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Rechtsstreit um Knochentransplantation mit fast tödlichem Ausgang

Am Justizzentrum in Bochum wird um die Folgen einer Periimplantitis gestritten.

Die zuständige Gerichtskammer muss über die Klage einer Patientin gegen ihren Zahnarzt befinden wegen einer Knochentransplantation, nach der die Patientin fast verstorben wäre. Die Brisanz in dem Streit um mutmaßliche Behandlungsfehler besteht in den organisatorischen Vorwürfen, die dem Zahnarzt vorgehalten wurden.

Periimplantitis mit Folgen

Die Patientin ist etwa 15 Jahre vor der Behandlung beim beklagten Zahnarzt von einem anderen Zahnarzt mit Implantaten im Unterkiefer versorgt worden. Der beklagte Zahnarzt stellte eine Periimplantitis an den Implantaten 35 und 36 fest. Die Periimplantitisbehandlung wurde durchgeführt. Die Krankenunterlagen dokumentierten die Verordnung eines Antibiotikums. Im Streit steht dabei, ob der beklagte Zahnarzt am Behandlungstag das vorgesehene Rezept ebenso vergessen hat auszuhändigen wie der klagenden Patienten eine Notfallnummer zur Verfügung zu stellen. Am Folgetag kam es nämlich bei der Patientin zu einer fortschreitenden Schwellung der linken Gesichtshälfte. Die Patientin wurde deswegen später nicht nur in einem Krankenhaus vorstellig, sondern stationär aufgenommen. Wenig später steigerten sich die Beschwerden bei der Klägerin bis hin zu einer Luftnot, die die behandelnden Ärzte veranlasste, die Patientin in eine Allgemeinnarkose zu versetzen und einen Luftröhrenschnitt durchführen zu müssen. Eine intensivmedizinische Betreuung schloss sich über nahezu 14 Tage an. Später musste die Klägerin stationär aufgenommen werden wegen einer Korrektur von Narben nach der ersten stationären Behandlung.

Nicht telefonisch erreichbar?

Im bisherigen Verfahrensverlauf hat der Sachverständige zwar zugestanden, dass bei einem derart komplexen chirurgischen Eingriff Komplikationen auf Patientenseite einzustellen wären. Allerdings wäre gerade dann, wenn ein solcher Eingriff vor dem Wochenende durchgeführt wird, mindestens die telefonische Erreichbarkeit des Operateurs sicherzustellen.

Ungelöster Widerspruch mit Dokumentation

Zur Stellung von Zahnärzten in Arzthaftungsprozessen ist daran zu erinnern, dass es grundsätzlich Sache des Patienten ist, einen Behandlungsfehler nachzuweisen. Für die Dokumentation der Behandlung des Zahnarztes gilt, dass nur zu dokumentieren ist, was medizinisch notwendig und üblich ist. Und an dieser Stelle ist im Gerichtsverfahren das Verhalten des Zahnarztes nicht ohne Widerspruch geblieben. Während der beklagte Zahnarzt im Prozess die Notwendigkeit einer Antibiotikaprophylaxe in Abrede stellt, hat er diese noch in seiner Karteikarte ausgewiesen.

Dramatischer Ablauf

Der Gutachter hat im laufenden Verfahren bestätigt, dass die später dramatische Behandlungssituation die in der stationären Versorgung durchgeführte Behandlung rechtfertigt. Als Ursache machte der Sachverständige aus, dass das Gebiet um die regio 36 offensichtlich bakteriell kontaminiert und für das Krankheitsgeschehen verantwortlich war. Für diesen ungewöhnlichen Infektverlauf sieht der Gutachter dann einen Behandler als verantwortlich an einschließlich der eingetretenen Folgen, wenn dieser nicht die Erreichbarkeit nach einem derartigen umfangreichen Eingriff vor einem Wochenende sichergestellt hat.

Konsequente Organisation

Das derzeit anhängige Verfahren ist nicht entschieden. Angesichts der bisherigen sachverständigen Beurteilung verdichten sich aber die Hinweise auf eine Haftung des Zahnarztes. Es sind kleine organisatorische Unzulänglichkeiten, die folgenschwer in eine Intensivbehandlung der Patientin mündeten. Organisatorisch muss ein Zahnarzt sicherstellen, dass ausgefertigte Rezepte oder allgemein seine Anweisungen durchgeführt werden. Auf Nachlässigkeiten bei Mitarbeitern ist konsequent arbeitsrechtlich, beispielsweise durch Abmahnungen zu reagieren.