Die „Bettkantenentscheidung“
Ergebnisse der repräsentativen Studie „Arbeiten 2023“:
6 von 10 Arbeitnehmern melden sich trotz Arbeitsfähigkeit krank
Leichte Schniefnase am Morgen eines Arbeitstages – der oder die Angestellte fühlt sich eigentlich fit genug, doch ein arbeitsfreier Tag würde gut passen:
- Die „Bettkantenentscheidung“ fällt bei 59 Prozent der Beschäftigten in Deutschland zugunsten der Krankmeldung, obwohl sie arbeitsfähig wären.
- 10 Prozent tun dies häufig, 23 Prozent manchmal und 26 Prozent selten.
- 36 Prozent sagen von sich, gesund immer dem Job nachzugehen.
Dies sind Ergebnisse der repräsentativen Studie „Arbeiten 2023“ der Pronova BKK, für die im November 2023 rund 1.200 Arbeitnehmerinnen uns Arbeitnehmern ab 18 Jahren online befragt wurden.
Unterschiede zwischen den Generationen
Mit Krankheit gehen die Generationen unterschiedlich um. Dabei verdächtigen Arbeitnehmer öfter die Generation Z: Dreiviertel vermuten, die 18- bis 29-Jährigen melden sich krank, obwohl sie fit wären. Der Baby-Boomer-Generation ab 59 Jahren bescheinigen 28 Prozent der Befragten, dies nie zu tun. Je jünger die Arbeitnehmer sind, desto eher wird ihnen nachgesagt, auch gesund manchmal die Krankmeldung einzureichen.
Wirtschaftspsychologin und Resilienz-Trainerin Patrizia Thamm führt dieses Misstrauen gegenüber den 18- bis 29-Jährigen vor allem auf mangelndes Verständnis zwischen den Generationen zurück. „Es ist erkennbar, dass sich die junge Generation durch ein sensibleres Frühwarnsystem für die eigenen Bedürfnisse auszeichnet, was aus meiner Sicht sehr wertvoll ist. Sie schreibt also ihrer Selbstfürsorge und eigenen Gesundheit eine hohe Priorität zu und zieht nicht um jeden Preis das Arbeitspensum durch, wenn sie gesundheitlich angeschlagen ist“, sagt die Referentin Gesundheitsförderung der Pronova BKK.
Gesundheitsbewusste Gen Z trifft auf Präsentismus der Älteren
Allerdings stoßen die 18- bis 29-Jährigen mit diesem Verhalten häufig noch auf das Unverständnis der Älteren. Weil es früher üblicher war, ungesunde Arbeitsbedingungen zu ertragen und Prozesse weniger in Frage zu stellen. Thamm: „Ein Burn-out war sicherlich nicht erstrebenswert, gehörte im Notfall aber dazu“, sagt Thamm. Sie rät deshalb: „Es ist eine wichtige Führungsaufgabe, ein gegenseitiges Verständnis zwischen den Generationen herzustellen.“
Sich trotz Arbeitsfähigkeit krank zu melden kann das Vertrauen zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten beeinträchtigen und die Arbeitsmoral in Unternehmen ernsthaft schädigen, da sie die Arbeitsbelastung für die verbleibenden Mitarbeiter ungleich erhöhen.
In Sachen Präsentismus findet offenbar ein Umdenken statt
- Laut der Befragung gehen heute deutlich weniger Arbeitnehmer mit leichten Infekten zur Arbeit als vor der Coronapandemie. Während dies 2018 noch 50 Prozent gemacht haben, waren es 2023 nur 34 Prozent.
- Zudem schleppen sich weniger Arbeitnehmer mit Rückenschmerzen zur Arbeit: Die Anzahl der Betroffenen sank seit 2018 um 11 Prozentpunkte auf 46 Prozent.
Trotzdem sind Schmerzen im Rücken die Erkrankung, mit der sich die Deutschen am häufigsten noch zum Dienst melden. Doch nach wie vor kuriert nicht einmal jeder Dritte seine ihre Erkrankung bis zur vollständigen Genesung aus. Vor allem bei Erkrankungen der Atemwege und ansteckenden Infekten warten rund 20 Prozent nur, bis die schlimmsten Symptome vorbei sind.
Jeder Achte geht mit positivem Coronatest zur Arbeit
Besonders besorgniserregend ist die Tatsache, dass 12 Prozent der Befragten mit positivem Coronatest und mildem Verlauf an ihren Arbeitsplatz zurückkehrt. Selbst während der Pandemie waren es 9 Prozent.
Jetzt scheint der Respekt vor dieser Erkrankung nochmals nachgelassen zu haben – vor allem in der Generation Z: Hier hat sich der Wert im Vergleich zum Vorjahr sogar fast verdoppelt. Dazu kommen diejenigen, die bei Erkältungssymptomen inzwischen darauf verzichten, einen Coronatest zu machen.
Thamm: „Das Virus bleibt nach wie vor unberechenbar. Es ist daher ratsam, zu Hause zu bleiben, um das Risiko einer Ansteckung von Kolleginnen und Kollegen zu minimieren. Insbesondere, weil heute deutlich häufiger als vor einigen Jahren die Möglichkeit besteht, im Homeoffice zu arbeiten.“
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