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Verhütung von Zahnerkrankungen bei Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen

Ab 1. Juli haben Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderungen einen gesetzlichen Anspruch auf zahnärztliche Prävention, um Mund- und Zahnerkrankungen zu verhindern und eine sachgerechte Prothesenpflege vorzunehmen.

Ab 1. Juli haben Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderungen einen gesetzlichen Anspruch auf zahnärztliche Prävention, um Mund- und Zahnerkrankungen zu verhindern und eine sachgerechte Prothesenpflege vorzunehmen. 

Ein knapp gehaltener Satz genügt: „Sehr geehrte Damen und Herren, der von Ihnen gemäß § 94 SGB V vorgelegte o. a. Beschluss vom 19. Oktober 2017 über eine Erstfassung einer Richtlinie über Maßnahmen zur Verhütung von Zahnerkrankungen bei Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen (Richtlinie nach § 22a SGB V) wird nicht beanstandet.“

Damit hat Dr. Josephine Tautz, Ministerialrätin im Bundesgesundheitsministerium, die Annahme des Beschlusses des G-BA zur Richtlinie nach Paragraf 22a SGB V am 13. März verkündet. Er wurde bereits am 29. März im Bundesanzeiger veröffentlicht (siehe dazu auch den Kommentar von DZW-Herausgeber Prof. Dr. Rolf Hinz). Im Folgenden der Beschluss im Wortlaut:

Beschluss

des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Erstfassung einer Richtlinie über Maßnahmen zur Verhütung von Zahnerkrankungen bei Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen (Richtlinie nach § 22a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V)) vom 19. Oktober 2017.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat in seiner Sitzung am 19. Oktober 2017 die folgende Richtlinie über Maßnahmen zur Verhütung von Zahnerkrankungen bei Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen (Richtlinie nach § 22a SGB V) beschlossen:

I.

„Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über Maßnahmen zur Verhütung von Zahnerkrankungen bei Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen (Richtlinie nach § 22a SGB V)

§ 1 Zweck und Regelungsbereich

Diese Richtlinie regelt auf der Grundlage nach § 92 Absatz 1 Nr. 2 SGB V in Verbindung mit § 22a SGB V Art und Umfang der zahnärztlichen Leistungen zur Verhütung von Zahnerkrankungen bei Versicherten, die einem Pflegegrad nach § 15 des Elften Buches Sozialgesetzbuch zugeordnet sind oder Eingliederungshilfe nach § 53 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch erhalten.

Die Richtlinie definiert Art und Umfang der folgenden Leistungen:

  • die Erhebung des Mundgesundheitsstatus (§ 4),
  • den individuellen Mundgesundheitsplan (§ 5),
  • die Mundgesundheitsaufklärung (§ 6) sowie
  • die Entfernung harter Zahnbeläge (§ 7).

§ 2 Versorgungsziele und Qualitätsförderung

(1) Ziel der Richtlinie ist es, eine regelmäßige und bedarfsgerechte vertragszahnärztliche Versorgung der Versicherten gemäß § 1 Satz 1 zu gewährleisten. Die insoweit zu verfolgenden Versorgungsziele sind insbesondere:

  • Erhalt und Verbesserung der Mundgesundheit einschließlich des Mund- und Prothesenhygienestandards und damit Verbesserung der mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität (unter anderem Schmerzfreiheit, Essen, Sprechen, soziale Teilhabe),
  • Regelmäßige Untersuchungen zum frühzeitigen Erkennen von Erkrankungen des Zahn-, Mund- und Kieferbereichs, verbunden mit dem Nachweis der eigenen Bemühungen zur Gesunderhaltung der Zähne gemäß § 55 Absatz 1 Satz 3 ff. SGB V,
  • Zeitnahe, den Lebensumständen des oder der Versicherten Rechnung tragende Behandlung bzw. Hinwirken auf eine solche Behandlung,
  • Aufklärung über geeignete Maßnahmen zur Förderung der Mundgesundheit gegenüber der Patientin oder dem Patienten und gegebenenfalls der Pflege- oder Unterstützungspersonen,
  • Abstimmen aller Maßnahmen nach dieser Richtlinie auf die Lebensumstände und die kognitiven und motorischen Fähigkeiten des oder der Versicherten sowie deren Fähigkeit zur Mitwirkung.

(2) Bedarfsorientiert führt die Vertragszahnärztin oder der Vertragszahnarzt konsiliarische Erörterungen mit Ärzten und Zahnärzten durch; beispielsweise soll dem Krankheitsbild der Mundtrockenheit/Xerostomie durch Hinweise auf eine Prüfung und gegebenenfalls Änderung einer möglicherweise Mundtrockenheit bewirkenden Medikation entgegengewirkt werden.

(3) Der Vertragszahnärztin oder dem Vertragszahnarzt wird empfohlen, regelmäßig Fortbildungsmaßnahmen wahrzunehmen, die sich an den Versorgungszielen nach Absatz 1 und den speziellen diagnostischen und therapeutischen Aufgabenstellungen orientieren.

§ 3 Untersuchung und Behandlung

(1) Der Durchführung der Maßnahmen nach §§ 4 bis 6 soll die eingehende Untersuchung auf Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten vorangegangen sein; die zahnärztliche Untersuchung wird im Hinblick auf die Erhöhung der Festzuschüsse zum Zahnersatz nach § 55 Absatz 1 Satz 3 ff. SGB V bestätigt. 

(2) Zur weiteren Abklärung von festgestellten Befunden erfolgt gegebenenfalls eine entsprechende Empfehlung oder Überweisung. 

(3) An den Zähnen und am Zahnersatz sollen nach Möglichkeit alle natürlichen bzw. iatrogenen Reizfaktoren beseitigt werden. Bei behandlungsbedürftigen zahnärztlichen Befunden soll zeitnah eine Behandlung erfolgen oder auf diese hingewirkt werden; hierzu erfolgt gegebenenfalls eine Empfehlung oder Überweisung. Die Durchführung von empfohlenen oder veranlassten Behandlungen wird bei der nächsten eingehenden Untersuchung festgestellt.

§ 4 Erhebung des Mundgesundheitsstatus

(1) Die Erhebung des Mundgesundheitsstatus umfasst die Beurteilung des Pflegezustands der Zähne, des Zahnfleischs, der Mundschleimhäute sowie des Zahnersatzes.

(2) Der erhobene Mundgesundheitsstatus ist in den Vordruck nach § 8 von der Vertrags-zahnärztin oder vom Vertragszahnarzt einzutragen.

(3) Die Erhebung des Mundgesundheitsstatus erfolgt einmal im Kalenderhalbjahr.

§ 5 Individueller Mundgesundheitsplan

(1) Auf Grundlage des Mundgesundheitsstatus nach § 4 erstellt die Vertragszahnärztin oder der Vertragszahnarzt einen individuellen Mundgesundheitsplan. Angaben der Versicherten oder des Versicherten und gegebenenfalls der Pflege- oder Unterstützungspersonen werden bei der Erstellung des Plans berücksichtigt. 

(2) Der individuelle Mundgesundheitsplan umfasst insbesondere die Angabe:

a) der gegenüber der Versicherten oder dem Versicherten und gegebenenfalls der Pflege- oder Unterstützungspersonen zur Anwendung empfohlenen Maßnahmen und Mittel zur Förderung der Mundgesundheit einschließlich der täglichen Mund- und/oder Prothesenhygiene, der Fluoridanwendung, der zahngesunden Ernährung (insbesondere des verringerten Konsums zuckerhaltiger Speisen und Getränke) sowie der Verhinderung bzw. Linderung von Mundtrockenheit/Xerostomie,

b) der empfohlenen Durchführungs- bzw. Anwendungsfrequenz dieser Maßnahmen und Mittel,

c) ob die Maßnahmen von der Versicherten oder dem Versicherten selbst, mit Unterstützung durch die Pflege- oder Unterstützungsperson oder vollständig durch diese durchzuführen sind,

d) zur Notwendigkeit von Rücksprachen mit weiteren an der Behandlung Beteiligten sowie zum vorgesehenen Ort der Behandlung.

(3) Der individuelle Mundgesundheitsplan wird von der Vertragszahnärztin oder dem Vertragszahnarzt in den Vordruck nach § 8 eingetragen.

(4) Die Umsetzung der Maßnahmen nach Absatz 2 wird im Rahmen der nächsten Erhebung des Mundgesundheitsstatus durch die Vertragszahnärztin oder den Vertragszahnarzt überprüft. Auf Grundlage der Überprüfung wird der individuelle Mundgesundheitsplan gegebenenfalls angepasst.

(5) Die Erstellung bzw. Anpassung des individuellen Mundgesundheitsplans erfolgt im Zusammenhang mit der Erhebung des Mundgesundheitsstatus einmal im Kalenderhalbjahr.

§ 6 Mundgesundheitsaufklärung

(1) Die Mundgesundheitsaufklärung umfasst die folgenden Leistungen:

a) Aufklärung über die Inhalte nach § 5 Absatz 2,

b) Demonstration und gegebenenfalls praktische Anleitung zur Reinigung der Zähne und des festsitzenden Zahnersatzes, des Zahnfleischs sowie der Mundschleimhaut,

c) Demonstration und gegebenenfalls praktische Unterweisung zur Prothesenreinigung und zur Handhabung des herausnehmbaren Zahnersatzes,

d) Erläuterung des Nutzens der Maßnahmen nach a) bis c), Anregen und Ermutigen der Versicherten oder des Versicherten sowie deren Pflege- oder Unterstützungspersonen, die jeweils empfohlenen Maßnahmen durchzuführen und in den Alltag zu integrieren.

(2) Bei der Mundgesundheitsaufklärung sind die Lebensumstände der Versicherten oder des Versicherten zu erfragen sowie deren individuelle Fähigkeiten und Einschränkungen angemessen zu berücksichtigen. Sofern die Versicherte oder der Versicherte der Unterstützung durch eine Pflege- oder Unterstützungsperson bedarf, ist diese im jeweils erforderlichen Umfang in die Mundgesundheitsaufklärung einzubeziehen.

(3) Die Mundgesundheitsaufklärung erfolgt in einer für die Versicherte oder den Versicherten sowie gegebenenfalls für die Pflege- oder Unterstützungspersonen verständlichen und nachvollziehbaren Art und Weise.

(4) Soweit der Versicherten oder dem Versicherten ein Verständnis oder die Umsetzung der Hinweise aus der Mundgesundheitsaufklärung nur eingeschränkt möglich ist, sind diese Maßnahmen im jeweils erforderlichen Umfang auf Pflege- oder Unterstützungspersonen zu konzentrieren bzw. gegebenenfalls zu beschränken. In diesen Fällen sind den Pflege- oder Unterstützungspersonen konkrete Hinweise zur Mund- und Prothesenpflege und zur Zusammenarbeit mit der Versicherten oder dem Versicherten zu geben.

(5) Die Mundgesundheitsaufklärung, auch wenn sie sich an Pflege- oder Unterstützungspersonen richtet, erfüllt die Voraussetzungen für die Behandlung von Parodontopathien im Hinblick auf die Anleitung des Versicherten oder der Versicherten und deren oder dessen Information über bestehende Mitwirkungspflichten.

(6) Die Mundgesundheitsaufklärung erfolgt einmal im Kalenderhalbjahr und soll in engem zeitlichen Zusammenhang nach der Erhebung des Mundgesundheitsstatus sowie in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Erstellung des individuellen Mundgesundheitsplans erbracht werden.

§ 7 Entfernung harter Zahnbeläge

Versicherte gemäß § 1 Satz 1 haben Anspruch auf eine Leistung zur Entfernung harter Zahnbeläge. Die Entfernung harter Zahnbeläge erfolgt einmal im Kalenderhalbjahr.

§ 8 Information des Versicherten

Die Information der Versicherten über die Inhalte der Maßnahmen nach §§ 4 und 5 und über den Behandlungsbedarf erfolgt auf einem von der Vertragszahnärztin oder dem Vertragszahnarzt auszufüllendem Vordruck. Die Einzelheiten zum Format des Vordrucks werden von Spitzenverband Bund der Krankenkassen sowie von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung vereinbart. Der oder die Versicherte erhält eine Kopie des ausgefüllten Vordrucks. Der Vordruck ist patientenverständlich zu fassen. Pflege- oder Unterstützungspersonen können diesen mit Zustimmung der oder des Versicherten als Informationsquelle sowie als Anlage zum Pflegeplan nutzen.

§ 9 Berichterstattung

(1) Die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen berichten der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung jährlich bis zum Ende des zweiten Quartals des auf das Berichtsjahr folgenden Jahres anhand der ihr vorliegenden Abrechnungsdaten über das Versorgungsgeschehen im Berichtsjahr. Dabei ist die Anzahl der erbrachten Leistungen nach § 22a SGB V sowie die Anzahl der konsiliarischen Erörterungen darzustellen und nach Möglichkeit anzugeben, wie viele Versicherte die jeweiligen Leistungen in Anspruch genommen haben.

(2) Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung berichtet dem G-BA auf der Grundlage der Berichte nach Absatz 1 jährlich bis zum Ende des dritten Quartals des auf das Berichtsjahr folgenden Jahres über die bundesweiten Ergebnisse.

(3) Der G-BA wertet im Abstand von jeweils drei Jahren nach Inkrafttreten der Richtlinie die Berichte nach Absatz 2 aus und berät über Konsequenzen, gegebenenfalls auch unter Berücksichtigung der Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen.“

II.

Die Richtlinie tritt am 1. Juli 2018 in Kraft. Die Tragenden Gründe zu diesem Beschluss werden auf den Internetseiten des G-BA unter www.g-ba.de veröffentlicht.

Berlin, den 19. Oktober 2017

Gemeinsamer Bundesausschuss gemäß § 91 SGB V

Der Vorsitzende Prof. Hecken

(Quelle: Bundesanzeiger vom 29. März 2018)