Ein mobiles, handgehaltenes Röntgengerät? Geht das mit rechten Dingen zu? So oder ähnlich kommentierten kürzlich in den Sozialen Medien Leser den Einsatz besagten Geräts. Verwendet wird es von Oralchirurg Dr. Christoph Blum. Er nutzt es in seinem Zahnmobil, mit dem er vor Seniorenheimen und Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen Halt macht, um Patienten, für die ein Transport psychisch und physisch zu anstrengend wäre, vor Ort zu behandeln. Im Interview mit dzw-Redakteurin Evelyn Stolberg steht er Rede und Antwort rund um seinen Umgang mit dem Apparat, der seinen Arbeitsalltag enorm erleichtert.
Herr Dr. Blum, welche Hürden mussten Sie überwinden, bevor Sie die Genehmigung für das mobile, handgehaltene Röntgengerät hatten?
Dr. Christoph Blum: Zunächst wurde mir gegenüber ein klares Nein geäußert, da laut der für den Strahlenschutz zuständigen Mitarbeiter im Länderrat sowie laut den Sachverständigen der Kammern keine Notwendigkeit bestünde, mobile handgehaltene Röntgengeräte in einer Praxis zu betreiben. Das hieße, dass es zwar CE-zugelassene Geräte gibt, aber keine Zulassung durch die Aufsichtsbehörden. Die Uni Ulm MKG unter der Führung von Prof. Geibel hat allerdings im März 2018 ein Gerät wie unseres zum Betrieb angemeldet und eine Genehmigung erhalten.
Auf Basis dieser Zulassung mussten sich das Ministerium und die SGD Nord erstmal mit meinem formlosen Antrag befassen und prüfen, ob eine Genehmigung möglich wäre. Nach mehreren Anhörungen und Gesprächen kam man zu dem Schluss, dass eine Prüfung aller Beteiligten wie Ministerialer Abteilungsleiter, zwei Sachverständige Prüfer des Ministeriums, Leiter Strahlenschutz SGD Nord, Industrievertreter und Praxisteam vor Ort erfolgen soll. Es wurde festgestellt, dass hinter dem Bleischild keine Strahlung messbar ist und die Bildqualität sehr gut in der Auflösung. Weiter wurde festgestellt, dass eine gleichgestellte und fachgerechte Behandlung unter an-derem auf einem Röntgenbild beruht und eine Mobilisierung sowie mögliche Transportkosten bestimmter Patienten nur für ein Bild unverhältnismäßig sind. Daher wurde unter Auflagen der Betrieb nach Rücksprache mit dem Bundesumweltministerium genehmigt.
Wodurch unterscheidet sich das Gerät in der Handhabung von fest installierten?
Blum: Der größte Unterschied ist die einfache Portabilität und Bedienung durch den Behandler. Die Strahlen sind gleich und gemäß digitaler Technik äußerst gering, zudem stark gerichtet. Durch die sehr kurzen Belichtungszeiten ist eine hohe Bildqualität gesichert. Um eine mögliche Strahlenstreuung und Belastung für den Behandler zu verhindern, ist trotz Bleischild am Gerät eine Bleischürze für den Behandler vorgeschrieben. Der obligate Bleischutz für den Patienten ist gleich den praxisüblichen Bestimmungen. Aufgrund der noch neuen Methode und zu geringen eigenen Kenntnisse möglicher auftretender Strahlen ist vom Anwender außerdem ein Filmdosimeter unter der Bleischürze zu tragen und monatlich auszuwerten. Bisher sind alle Ergebnisse 0,0 µSv. Weiter wurde die Anwendung auf den höchst Ausgebildeten beschränkt, das heißt, nur der Arzt mit Fachkunde darf die Bedienung vornehmen, nicht die Mitarbeiterinnen, die sonst in der Praxis in der Regel die Röntgenaufnahmen machen.
Weshalb ergibt der Einsatz mobiler Röntgengeräte Sinn, etwa im Zahnmobil?
Blum: Viele Patienten sind immobil und müssen zur Behandlung transportiert werden. Durch das Zahnmobil haben wir diese Belastung schon deutlich minimieren können. Trotzdem kommt es immer wieder vor, dass erst durch ein Röntgenbild eine Karies sichtbar wird, eine Zyste oder apikale Ostitis erkannt wird oder deren Ausdehnung deutlich zu erkennen ist. Auch wird häufig der Erhalt oder Nicht-Erhalt der Zähne erst nach einem Röntgenbild klar. Da in der Regel viele Patienten nicht selbst einwilligen können, muss zunächst die Diagnostik abgeschlossen werden, um dann einen Behandlungsplan mit dem Betreuer abzustimmen. Erst dann kann der Eingriff erfolgen. Nur für ein Bild einen immobilen, bettlägerigen Patienten in das Zahnmobil zu transportieren ist ebenso unverhältnismäßig und durch ein mobiles, handgehaltenes Gerät am Pflegebett zu verhindern. Stativgeräte auf Rollen sind zum einen äußerst sperrig, zum anderen wurde auch vonseiten der Industrie und Sachverständigen festgestellt, dass durch mögliche Schläge beim Transport im Zahnmobil-Container Schäden an der Glasröhre entstehen würden.
Sollten die Vorschriften gelockert werden, damit noch mehr Kollegen die Möglichkeit erhalten, ein solches Gerät zu verwenden?
Blum: Ich bin gegen eine Lockerung von Vorschriften, aber für eine praktische Anwendung der bisherigen Gesetzgebung. Grundsätzlich spricht kein Gesetz gegen die Anwendung mobiler oder handgehaltener Röntgengeräte. In unserem Fall haben die Sachverständigen und das Ministerium klar den praktischen Nutzen erkannt und den Ermessensspielraum mit klaren Regeln angewendet. Ich halte eine Erlaubnis für den Bedarfsfall wie hier sehr gut und stehe auf der Seite der Behörde, dass in Praxisräumen feste Geräte oder Stativgeräte völlig ausreichend sind. Wenn die Ergebnisse der Strahlenüberwachung weiter negativ sind, wäre es schön, die Dosimetrie beenden zu können.
Wie viele Geräte wie das Ihre sind weltweit im Einsatz?
Blum: Laut Timo Kleinwächter von KaVo wurden weltweit rund 40.000 KaVo NOMAD Pro2 verkauft, der Großteil in den USA. In Großbritannien wurden rund 1.000 Einheiten verkauft und im Rest von Europa etwa 200. In Deutschland sind insgesamt 15 Geräte auf dem Markt, wobei es sich hier wohl um verschiedene Geräte der NOMAD-Familie handelt, die beispielsweise auch für forensische Zwecke bei Polizei und Bundeswehr eingesetzt werden.