Die Einwanderung von Gelbfiebermücken und Tigermücken hat Tradition und wird durch den Waren- und Reiseverkehr beschleunigt. Der Klimawandel begünstigt zusätzlich die Verbreitung wärmeliebender Arten. Die Stechmücken, die gefährliche Infektionskrankheiten übertragen können, haben sich weltweit verbreitet.
Wissenschaftler der Goethe-Universität Frankfurt und der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung haben die ökologischen Nischen der Tiger- und der Gelbfiebermücke auf verschiedenen Kontinenten verglichen. Das Ergebnis: „Aufgrund ihrer längeren Einwanderungsgeschichte von 300 bis 400 Jahren füllt die Gelbfiebermücke ihre Nische in nicht-heimischen Gebieten fast vollständig aus, während die Tigermücke mit einer kurzen Einwanderungsgeschichte von 30 bis 40 Jahren noch nicht überall dort angekommen ist, wo sie geeignete Umweltbedingungen hätte“, erklärt Professor Sven Klimpel.
Mücken kamen auf dem Seeweg
„In den nächsten ein bis fünf Dekaden werden durch Vektoren wie Mücken Infektionskrankheiten zunehmen“, davon geht das Team um Klimpel aus. Vektoren übertragen Erreger, die Infektionskrankheiten auslösen, von einem Wirt auf einen anderen Organismus, ohne dabei selbst zu erkranken. Viele bekannte Vektorarten sind in tropischen und subtropischen Gebieten heimisch. Wenn sie im neuen Verbreitungsgebiet Erreger vorfinden, weitet sich das Risikogebiet für die Krankheiten, die sie übertragen, aus.
Zwei prominente Beispiele für Vektoren sind die asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) und die Gelbfiebermücke (Aedes aegypti). Die Gelbfiebermücke gilt als Hauptvektor von Gelbfieber-Virus, Dengue-Virus, Zika-Virus und einigen anderen Viruserkrankungen. Die Tigermücke kann ebenfalls das Zika-Virus und das Dengue-Virus übertragen, aber auch weitere Krankheitserreger wie das West-Nil-Virus oder das Chikungunya-Virus. Diese beiden medizinisch relevanten Vektoren stehen im Fokus der aktuellen Studie in „Scientific Reports“.
Die ursprünglich in Afrika heimische Gelbfiebermücke breitete sich schon vor 300 bis 400 Jahren weltweit aus – vermutlich durch die Ausweitung von Zuckerrohrplantagen und den Sklavenhandel. Die Tigermücke, die heute zu den 100 schlimmsten invasiven Arten gezählt wird, kommt ursprünglich aus Süd- und Südostasien. In den vergangenen Jahrzehnten ist sie vor allem durch Warentransporte und Reisetätigkeiten verschleppt worden. Dabei spielte der Handel mit Autoreifen und Glücksbambus eine wichtige Rolle. Auf dem Seeweg wurden dabei Eier, Larven und Puppen der Tigermücke in teilweise mit Wasser gefüllten gebrauchten Autoreifen oder den Wasserbehältern des Glücksbambus über weite Strecken transportiert.
Exotische Plagegeister auf dem Vormarsch
In ihrer Studie haben die Wissenschaftler die ökologischen Nischen beider Arten untersucht, also die Gesamtheit der Umweltbedingungen, unter denen eine Art vorkommen kann. Denn in den neuen Verbreitungsgebieten können Stechmücken anderen Umweltbedingungen ausgesetzt sein als im ursprünglichen Verbreitungsgebiet. Invasiven Stechmückenarten wird oft nachgesagt, dass sie sich besonders gut und schnell an neue Klimabedingungen anpassen können. Dafür fanden die Wissenschaftler jedoch keine Hinweise. Beide Arten besitzen eine breite Nische. Sie können im ursprünglichen Verbreitungsgebiet unter einer Vielzahl verschiedener Umweltbedingungen vorkommen. Da in den neuen Verbreitungsgebieten ähnliche klimatische Verhältnisse herrschen, lässt sich die weltweite Ausbreitung deshalb nicht durch Anpassung erklären, wobei lokale Anpassungen und genetische Merkmalsveränderungen nicht ausgeschlossen sind.
Einen Unterschied zwischen beiden Arten haben die Wissenschaftler dennoch feststellen können: Zeit spielt eine wichtige Rolle bei der Ausbreitung oder Invasion von Arten. Mit ihrer längeren Einwanderungsgeschichte füllt die Gelbfiebermücke ihre Nische in den neuen, nicht-heimischen Verbreitungsgebieten annähernd aus, das heißt, sie kommt unter vielen Umweltbedingungen vor, die auch in ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet vorliegen.
Bei der asiatischen Tigermücke sieht das hingegen anders aus. Sie kommt in den neuen Verbreitungsgebieten (noch) nicht überall dort vor, wo für sie geeignete Bedingungen herrschen. Daraus leiten die Forscher für die Zukunft ein weiteres Ausbreitungspotenzial für diese Art ab. „Mittlerweile ist die asiatische Tigermücke in Südeuropa fast flächendeckend verbreitet und wird sich aufgrund der breiten Nische auch in Nordeuropa unaufhaltsam ausbreiten und etablieren. Und weitere exotische Mückenarten werden folgen, respektive sind bereits in Zentraleuropa angekommen“, resümiert Klimpel.