Die Scheidungsrate in Deutschland lag im Jahr 2020 bei knapp 40 Prozent. Über die Trennungsrate bei Gemeinschaftspraxen/Berufsausübungsgemeinschaften existiert keine öffentliche Statistik. Aus der Beratungspraxis kann berichtet werden, dass es in jeder zweiten bis dritten Praxis zu ernsthaften Differenzen kommt, die in nicht seltenen Fällen in einer Trennung münden.
Wenn Praxispartner getrennte Wege gehen (1): Basiswissen
Ist der zugrunde liegende Gesellschaftsvertrag sorgfältig rechtlich und steuerrechtlich ausarbeitet worden, gibt es in der Trennungsphase weniger Stolpersteine. Je ungenauer die rechtlichen Regelungen allerdings sind, wie dies etwa bei Musterverträgen oder bei Verträgen ohne anwaltliche Begleitung häufig der Fall ist, desto mehr Probleme holen sich die Gesellschafter in die eigene Praxis. Deshalb widmet sich der erste Beitrag unserer Reihe einigen grundlegenden Regelungen, die ein rechtssicherer Gesellschaftsvertrag beinhalten sollte.
Die richtigen Berater
Die Gestaltung von Verträgen ist eine originäre Rechtsangelegenheit. Die Gestaltung des Gesellschaftsvertrags sollte in enger Abstimmung zwischen dem Rechtsanwalt und dem Steuerberater geschehen. Auf diese Weise erzielt der Mandant optimale Ergebnisse und einen Mehrwert in der Beratung.
Entscheiden sich die Gesellschafter dazu, für die Erstellung des Gesellschaftsvertrags einen Rechtsanwalt gemeinsam zu beauftragen, ist zu beachten, dass derjenige Rechtsanwalt im Streitfall keinen der Gesellschafter mehr vertreten darf. Es besteht dann ein Interessenkonflikt.
Die Qual der Wahl – welche Rechtsform?
Die populärste Rechtsform einer Gemeinschaftspraxis ist die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gemäß den Paragrafen 705 ff. BGB. Als Gestaltungsvariante wäre zusätzlich an eine Partnerschaftsgesellschaft nach dem Partnerschaftsgesellschaftsgesetz oder eine GmbH zu denken, wobei die Vorteile unter anderem in der Haftungsbegrenzung liegen. Zu beachten ist, dass die Rechtsform einer GmbH nur in einem MVZ möglich ist. Deshalb besteht die erste Frage in der Wahl der richtigen Rechtsform und vor allem darin, wo sich die Gesellschafter in drei bis fünf Jahren sehen. Ist beispielsweise bereits zu Beginn geplant, dass die gemeinsame Praxis aus mehr als einem Standort bestehen soll, ist dies in der Beratung – und im Gesellschaftsvertrag – entsprechend zu berücksichtigen.
Präambel
Verträge, insbesondere Gesellschaftsverträge, sollten eine rechtlich und sprachlich genaue Präambel beinhalten. Bei einer Präambel handelt es sich um die „Einleitung“ des Vertrags. Sie dient dazu, den Willen der Gesellschafter bei Abschluss des Vertrags sowie die Hintergründe, die zur gemeinsamen Praxis geführt haben, schriftlich festzuhalten. Gerade im Streitfall wird sich dies als sehr nützlich erweisen. Aus der Beratungspraxis kann hier berichtet werden, dass sich eine sorgfältig ausgearbeitete Präambel auf den Trennungsprozess positiv auswirken kann.
Praxisbezeichnung, Sprechstunden, Arbeitszeit, Krankheit
Zu Beginn des Gesellschaftsvertrags befinden sich üblicherweise Klauseln, die Themen wie die jeweilige Bezeichnung der Praxis, die Aufteilung der Sprechstunden und die Arbeitszeiten der Gesellschafter regeln. Darüber hinaus sind dort Klauseln zu den Krankheitstagen und den entsprechenden Vertretungsfällen oder der Umgang mit praxiseigenen Kfz zu finden.
Auch hier gewinnt derjenige, der diese Themen sorgfältig vertraglich abgebildet hat und anwaltlich beraten wurde.
Die Kapitalkonten
Den richtigen Umgang mit Kapitalkonten werden wir am Ende unserer Beitragsreihe näher beleuchten. Hier kristallisiert sich das besondere Bedürfnis vom anwaltlichen und steuerlichen Berater heraus. Denn während der Rechtsanwalt die vertragliche Gestaltung der Kapitalkonten übernimmt, gewährleistet der Steuerberater die praktische Umsetzung.
Ohne unseren folgenden Beitrag vorwegzunehmen, ist zu erwähnen, dass sich mindestens zwei Kapitalkonten (bei Existenzgründern gegebenenfalls auch mehr) in der Beratungspraxis bewährt haben.
Befinden sich zu diesem Themenkomplex im Vertrag keine ausreichenden Klauseln, bedeutet das im Trennungsfall einen enormen Zeit- und Kostenaufwand für die anwaltlichen und steuerlichen Berater.
Die Gewinnverteilung
Ein in der Praxis häufig anzutreffender Streitpunkt ist die „richtige“ oder faire Gewinnverteilung. Da dieser Punkt von herausragender Bedeutung ist, widmen wir uns diesem Thema ausgiebig in dem zweiten Beitrag unserer Reihe.
Es gibt verschiedene Gestaltungsansätze, die individuelle Vor- und Nachteile haben. Der Gewinn (und auch der Verlust) können etwa nach Köpfen, also gleichmäßig oder nach festen Quoten verteilt werden. Darüber hinaus können umsatzabhängige Gewinnverteilungsregeln gefunden werden oder eine Kombination daraus.
Wichtig ist, dass die Gewinnverteilung anhand von Berechnungsbeispielen im Vorfeld kalkuliert und regelmäßig überprüft wird.
Die Trennungsregelungen
Unter den Trennungsregelungen verstehen wir alle Regelungen, die den Trennungsfall/Beendigungsfall der Gemeinschaftspraxis betreffen. Gute Gesellschaftsverträge zeichnen sich dadurch aus, dass diese Regelungen das Kernstück bilden. Doch wie lässt sich erkennen, ob es bei den Regelungen um das Kernstück handelt? Ganz einfach. Bereits aus der Anzahl der Seiten. Ist den Trennungsszenarien ein Großteil des Vertrags gewidmet, spricht dies dafür, weniger fehleranfällig zu sein.
Es sind dabei insbesondere solche Punkte vertraglich abzubilden:
- Was passiert im Falle einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit? Wer stellt dies fest? Ab welcher Prozentschwelle soll von einer solchen ausgegangen werden?
- Wie lange sind die Kündigungsfristen?
- Gibt es das Recht zur Anschlusskündigung?
- Welche Form muss die Kündigung haben?
- Existieren Nachfolgeklauseln? Darf der verbleibende Gesellschafter die Praxis weiterführen oder hat die Kündigung die Auflösung der Gesellschaft zur Folge?
- Was passiert im Todesfall?
- Erhält der ausscheidende Gesellschafter eine Abfindung? Wenn ja, in welchen Fällen?
- Wie wird die Abfindung ermittelt?
- Soll ein Wettbewerbsverbot vereinbart werden?
Praxistipp
Der Beitrag verdeutlicht, wie komplex die Regelungen eines Gesellschaftsvertrags sein können. Ist die Entscheidung für die gemeinsame Praxis gefallen, sollte sich deshalb unbedingt genügend Zeit für die Erstellung und Durcharbeitung des Vertrags gegeben werden. Der Gesellschaftsvertrag bildet das vertragliche Fundament der Praxis. Wer hier meint, Kosten durch den Verzicht auf einen anwaltlichen Berater sparen zu können, dem wird dies im Fall einer Trennung teuer zu stehen kommen.
Die Umsetzung der Vertragsgestaltung und Vertragsberater ist dabei denkbar einfach. Dank der digitalen Technik und Beratungsmöglichkeiten können der Vertragsentwurf am geteilten Bildschirm besprochen und alle Fragen geklärt werden.
Christian Erbacher, LL.M.
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, Bad Homburg
Elena Frietsch
Diplom-Finanzwirtin, Erbacher, Lyck+Pätzold Steuerberatungsgesellschaft mbH
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