Behandlungsfehler auf hohem Niveau
Knapp 6.000 Versicherte haben sich im vergangenen Jahr wegen des Verdachts auf einen Behandlungsfehler an die Techniker Krankenkasse (TK) gewandt. Nach einem starken Anstieg der Behandlungsfehler in den Jahren 2015 bis 2019 um 76 Prozent verharrten die Fallzahlen seit der Corona-Pandemie mit etwa 6.000 Fällen auf hohem Niveau. TK-Medizinrechtsexperte Christian Soltau bezeichnete es als erfreulich, dass die Fallzahlen nach den hohen Zuwachsraten bis 2019 nicht weiter gestiegen sind. Soltau: „Dabei ist uns klar, dass diese Zahlen nur ein Indikator für die Versorgungslage sein können, denn die Dunkelziffer ist Studien zufolge erheblich. Gleichzeitig können wir nur jeden dritten uns gemeldeten Behandlungsfehler im Verlauf der Überprüfung auch erhärten.“
Zahnmedizin stellt rund 17 Prozent der gemeldeten Verdachtsfälle
Aufgeteilt nach Facharztgruppen beziehen sich die meisten Behandlungsfehler auf eine chirurgische Behandlung. Die Zahnmedizin stellt rund 17 Prozent der gemeldeten Verdachtsfälle. Allgemeinmediziner und Geburtshilfe/Gynäkologie landen mit jeweils zehn Prozent auf den Plätzen drei und vier. Danach folgen Pflegefehler (7 Prozent), Orthopädie (5 Prozent) und Augenheilkunde (4 Prozent). Demnach entfallen 67 Prozent der von TK-Versicherten gemeldeten Verdachtsfälle von Behandlungsfehlern auf vier Facharztgruppen.
TK fordert bessere und schnellere Hilfe
Der Medizinrechtsexperte der TK, Christian Soltau, fordert eine bessere Unterstützung für die Opfer von Behandlungsfehlern und eine schnellere Hilfe. Soltau: „Fehler bei einer Operation oder einer Behandlung sind für die Opfer nicht nur eine gesundheitliche Katastrophe. Häufig stehen dabei auch der Job und die wirtschaftliche Existenz auf dem Spiel.“ Die Haftpflichtversicherungen von Ärztinnen und Ärzten zögen die Gerichtsverfahren deshalb oft gezielt in die Länge, damit die Opfer unter dem Druck von fehlenden Einnahmen und steigenden Schulden „faule Kompromisse“ bei außergerichtlichen Einigungen eingingen. „Da spielen sich nicht selten persönliche Tragödien ab“, berichtet Soltau.
Langwierige Verfahren machen die Betroffenen erneut zum Opfer
Der älteste Fall, den die TK derzeit betreue, stamme aus dem Jahr 2008. Und so lange Verfahren seien kein Einzelfall. Bei Geburtsfehlern beispielsweise müssten die Opfer im Durchschnitt mehr als zehn Jahre für ihr Recht kämpfen, so der TK-Experte. „Es ist ein Unding, dass die Betroffenen dabei nach dem erlittenen gesundheitlichen Leid erneut zum Opfer von strittigen, langwierigen und teuren Verfahren werden. Die TK fordert deshalb schon seit Jahren einen Härtefallfonds von der Bundesregierung zur Unterstützung von Behandlungsfehleropfern. Soltau: „Es ist erfreulich, dass die Berliner Koalition den Fonds in dieser Legislaturperiode umsetzen will. Der Fonds kann den wirtschaftlichen Druck auf die Menschen mildern und den Rechtsstaat stärken.“
Kasse unterstützt die Betroffenen
Die Versicherten können aber auch jetzt schon Unterstützung von ihren Krankenkassen erhalten. Die TK unterstützt Versicherte mit dem Verdacht auf einen Behandlungsfehler mit einer Beratungshotline (Tel. 040/46 06 61 21 40), einem Online-Lotsen und einer Beratungsbroschüre. Soltau: „Wir informieren und unterstützen unsere Versicherten mit unserem Know-how.“ Unter anderem könne die TK in vielen Fällen kostenfreie Gutachten beim Medizinischen Dienst in Auftrag gegeben, die die Versicherten später für ihre juristische Auseinandersetzung nutzen können. In speziellen Fällen kann die TK auch medizinisch-juristische Gutachten bei privaten Gutachtern in Auftrag geben. Einen besonderen Vorteil haben Betroffene, wenn die TK einen Teil des Schadens gerichtlich geltend machen kann: „Bei einer Klage der Krankenkasse gegen einen Leistungserbringer können die Versicherten den Ausgang des Gerichtsverfahrens abwarten. Je nach Ausgang des Verfahrens können sie anschließend prüfen, wie sie ihre Chancen vor Gericht einschätzen und ob sie das Risiko eines Gerichtsprozesses eingehen wollen.“
Tipps und Tricks zur Fehlervermeidung
Patientinnen und Patienten können aber auch selbst aktiv zur Vermeidung von Behandlungsfehlern beitragen. In einem Informationspaket bietet die TK Tipps und Tricks für Patientinnen und Patienten, mit denen sie selbst einen wichtigen Beitrag zu ihrer Sicherheit leisten können.