Bislang gibt es gegen Sars-CoV-2 keine zielgerichtete Therapie mit eindeutig belegter Wirksamkeit und nachhaltiger Verlaufsverbesserung. Trotz eines weltweiten Wettlaufs sind sichere Impfstoffe für eine aktive Immunisierung noch nicht verfügbar. Schon früh in der Sars-CoV-2-Pandemie entstand die Frage, ob das Plasma von Rekonvaleszenten eine Option für die Therapie bei Covid-19 darstellt. Erste Behandlungsergebnisse waren vielversprechend und der Auslöser für eine Vielzahl von Studien weltweit.
Auch auf der 53. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie e.V. (DGTI), die vom 16. bis 18. September als digitaler Kongress stattfand, war die Therapie mit Rekonvaleszentenplasma ein zentrales Thema. In mehreren Beiträgen wurden die Untersuchung von Anti-Sars-CoV-2-Antikörpern, die Rekrutierung von Spendern für Rekonvaleszentenplasma und die Charakterisierung dieser Plasmen vorgestellt.
Problem der fehlenden Kontrollgruppen
„Eine passive Immunisierung durch Plasma von genesenen Patienten mit antiviralen Antikörpern war in der Vergangenheit schon bei anderen akuten, viralen respiratorischen Erkrankungen mit schwerem Verlauf eingesetzt worden, wie etwa bei Sars- oder Mers-Coronavirus, Influenza des Typs H1N1 und H5N1. Diese Studien erbrachten Hinweise auf eine Reduktion der Viruslast, eine Verkürzung des Krankenhausaufenthalts und eine Reduktion der Sterblichkeit bei Patienten, die Rekonvaleszentenplasma erhalten hatten. Die Wirkung konnte jedoch nicht abschließend belegt werden, da es sich nicht um randomisierte Studien mit einer Kontrollgruppe handelt“, erklärt Prof. Dr. med. Hubert Schrezenmeier, Tagungspräsident der Jahrestagung und 2. Vorsitzender der DGTI, Ärztlicher Direktor und Medizinischer Geschäftsführer des Instituts für Klinische Transfusionsmedizin und Immungenetik Ulm (IKT) und des Instituts für Transfusionsmedzin des Universtitätsklinikums Ulm.
Die Rekonvaleszentenplasma-Therapie erfordert zunächst die Gewinnung von Plasmen, die neutralisierende Antikörper gegen Sars-CoV-2 enthalten. Die Mehrzahl der Sars-CoV-2-infizierten Menschen bilden rasch Anti-Sars-CoV-2-Antikörper. Allerdings gibt es große interindividuelle Unterschiede in der Menge und Art der Antikörper. Nach entsprechenden Aufrufen bestand bei vielen Genesenen die Bereitschaft zur Spende von Rekonvaleszentenplasma. Aufgrund der allgemeinen Kriterien für die Eignung als Plasmaspender und aufgrund der spezifischen Kriterien für die Plasmaspende von Genesenen konnten aber nicht alle spendebereiten Genesenen zur Plasmapherese zugelassen werden. In den transfusionsmedizinischen Einrichtungen mit entsprechenden Programmen konnten in kurzer Zeit dennoch viele Rekonvaleszentenplasmen gesammelt werden.
Klinischer Wirksamkeitsnachweis steht noch aus
Das Prinzip einer passiven Immunisierung durch Transfusion von antiviralen Antikörpern erscheint überzeugend. Die theoretischen Überlegungen zum Wirkmechanismus ersetzen jedoch nicht den Nachweis in einer randomisierten klinischen Prüfung. Zwischenzeitlich gibt es laut der DGTI eine Serie von Daten zum Einsatz von Rekonvaleszentenplasma bei Covid-19. Schrezenmeier: „Die bisher veröffentlichten Daten zeigen keine Signale für eine ungewöhnliche Häufung von unerwartet unerwünschten Wirkungen, welche in dem spezifischen pathophysiologischen Kontext von Sars-CoV-2 auftreten. Die bisher verfügbaren Behandlungsergebnisse sind zwar vielversprechend, stellen aber keinen Wirksamkeitsnachweis dar. Deshalb sind weitere Ergebnisse aus randomisierten klinischen Prüfungen erforderlich.“
Mehrere klinische Prüfungen zu Rekonvaleszentenplasma sind in Deutschland initiiert. Auch Schrezenmeier hat mit weiteren Experten der DGTI im April die deutschlandweit angelegte CAPSID-Studie gestartet.