, da nach einem neuen rechtskräftigen OLG-Gerichtsurteil aus 2014 in Hamm, Zahnärzte verpflichtet sind, auch den Ausschluss einer CMD vor umfangreicher Therapie (zum Beispiel Prothetik) zu dokumentieren. Es gibt bereits Rechtsanwälte, die sich bundesweit auf „CMD- Prozesse“ für Patienten spezialisiert haben.
? Welche Vorteile für die Beteiligten – Zahnarzt, Zahntechniker und Patient – ergeben sich, wenn die Software DFC zum Einsatz kommt?
Kappert: Der Hauptvorteil für jeden Zahnarzt liegt in der relativ schnell vorliegenden digitalen DFC-Analyse. Das Programm zeigt die Störfelder auf, aber jedem Behandler obliegt es, daraus die richtige Diagnose, zum Beispiel CMD-Problematiken, zu erstellen, um letztlich die perfekte Therapie abzuleiten. Um ein solches Ergebnis analog zu erzielen, bedarf es eines enormen persönlichen Zeitaufwands, wobei wir bezweifeln, ob ein solch perfektes Ergebnis zu erzielen ist.
Lassen Sie mich an dieser Stelle einige Größen der Zahnmedizin zu starren beziehungsweise dynamischen Abläufen zitieren: Prof. Slavicek: „Das craniomandibuläre System selbst kann und darf nur aus Sicht seiner Dynamik gesehen werden; statische und knöcherne Beziehungen sind eher nebensächlich.“ Ebenso zeigen zahlreiche Studien, dass die Übertragbarkeit der dynamischen Okklusion nur teilweise gelingt und damit die Gesamtfunktion des mastikatorischen Systems, und hier vor allem die Rolle der beteiligten Muskeln, mit den heutigen Systemen nur bedingt reproduzierbar sind. Hierzu Prof. Kordaß: „Es lassen sich viele biologische Faktoren, die die Eingliederung einer zahntechnischen Arbeit entscheidend beeinflussen, auch mit hohem Aufwand mechanisch nicht nachvollziehen.“ Leider ist kein Artikulator in der Lage, die komplexen Bewegungen des Unterkiefers genau zu simulieren. Aufgrund erforderlicher Standardisierungen ist deshalb die im Artikulator dargestellte Okklusion nur bedingt reproduzierbar (Reiber et al.).
Vossen: Für Zahntechniker ergibt sich eine weitere bindende Kommunikationsmöglichkeit mit seinen Kunden, die man durchaus als Win-win-Situation bezeichnen kann. Zudem kann der Zahntechniker mit dem DFC-Analyseprogramm seine Arbeiten auf Störkontakte überprüfen. Der Patient schließlich genießt den großen Vorteil, durch die verständliche visuelle Dokumentation gegebenenfalls einer vorgeschlagenen Therapie besser folgen zu können.
? Brauchen das Labor oder der Zahnarzt geschultes Personal, um die Programme bedienen zu können?
Militello: Nein, nicht wirklich. Wenn davon ausgegangen wird, dass grundsätzlich Fachkräfte die Programme bedienen werden, ist das schnell erfassbar, da beide Programme Fehler sofort visuell aufzeigen. Abgesehen davon, gibt es Anleitungen und erklärende Filme über die Handhabung der Programme. Die DentalAlliance wird nach Markteinführung – geplant ist der 1. März 2016 – den Support für beide Programme übernehmen. Es sind Schulungen für das Zahnarztteam und für Zahntechniker angedacht.
? Wie sind die Anwendererfahrungen nach der Beta-Test-Phase?
Kappert: In der DentalAlliance haben wir in einigen Monaten ungefähr 300 Analysen mit unseren Zahnarzt-Kunden erstellt. Wir dürfen unseren Beta-Tester Dr. Andreas Adamzik, MSc, auch Referent für digitale Workflows in der Zahnarztmedizin, zitieren. Er kommentiert seine Ergebnisse wie folgt: „Die optische Darstellung von Okklusionsproblemen und die damit verbundene dynamische Okklusionsdokumentation mittels DFC ist ein Meilenstein für die individuelle Planung von Therapien in der Prothetik, in der Schienentherapie, bei CMD-Problematiken sowie bei umfangreichen konservierenden Restaurationsmaßnahmen. Hierbei muss bemerkt werden, dass innerhalb von drei Monaten bei mehr als zwölf Patienten mit massiven Beschwerden nach eingehender DFC-Diagnostik und adäquater Schienentherapie sehr kurzfristig, aber auch nachhaltig Beschwerdefreiheit herbeigeführt werden konnte.“
Ferner wurden sehr eng mit dem Entwickler und mit dem verantwortlichen Sachverständigen für Qualitätssicherung „Crash-Situationen“ herbeigeführt. Dies hat so ausgesehen, dass wir bei ausgesuchten Fällen die habituelle Situation verändert haben. Immer wurde ein anderes Analyse-Ergebnis angezeigt. Das haben wir, was den Algorithmus angeht, auch nicht anders erwartet.
? Können Sie unseren Lesern etwas zu Kosten und Art der Nutzung sagen?
Vossen: Die Kosten werden bei beiden Programmen identisch und dongle-basiert sein. Wer Interesse hat, kann sich unter info@dental-alliance.de weiter informieren und Fragen zu Systemvoraussetzungen, Preisen, Vertriebspartnern etc. stellen. Das Programm wird beim ersten Startvorgang personifiziert. Das macht allein schon aus juristischer Dokumentationssicht Sinn. Erwähnt sei noch, dass beide Programme nicht auf Apple-Geräten zu verwenden sind.
? Was ist Ihr Ziel bei der Anwendung der Programme?
Militello: Wir vertrauen darauf, dass wir durch diese Programme in die Lage versetzt werden, interferenzfreien Zahnersatz anbieten zu können – und zwar, bevor der Zahnersatz unser Haus verlässt, und das funktioniert nur mittels DFC, jedenfalls zurzeit nach unseren Erkenntnissen