Studien zeigen, dass die Mundgesundheit bei pflegebedürftigen Patient:innen mit Einschränkung der motorischen oder kognitiven Fähigkeiten schlechter und das Risiko einer Parodontitis-Erkrankung wesentlich höher sind. Mit Neufassung der PAR-Richtlinie wurde diesen besonders vulnerablen Patientengruppen erstmals ein Zugang zur systematischen Parodontitistherapie eröffnet.
Die bedarfsgerecht an die Belange von Pflegebedürftigen und Menschen mit Beeinträchtigungen angepasste Behandlungsstrecke steht allen Patient:innen offen, die einem Pflegegrad nach § 15 SGB XI zugeordnet sind oder Eingliederungshilfe nach § 99 SGB IX erhalten und bei denen die Fähigkeit zur Aufrechterhaltung der Mundhygiene
❚ nicht oder nur eingeschränkt gegeben ist oder
❚ bei denen die Behandlung nur in Allgemeinnarkose durchgeführt werden kann oder
❚ bei denen die Kooperationsfähigkeit nicht oder nur eingeschränkt gegeben ist.
Der Zugang zu den Leistungen ist unbürokratisch und erfolgt ohne langes Antrags- und Genehmigungsverfahren. Die Behandlung muss der zuständigen Kasse lediglich angezeigt werden, die Behandlung kann direkt erfolgen.
Modifizierte Behandlungsstrecke
Auch die modifizierte Behandlungsstrecke startet mit der ausführlichen Erhebung von Anamnese, Befund und Diagnose nach § 3 PAR-Richtlinie als Grundlage für die Therapie.
Ist eine umfassende Befunderhebung aufgrund der individuellen Situation nicht möglich, muss zumindest die Messung der Sondierungstiefen an mindestens zwei Stellen pro Zahn (mesioapproximal und distoapproximal) erfolgen.
An Zähnen mit Sondierungstiefen von 4 mm oder mehr kann dann eine Behandlung zu Lasten der Krankenkasse erfolgen.
Da die aktive Einbeziehung des Patienten in den Behandlungsprozess nicht möglich ist, entfallen das Aufklärungs- und Therapiegespräch (ATG) sowie die patientenindividuelle Mundhygieneunterweisung (MHU) und es wird direkt mit der antiinfektiösen Therapie nach § 9 PAR-Richtlinie gestartet.
Bei Patient:innen, die an einzelnen Zähnen Sondierungstiefen von 6 mm oder mehr aufweisen und bei denen die Behandlung nur in Allgemeinnarkose durchgeführt werden kann, kann in Ausnahmefällen statt der antiinfektiösen Therapie (AIT a/b) direkt eine chirurgische Therapie (CPT a/b) erfolgen. Das ist die einzige Ausnahme, die eine offene Therapie vor Durchführung einer geschlossenen Therapie zulässt.
Unterstützende Parodontitistherapie
Kernstück der PAR-Therapie ist die strukturierte Nachsorge nach der eigentlichen Behandlung, die durch engmaschige Kontrollen helfen soll, eine Neu- oder Reinfektion zu verhindern. Die unterstützende Parodontitistherapie (UPT) wird für die Dauer von zwei Jahren auch für Patient:innen der modifizierten PAR-Strecke gewährt.
Unabhängig vom Grad der Erkrankung können einmal je Kalenderhalbjahr mit einem Mindestabstand von fünf Monaten folgende Leistungen zu Lasten der Kasse abgerechnet werden:
❚ die Messung der Sondierungstiefen an mindestens zwei Stellen pro Zahn (mesioapproximal und distoapproximal) in Millimetern
❚ die Erhebung von Sondierungsbluten
❚ die subgingivale Instrumentierung an den betroffenen Zähnen, mit einer Sondierungstiefe von >= 4 mm und Sondierungsbluten sowie an allen Stellen mit einer Sondierungstiefe von >= 5 mm
❚ die vollständige supragingivale und gingivale Reinigung aller Zähne von anhaftenden Biofilmen und Belägen.
Die Leistungen im Überblick
❚ 4 Befunderhebung und Erstellen eines Parodontalstatus
❚ AIT a Antiinfektiöse Therapie je behandeltem einwurzeligen Zahn ❚ AIT b Antiinfektiöse Therapie je behandeltem mehrwurzeligen Zahn
❚ CPT a Chirurgische Therapie je behandeltem einwurzeligen Zahn
❚ CPT b Chirurgische Therapie je behandeltem mehrwurzeligen Zahn
❚ 108 Einschleifen des natürlichen Gebisses zum Kauebenenausgleich und zur Entlastung, je Sitzung
❚ 111 Nachbehandlung im Rahmen der systematischen Behandlung von Parodontopathien, je Sitzung
❚ UPT d Messung von Sondierungsbluten und Sondierungstiefen
❚ UPT e Subgingivale Instrumentierung bei Sondierungstiefen von 4 mm oder mehr und Sondierungsbluten sowie an allen Stellen mit einer Sondierungstiefe von 5 mm oder mehr, je einwurzeligem Zahn
❚ UPT f Subgingivale Instrumentierung bei Sondierungstiefen von 4 mm oder mehr und Sondierungsbluten sowie an allen Stellen mit einer Sondierungstiefe von 5 mm oder mehr, je mehrwurzeligem Zahn
❚ UPT c Supragingivale und gingivale Reinigung aller Zähne von anhaftenden Biofilmen und Belägen, je Zahn.
Kennzeichnung und Budgetierung
BEMA-Leistungen zur Behandlung von Parodontitis bei anspruchsberechtigten Versicherten nach § 22a SGB V, die im Rahmen der modifizierten Behandlungsstrecke erbracht werden, sind bei der Abrechnung mit einem angehängten „S“ zu kennzeichnen.
Erfreulich ist, dass der Gesetzgeber die PAR-Leistungen bei vulnerablen Gruppen entsprechend Paragraf 22a SGB V von der Budgetierung ausgenommen hat. Dazu zählen neben den erwähnten Leistungen der bedarfsgerechten modifizierten PAR-Strecke auch Leistungen, die für Patient:innen bei Vorliegen eines Pflegegrads oder einer Leistungsberechtigung in der Eingliederungshilfe im Rahmen der systematischen PAR-Behandlung erbracht werden.
Auch diese Leistungen werden bei der Abrechnung entsprechend mit einem „P“ für Pflegegrad nach Paragraf 15 SGB XI oder „E“ für Eingliederungshilfe nach Paragraf 99 SGB IX gekennzeichnet.
Die Entscheidung, ob die PAR-Behandlung eines Pflegebedürftigen im Rahmen der bedarfsgerechten oder der systematischen PAR-Strecke erfolgen kann, obliegt der Einschätzung des Behandlers.
ZMV+ Birgit Enßlin
Birgit Enßlin Kerschelweg 20 83098 Brannenburg
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prophylaxe impuls
prophylaxe impuls ist eine zahnärztliche Fachzeitschrift. Sie erscheint vierteljährlich und wird vom zfv Zahnärztlicher Fach-Verlag, Herne, herausgegeben. Das redaktionelle Konzept zeigt auch das Alleinstellungsmerkmal des Fachmagazins: prophylaxe impuls vereint in jeder Ausgabe Wissenschaft und Praxis.
Verantwortlicher Redakteur ist Prof. Dr. S. Zimmer, Universität Witten/Herdecke, Leiter des Departments für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Witten.
Zielgruppe des Fachmagazins ist die Prophylaxe-orientierte Zahnarztpraxis. Die zwei redaktionellen Schwerpunkte Wissenschaft und Praxis binden einerseits Zahnärztinnen und Zahnärzte ein und bieten anderseits für die Prophylaxe-Mitarbeiter/innen praxis- und patientenbezogene Informationen.