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DZW Bonner Runde: Kunden noch am Anfang der Digitalisierung

Bonner Runde

Bonner Runde: Zwölf Geschäftsführer und Geschäftsbereichsleiter namhafter Dentalunternehmen diskutierten mit Unternehmensberater Rudolf Weiper den Stand der und die Erwartungen an die Digitalisierung.

Und die deutsche oder in Deutschland tätige Dentalindustrie? Wie verändern sich ihre Geschäfte, Produkte, Kundenbeziehungen? Wo stehen Zahnarztpraxen, Dentallabore, Handel und Industrie in Deutschland in puncto Digitalisierung? – Diese und weitere Fragen diskutierten zwölf Geschäftsführer und Geschäftsbereichsleiter namhafter Dentalunternehmen in der „DZW Bonner Runde“ unter der bewährten Moderation des Baseler Unternehmensberaters Rudolf Weiper.

Rudolf Weiper

Der Baseler Unternehmensberater Rudolf Weiper konfrontierte die Teilnehmer zum Start mit ernüchternden Zahlen.

Er machte in seiner Einführung klar, dass die Digitalisierung den Markt längst verändert hat, Vorreiter ist die Prothetik. Nur noch gut 50 Prozent der zahntechnischen Arbeit fand 2013/14 noch im klassischen gewerblichen oder Praxislabor statt. 2005 waren es noch gut 90 Prozent. Die andere Hälfte wird heute chairside im Praxislabor, in Fräszentren oder im Ausland – und auch dort zunehmend digital – gefertigt. Die Laborlandschaft ist weiter im Umbruch, neue digitale Technologien wie der 3-D-Druck sind Treiber sowohl für das Labor als auch für die Praxis.

Wandel in den Praxisstrukturen

Bis 2020 wird ein großer Teil der Praxen weitgehend digital aufgestellt sein – vor allem in der Praxisverwaltung und Warenwirtschaft und bei den bildgebenden Verfahren, aber auch bei immer mehr Geräten, vom Kompressor und Steri bis zur Behandlungseinheit und dem kabellosen Handstück mit Tablet-Steuerung. Der Generationenwechsel hin zur digital affineren Generation Y, der Trend zu Mehrbehandlerpraxen, Großpraxen und zahnärztlichen Medizinischen Versorgungszentren (Z-MVZ) werde die Digitalisierung beschleunigen, so das Ergebnis aus früheren „Bonner Runden“ mit Zahnärzten aller Generationen.

Immer größere Datenmengen wollen verarbeitet werden

Damit werden auch die in den Praxen und Laboren anfallenden Datenmengen deutlich zunehmen. Schon heute sind viele Produkte verfügbar, die verwertbare Daten produzieren – von der Fernwartung bis zur digitalisierten Nachbestellung und Logistik. Predictive Maintenance und Remote Services sind die gängigen Schlagworte. Die Produkte selbst werden zum Transporteur dieser digitalen Dienstleistungen. Sind Geräte oder Anwendungen digital mit dem Hersteller verbunden, bekommt dieser die Informationen zu deren Nutzung direkt, ohne Umweg über den Handel.

Werden die Unternehmen am stärksten von der Digitalisierung profitieren können, die möglichst viele dieser Wege bedienen können? Die über die breiteste Produktpalette auch die meisten Anknüpfungspunkte und Anwendungen bei den Kunden in Praxis und Labor besetzen? Diese Fragen wurden heiß diskutiert.

„Unsere eigene Produktion und die internen Abläufe sind längst so weit wie möglich durchdigitalisiert. Da sind wir voll drin, auch wenn wir uns im Außenkontakt doch noch häufig im eigenen Datensilo bewegen. Aber bei neuen Produkten und digitalen Anwendungen für die Kunden machen uns die regulatory affairs das Leben schwer, gerade bei Medizinprodukten“, so ein Geschäftsführer. „Wir sind ja alle exportorientiert und richten uns damit in der Regel nach den strengsten Anforderungen im Markt. Das bremst uns je nach Produkt auch beim Thema Digitalisierung aus. Besonders streng sind die Auflagen bei Medikamenten“, erläuterte ein anderer. Das werde noch zunehmen.

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Bedeutet die breiteste Produktpalette auch die meisten Anknüpfungspunkte zu Kunden in Praxis und Labor? Diese Frage wurden heiß diskutiert.

Datenschutz hemmt Digitalisierung

Beim digitalen Zugang zum Kunden und bei der Analyse der Daten aus den Kundenbeziehungen, aber auch in der Vernetzung und dem Datenaustausch unter den Kunden – Zahnärzten, Laboren – selbst ist der im Vergleich zu anderen europäischen Ländern oder gar den USA sehr strenge deutsche Datenschutz ein großes Hindernis, wie ein Geschäftsführer mit Blick auf seine Erfahrungen im US-amerikanischen Gesundheitsmarkt erläuterte. In den USA sei der Datenaustausch via Cloud die Regel und auch gewünscht, große Versicherer  und Factoring-Unternehmen bedienten sich und andere bereits aus den Datenpools. „Dental 4.0 wird darunter leiden, wenn sich das in Deutschland nicht öffnet“, so sein Fazit.

Wer die Schnittstelle hat, hat das Sagen

Mit der vom Staat gewünschten und geforderten Gesundheitstelematik in Deutschland kommen neue Player in den Markt. Mit dem Aufbau der Telematik durch die beiden Bieterkonsortien könnten die daran beteiligten Unternehmen auch eine Gatekeeper-Funktion für den digitalen Zugang zu Arzt- und Zahnarztpraxen bekommen. Ankoppeln an die Telematikinfrastruktur mit gewünschtem Datenaustausch kann sich dann nur noch der, der die von diesen Konsortien entwickelten Schnittstellen mit seinen Produkten bedient. Ob diese Player dann die bisher bekannten Unternehmen aus der Software- und Telekommunikationsbranche sind, oder ob sich Datenriesen wie Amazon, Siemens, Microsoft, Google und Co. oder ganz neue Unternehmen in das lukrative Geschäft mit den Gesundheitsdaten einklinken, ist offen. International jedenfalls sind solche neuen Player bereits unterwegs.

„Der Umgang mit Gesundheitsdaten wird sich in Deutschland ändern. Es gibt ja prinzipiell eine hohe Bereitschaft der Patienten, ihre Daten freizugeben, wenn sie davon einen Vorteil erwarten“, zeigten sich die Teilnehmer sicher, auch wenn die Datenschutzregularien wohl deutlich höher bleiben werden als in den USA.

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Die Digitalisierung hat den Markt längst verändert, Vorreiter ist die Prothetik.

Eher konservative Kleinstunternehmer in Praxen und Laboren

Noch aber kämpfen die Unternehmen beim Thema Dental 4.0 mit der geringen digitalen Affinität ihrer Kunden, vor allem der Zahnärzte. Diese seien von der Struktur her weiter Kleinstunternehmer, die den Nutzen digitaler Anwendungen oft nur schwer erkennen und in ihren Praxen realisieren können, so die nüchterne Einschätzung der Teilnehmer. Das zeige sich schon bei der Nutzung des Internets: Informationen über Produkte oder Anwendungen würden dort wenig gesucht, die klassische Hotline sei dagegen weiter sehr gefragt.

Impulse werden von den Z-MVZ erwartet

„Unsere Kunden stehen ganz überwiegend noch am Anfang der Digitalisierung“, so die Einschätzung. „Es gibt eine höhere Akzeptanz für digitale Verfahren bei den jüngeren Zahnärzten, aber auch das ist kein Automatismus. Die Zielgruppe Zahnärzte ist im Vergleich zu anderen Berufen sehr konservativ“, so die Analyse. „Es ist schon jeden Tag erneut überraschend, wie wenig wir mit unseren Kunden digital kommunizieren“, konstatierte ein Teilnehmer. Von den neuen Praxisformen wie Z-MVZ erwartet man da einen deutlichen Schub für die Digitalisierung, da die Vorteile umso größer sind, je größer die Praxis ist. Es würden zunehmend präzise, vergleichbare und handhabbare Kennzahlen und Benchmarks zur Steuerung einer Praxis ermittelt.

Immer mehr Leistungen bei der Industrie – Handel als Mittler schwierig

Der Handel als Mittler dieser Entwicklung wird von Unternehmen zunehmend skeptisch betrachtet. Er könne schon jetzt den Markt in seiner vollen Breite kaum noch vertreten. Nur 20 Prozent der Vertriebsleistung an Labore und 50 Prozent der Vertriebsleistung an Praxen würden noch vom Handel geleistet, so die Einschätzung. Vertriebs- und Serviceleistungen gerade bei komplexen Produkten würden immer stärker auf die Industrie verlagert. Hier werde gewinnen, wer daraus auch ein Geschäftsmodell machen könne. „Wir müssen den Mut haben, Dienstleistungen in Bezahlleistungen zu überführen und das auch so zu kommunizieren – die Dienstleistungen werden künftig eine Säule des Umsatzes sein“, so ein Fazit der Runde. Hier liege einer der wichtigsten Brennpunkte des digitalen Verkaufs der Zukunft.

Den Kontakt zum Kunden gezielt ausbauen

„Der Handel liefert uns nur geclusterte Daten. Deshalb dürfen wir den direkten Kontakt zum Kunden auf keinen Fall verlieren und schon gar nicht freiwillig übertragen, sondern müssen ihn gezielt ausbauen“, so ein klares Statement. Nicht zuletzt, weil der Handel die früher enge Bindung an die Kunden von der Ersteinrichtung bis zur Praxisabgabe immer mehr verliere – auch das eine Konsequenz der Digitalisierung und des Generationenwechsels bei den Kunden. Gerade bei komplexen Produkten und Anwendungen sei ein eigener, unabhängiger Außendienst für viele Unternehmen immer mehr ein Muss, um erfolgreich zu sein. Entsprechend werden hier weiter deutlich steigende Personal- und Fortbildungskosten erwartet.

Kommunikation via Social Media aufwendig – und erfolgreich

Beispiele in der Diskussion zeigten, dass gerade über Social Media mit einer guten Strategie ein sehr enger Kontakt zu den Kunden möglich ist und sich viele wertvolle Informationen gewinnen lassen. Der Aufwand dafür ist aber nicht zu unterschätzen, so die Erfahrungen in der Runde, und für kleine und mittlere Unternehmen oft noch nicht darzustellen. „Für uns hat das noch keinen großen Effekt gezeigt, wir haben unsere Aktivitäten hier zunächst wieder zurückgefahren“, so ein klassischer Mittelständler.

Für weltweit agierende größere Unternehmen oder Konzerne mit internationaler Kundenklientel geht die Social-Media-Strategie aber oft auf: „Wir haben heute echte Fangruppen für bestimmte Produkte im Netz, die sich intensiv austauschen und Neuheiten schnell verbreiten“, so die Erfahrung aus einem anderen Unternehmen, das für den Bereich Social-Media-Kommunikation allerdings auch eine eigene mehrköpfige Abteilung unterhält. Der Community-Gedanke sei stark im Dentalmarkt, die Anwender wollten sich austauschen. Man kann deshalb bei den Kunden noch stärker auf die begehrte Empfehlung durch Kollegen abzielen.

Auch der Gedanke der direkten Kommunikation und Information gegenüber dem Patienten erhalte durch die Digitalisierung eine neue Dimension, so ein weiteres Diskussionsfazit. „Gerade im Bereich Prophylaxe können wir die Patienten ebenso wie das Fachpersonal über gut gestaltete Informationskampagnen im Netz heute direkt erreichen und damit natürlich auch Nachfrage generieren“, so ein Anbieter aus diesem Bereich.

Bonner Runde

„Gerade in der Prophylaxe können wir Patienten wie das Fachpersonal über gut gestaltete Informationskampagnen im Netz heute direkt erreichen und damit natürlich auch Nachfrage generieren.“

Wahl des passenden Kommunikationskanals entscheidet über den Erfolg

„Wir müssen uns noch stärker Gedanken darüber machen, wie wir die neuen Kommunikationswege richtig nutzen, um unseren Kunden einen echten Mehrwert zu bieten und gleichzeitig den direkten Kontakt zu ihnen zu bekommen und zu pflegen. Wir stehen da oft noch ganz am Anfang. Wir sehen die Wege – aber welche Konsequenzen ziehen wir daraus? Das ist ein Thema, mit dem wir uns unbedingt noch einmal beschäftigen müssen“, lautete der Wunsch nach einer zusätzlichen Runde.

Der digitale Zug nehme auch dental weiter Fahrt auf, der Triebwagen, die Praxis, sei aber immer noch weitgehend analog unterwegs, so ein Fazit. Derzeit sei noch kein Hersteller in der Lage, von „digital“ zu leben. Analog sei noch die Basis des Geschäfts – „aber wie lange noch?“, fragten sich die Teilnehmer. Wichtig seien Standards für Schnittstellen, Datenformate und Datentransfer, aber Deutschland müsse dabei aufpassen, dass es sich beim Weltmarktthema Digitalisierung durch fehlende Standards oder zu enge Vorgaben von der internationalen digitalen Entwicklung im Medizinmarkt nicht abkoppele.

Damit und mit anderen offenen Fragen wird sich eine zweite Industrie-Runde der „DZW Bonner Runde“ Ende Oktober beschäftigen.