Anzeige

Premium Article

Premium Article
0

Advertorial

Advertorial
0

Prothesenstomatitis – nicht immer ist es (nur) Candida

Bakteriell-fungaler Synergismus fördert orale Entzündungen

Die Zusammensetzung des ora­len Mikrobioms ist einer der wich­tigsten Faktoren für die Erhaltung der Mundgesundheit. Ungleich­ge­wicht und Artenverarmung der oralen Biozönose stören nachhaltig die Kommunikation der resi­den­ten Mundflora mit den oralen Ge­weben und führen zu Krankheitsbildern wie Parodontitis, Karies und Stomatitis.

Bei Letzterer kommt der Prothesenstomatitis wegen ihrer Häufigkeit und der Tendenz zur Chronifizierung besondere Bedeutung zu. Die Prävalenz einer Prothesen­sto­matitis liegt bei bis zu 75 Prozent. Symptome sind primär ein „burning mouth syndrom“, Schleimhautrötungen bis hin zu einem generalisierten Erythem im Bereich der Prothesenauflagefläche und zum Teil ausgedehnte Läsionen mit knotigen und papillären Veränderungen, meist am Gaumen.

Biofilme als Quelle für Infektionen

Als Verursacher der durch nicht fest­sitzenden Zahnersatz ausge­lösten Entzündung der oralen und speziell der palatinalen Mukosa wird häufig eine alleinige Infektion mit der Hefe Candida albicans angesehen. Diese ist zwar bei 30 bis 70 Prozent der Betroffenen nachweisbar, aber keineswegs die alleinige Ursache. Die Beteiligung von Bakterien wurde bis vor Kurzem völlig unterbewertet und nur peripher untersucht. Neue Studien zeigen aber, dass die Prothesenstomatitis, ganz ähnlich wie andere inflammatorische Erkrankungen der Mundhöhle, das Resultat einer komplexen Interaktion unterschiedlicher Keime darstellt und damit als polymikrobielle Erkrankung zu werten ist.

Der Biofilm auf den Zähnen und auf dem Zahnersatz zeigt Unterschiede in der Komposition und der Diversität der beteiligten Mi­kroorganismen. Dies gilt sowohl für Zahnteilprothesen als auch für eine Vollprothese. Während bei Letzterer der Biofilm eher als arten­arm bewertet werden kann, wird er bei Trägern von Teilprothesen von der bakteriellen und fungalen Besiedlung der Restbezahnung signifikant beeinflusst. Auf natürlichen Zähnen entstehen zwar rascher artenreichere Biofilme als unter Prothesen, allerdings finden die Keime unter der Auflagefläche ein vor der Spülfunktion des Speichels weitgehend geschütztes Biotop. Im Gegensatz zu den Geweben des na­türlichen Zahns ist der Prothesenkunststoff keine biologische Struktur. Dadurch sind die Plaquebildner hier deutlich weniger zur lokalen Wirtsabwehr exponiert und können sich ungestört vermehren.

Wirtsfaktoren triggern die Entstehung einer Stomatitis

Es bestehen große individuelle Unterschiede in der Zusammensetzung der Biozönosen auf verbliebenen Zähnen und den mit dem Zahnersatz assoziierten Bereichen. Der Wirtsfaktor spielt gerade bei den hier Betroffenen, meist bei äl­te­ren Personen, eine wichtige Rolle. Vorerkrankungen führen ebenso wie notwendige Dauer­medikationen zu veränderten Bedingungen für die oralen Keime und zu Veränderungen in der Zusammensetzung des Speichels. So ist etwa die Durch­blutung der Schleim­haut bei Typ-II-Diabetikern deutlich reduziert.

Altersbedingte Einschränkungen der Immunabwehr, Eisen­man­gelanämie, aber auch Schad­stof­­fe wie Tabak, Alkohol sowie durch Druck­stellen schlechtsitzender Prothesen verursachte Mikrotraumata schaffen Nährböden für potenziell pathogene Mikroorganismen. Die Integrität der Mukosabarriere wird zerstört und Bakterien und Hefen können in tiefere Gewebeschichten eindringen und dort zu abszedierenden Einschmel­zungen führen. Zerstörtes Gewebe bildet einen idealen Nährboden für Mikroorganismen. Nicht selten kommt es zu Erosionen und Ulzerationen. Deshalb findet man im Gegensatz zum entzündungsfreien Prothesenlager bei bestehen­-der Stomatitis eine weit höhere Menge und Dichte an Plaque.

Verschiebungen im Keimspektrum erhöhen die Virulenz

Mikrobiologische Analysen zei­gen eine Zunahme von Actinomyceten wie Atopobium, aber auch von Anaerobiern aus der Gruppe der Bacteroidea und Prevotella bei gleichzeitiger Reduktion von mit oraler Gesundheit assoziierten Bakterien wie Streptococcus sanguis und Streptococcus gordonii. Große Unterschiede zeigten sich innerhalb der Gattungen Fusobacterium und Porphyromonas. Hier waren ausschließlich bestimmte Arten wie Fusobacterium nucleatum und Porphyromonas gingivalis mit Entzündung und Gewebeschädigung assoziiert, während sich für andere Arten dieser Genera nur wenig Verbindungen zur Prothesenstomatitis zeigten.

Bei der Behandlung einer Prothesenstomatitis muss neben der Behebung und Sanierung mög­licher mechanischer Ursachen auch das gesamte polymikrobielle Bild einbezogen werden. Häufig, aber nicht immer ist Candida beteiligt. Spätestens bei mangelndem Erfolg nach antimykotischer Therapie empfiehlt sich eine Ab­klärung möglicher bakterieller Auslöser. Bakteriell-fungaler Synergismus fördert die Entzündung Prothesenstomatitis – nicht immer ist es (nur) Candida.

DDr. Christa Eder, Wien

DDr. Christa Eder

ist Fachärztin für Pathologie und Mikrobiologin. Seit vielen Jahren schreibt sie für das österreichische Fachmagazin „Zahn.Medizin.Technik“ und die deutsche Fachzeitung „dzw – Die ZahnarztWoche“. Auch ist sie als Vortragende im Bereich der zahnärztlichen Mikrobiologie international bekannt.

Mitglied seit

7 Jahre 2 Monate